Genuss - Spannende Begegnung im Weingut Rothweiler / Zwei Künste im offenen Dialog

Wein und Bier? Vorurteile einfach wegspülen

Von 
Thomas Tritsch
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Bier trifft Wein: Zu einer interessanten Verkostung wurde am Freitag ins Weingut Rothweiler eigeladen. Unser Bild zeigt vorne (v.l.) Winzermeisterin Christa Guth, Jochen Hardt (Woinemer Hausbrauerei) und Hausherr Hanno Rothweiler.

© Funck

Auerbach. Bier auf Wein, das lass sein! Wein auf Bier, das rat' ich dir. Oder umgekehrt? Der Sprüche sind genug gewechselt. Jetzt geht es ans Eingemachte. Das Motto lautet: Bier und Wein. Eine spannende, genussreiche, aber auch mutige und riskante Begegnung zweier Getränke, zwischen deren Liebhabern es immer wieder zu diskreditierenden Kollisionen kommt.

Im Weingut Rothweiler gab es keine Verbal-Duelle oder beleidigenden Kommentare, sondern einen offenen und erfrischend gehaltvollen Dialog über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zweier traditionsreicher Künste.

Neben einer feinen Auswahl im Glas servierten die Veranstalter ein interessantes Tasting mit flankierendem Foodpairing. Will sagen: Zu jedem Schluck wurden verschiedene Speisen gereicht, um herauszufinden, wer sich mit wem am besten verträgt. Im direkten Vergleich konnte sich jeder der 40 Gäste seinen eigenen Reim darauf machen. Konsens nach gut drei Stunden süffeln: Wein und Bier, das rat' ich dir!

Am Freitag trafen sich Winzer und Braumeister zu einer nicht ganz alltäglichen Verkostung. Im Mittelpunkt standen regionale Bier- und Weinspezialitäten. Die Begegnung war nicht nur eine Grenzüberschreitung der Genres, sondern auch der politischen Hoheitsgebiete: der Badischen und der Hessischen Bergstraße. Für viele ist die Spaltung von 1971 ohnehin eine allzu künstliche und genussgeografisch gar unsinnige Markierung. Manifestiert wurde diese barrierefreie Haltung in einem außergewöhnlichen Aperitif, der aus einem nach mittelalterlicher Rezeptur gebrauten Bier mit Johannisbeer-Zugabe und einem Schuss Gelbem Muskateller bestand.

Nach diesem äußerst exotischen Starter führte Hanno Rothweiler durch seinen Betrieb, zwei Fassproben inklusive. Danach moderierte Winzermeisterin Christa Guth durch den Abend. Für den schäumenden Part war Braumeister Jochen Hardt von der Woinemer Hausbrauerei zuständig.

"Plob" lautete eines seiner ersten Worte. Dabei handelte es sich um eine naturtrübe Bierspezialität nach alter Braumeister-Art, das mit sahnig-vanilligen Noten und intensivem Hopfenaroma ziemlich restsüß in die Kehle schwappt. Mit fünf Gramm Restzucker und moderater Säure nahm ein Silvaner von Rothweiler den Nahkampf auf. Die sahnige Brunnenkressesuppe mit Safranschaum verstand sich mit dem schlanken Weißwein etwas besser. Oder nicht? Geteilte Meinungen unter den Teilnehmern. An Gesprächsthemen war kein Mangel.

"Ein Abenteuer", kommentierte auch der Auerbacher Winzer. Aber eines mit gutem Ende. Schon die Premiere Mitte März in Weinheim war eine gelungene. Ebenso wie die Begegnung von Kartoffelsalat und Winzerwurst und einem Weißherbst aus der Sorte Sankt Laurent. Bei diesem Duell konnte ein klassisches Pilsener viel Applaus ernten. Das spontanvergorene Bier mit seinen würzig-herben Noten nahm es mit dem pikanten Fleisch selbstbewusst auf. Und der Wein schäumte vor Wut? Keineswegs.

Dann war es Zeit für ein echtes Craft Beer. Darunter versteht man handwerklich gebrautes Bier, bei dem hochwertige Zutaten, unkonventionelle Geschmacksrichtungen und das Wiederbeleben alter Brau-Traditionen im Vordergrund stehen. Das Gegenteil ist industriell erzeugte Massenware von geschmacklicher Konstanz, die nah an der Norm rangiert. "Nexxus" heißt der Kraftprotz aus Weinheim mit über 18 Prozent Stammwürze und 7,5 Volumenprozent Alkohol.

Hinter der deutlichen Süße des Weizendoppelbocks aus drei Sorten Hopfen bauen sich geschmeidige Zitrus- und Fruchtaromen auf. Historisches Gerstenmalz (Barke) trifft auf Schriesheimer Weizenmalz. Der Gärprozess bei 22 Grad setzt feine Malzaromen frei. Passend dazu servierten die Gastgeber Odenwälder Schinkenspeck, Pfälzer Leber- und Blutwurst sowie Hüttenthaler Vesperkäse. Der Winzer schickte einen Gelben Muskateller ins Rennen. Der Weißwein freundete sich schnell mit dem Käse und der Bärlauchcreme an.

Als finale Paarung warteten Bock und Syrah. Bernsteinfarbenes Bier mit Röstaromen und malziger Süße gegen einen kantig-muskulösen Rotwein. Zwei kräftige, aber vollmundige Charakterköpfe, die um das "Bieramisu" aus Weinheim und eine Weincreme aus dem Hause Rothweiler buhlten.

Wein trifft Bier: Die Veranstalter haben gezeigt, dass es eigentlich keinen Grund für eine feindliche Lagerbildung gibt. Und schon gar keine Bedenken was die Verträglichkeit betrifft: Die an diesem Abend recht konsequente Malz-Trauben-Mischung bewirkte keinerlei körperliche Unannehmlichkeiten. Auch am nächsten Morgen nicht.

Schön, dass mal wieder ein paar blöde Vorurteile weggespült werden konnten. Zum Abschluss daher noch ein versöhnlicher Spruch: Im Wein findet man Wahrheit, im Bier Freiheit, aber im Wasser eigentlich nur Bakterien. Benjamin Franklin.

Bier und Wein: Zucker, Kalorien und Produktion

Der zur Gärung benötigte Zucker stammt beim Wein aus dem Ausgangsprodukt, beim Bier muss er als Substrat für die Hefen erst durch Enzyme aus Stärke freigesetzt werden.

Die Stärke wird in einem ersten Schritt in Zucker aufgespalten. Durch Mälzen werden Enzyme im Braugetreide aktiviert, die dann beim Maischen die Stärke in Maltose (Malzzucker) spalten. Beim Zubereiten der Würze wird der Zucker gelöst.

Die abgekühlte Würze wird mit Hefe versetzt und dadurch zum Gären gebracht. Dabei wird die Maltose von der Brauhefe zu Ethanol und Kohlenstoffdioxid abgebaut.

Bei Trauben ist die Qualität (auch des späteren Endproduktes) viel stärker witterungsabhängig als bei Gerste und Malz.

Wein ein wird in Fässern oder Tanks vergoren, Bier unter Druck. Daher bleibt das CO2 im Getränk, das Bier perlt.

Ein Glas Bier von 0,3 Litern bringt es auf knapp 130 Kalorien. 0,2 Liter Weißwein schlagen mit knapp 140 Kalorien zu Buche. Rotweine rangieren bei über 150. tr

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