Wie die Zeppelinhütte zu ihrem Namen kam

Am Wegesrand: Wer zu Fuß geht, der kann viel erleben und nicht nur nette Mitmenschen zum Plausch treffen, sondern an allen Ecken auch (meist) steinerne Zeugen vergangener Zeiten. Genau besehen, ist das gesamte Bensheimer Stadtgebiet ein Freiluftmuseum.

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An der Zeppelinhütte im Wald oberhalb von Auerbach starten zwei Abfahrtsstrecken des Hochstädter Fuchstrails mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad. © Eva Bambach

Bensheim. Was nicht aus Stein besteht, ist meist schon nach Jahrzehnten nicht mehr zu sehen. Ausnahmen bestätigen die Regel, wie etwa die schöne Toranlage in Auerbach, Darmstädter Straße 202 bis 204, die von Heinrich Metzendorf im Jahr 1905 für die Zimmerei Brack geplant wurde. Die symmetrische Anlage verbindet die beiden Anwesen mit einem biberschwanzgedeckten Dach. Neben den hohen Durchfahrten für Wagen gibt es zwei mit geschnitzten Ornamenten geschmückte Türen für die Fußgänger. Der Name Brack taucht in Auerbach häufig in Zusammenhang mit Bauvorhaben des frühen 20. Jahrhunderts auf. Neben der Zimmerei der Gebrüder Brack gab es auch einen Maurermeister Brack. Beide Handwerksbetriebe spielten auch bei einem Bauvorhaben eine Rolle, von dem heute außer dem Namen keine Spur mehr vorhanden ist.

Jedem engagierten Mountainbiker aber ist die Zeppelinhütte ein Begriff. Sie liegt oberhalb von Auerbach auf der 311 Meter hohen Ludwigshöhe, die heute mit vielen Bäumen bewachsen ist, von ihrer Lage her aber ein idealer Aussichtspunkt sein könnte. Das aktuelle Bauwerk ist eine hölzerne Schutzhütte wie viele andere. Der Name „Zeppelinhütte“ jedoch weist mehr als 100 Jahre weit zurück. Sie ist heute in Deutschland – soweit es die Suchmaschinen ermitteln – die einzige neben einer (ebenfalls modernen) Hütte mit gleichem Namen in Aalen im Ostalbkreis.

Originelle Wetterfahne in Gestalt eines Luftschiffes

Über ein zunächst auf der Ludwigshöhe unter dem Namen „Auerbacher Hütte“ errichtetes, am 3. Oktober 1909 eingeweihtes Bauwerk berichtete das Bergsträßer Anzeigeblatt am folgenden Tag: „Die Schutzhütte bildet einen gegen die Windrichtungen gegebenen wirksamen Schutz durch die Eigenartigkeit ihrer Anlage, wobei es möglich ist, durch späteres Einsetzen zweier Wände einen verschlossenen Raum herzustellen, in welchem Erfrischungen verabreicht werden können. Eine originelle Wetterfahne in Gestalt eines Zeppelin-Luftschiffes“ schmücke „den Bau, der in Holz ausgeführt ist“. „Herr Architekt Metzendorf verdankt man die Idee der Anlage.“ Genannt werden auch die Namen mehrerer anderer Herren, die bei der Errichtung mitgewirkt hatten, darunter die Zimmerer und Maurer Brack, aber auch Spengler, Schlosser, Fuhrunternehmer, Weißbinder und „Handarbeiter“.

An der Darmstädter Straße in Auerbach ist noch heute diese schöne, von einem Dach geschützte Toranlage aus Holz erhalten, die von Heinrich Metzendorf vor 120 Jahren entworfen wurde. © Eva Bambach

Leider gibt es offenbar kein Bild mehr der Anlage, das den Zeppelin auf dem Dach zeigt. In der Publikation zu einer Wanderung der Stadtteildokumentation Auerbach im Mai 2009 ist eine Postkarte abgebildet, die die offene Hütte mit einem zeltförmigen Dach im Jahr 1910 zeigt – man erkennt darauf aber nur noch den unteren Ansatz der Wetterfahne. Diese erste Hütte – die, so der Beitext der Stadtteildokumentation, anstelle eines eigentlich geplanten Aussichtsturms gebaut worden sei –, musste offenbar knapp 20 Jahre nach ihrer Erbauung erstmals ersetzt werden. Vielleicht ist die Zeppelin-Wetterfahne schon seit damals verschwunden. Interessant ist aber doch, dass der Name erhalten blieb.

Dass sich Heinrich Metzendorf auch mit der Planung von solchen Aussichtspunkten befasste, ist gut vorstellbar. Er hatte unter anderem 1899 bis 1902 schon den imposanten Bismarckturm auf dem Hemsberg geplant und etwa zur gleichen Zeit auch den als „Blaues Türmchen“ bekannten Luginsland im Bassmannpark. Das Bemühen, die Bergstraße für Touristen und reiche Privatiers attraktiv zu machen, brachte damals eine ganze Reihe von weiteren Rastplätzen hervor, die von den besiedelten Gebieten aus gut zu erreichen waren und eine schöne Aussicht boten.

Auch Metzendorf war begeistert von Dachzier

Die originelle Wetterfahne auf dem Dach verdankte sich der um die damalige Jahrhundertwende aufgeflammten Begeisterung für Dachzier, die auch Heinrich Metzendorf teilte – davon zeugen viele noch heute erhaltene Wetterfahnen in der Bensheimer Stadtlandschaft. Dass man sich im Fall der Auerbacher Hütte für einen Zeppelin entschied, lag im Trend. Das Jahr 1909 war das Jahr der höchsten Popularität des Grafen Zeppelin und seines Luftgefährts: „Hier erleben wir das Wunder als ein Zeugnis von der Macht der Technik, als einen Beweis vom Schaffen-Können des Menschen. Denn dies ist das Evangelium der technischen Kultur: Es ist uns die Macht gegeben, das blinde Werden der Natur umzusetzen in bewusstes Schaffen“, so begeisterte sich damals der Schriftsteller Kurd Laßwitz, der dabei auch einen „Schauer des Erhabenen“ und „seelische Bewegung“ verspürte.

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