Bensheim. Eigentlich war fast alles wie immer: Der Vogel der Nacht holte sich vor allem am letzten Tag des Festivals routinemäßig ein nasses Gefieder, glänzte aber ansonsten mit den bekannten Stärken – tolles Programm, engagierte Künstler, motiviertes Team, super Publikum, schön illuminierter Stadtpark.
Und dennoch war natürlich nicht alles wie immer. Zum ersten Mal musste Harry Hegenbarth für die Mutter seiner Festivals Eintritt verlangen, die schräge Wiese bekam einen Zaun verpasst, die Besucherzahl wurde auf 500 begrenzt – Corona lässt grüßen. Das schüttelt man nicht einfach so aus den Federn.
Wer zwischen Mittwoch und Sonntag allerdings einen Abstecher zu Bensheims beliebtestem Federvieh gemacht hat, merkte schnell: Allen Widrigkeiten zum Trotz lässt es sich selbst unter pandemischen Rahmenbedingungen stilecht feiern. Selbst wenn der Finaltag eher an einen grauen Herbstsonntag erinnerte als an das nahende Ende des Hochsommers.
Prognosen trafen nicht ein
Wobei Hegenbarth von den meteorologischen Schwankungen durchaus überrascht war. „Wir hatten katastrophale Prognosen, dann kam bei den Auftritten aber selten was runter, erst danach fing es wieder an – bis auf den Sonntag. Aber so habe ich das auch noch nicht erlebt.“ Sogar an besagtem Sonntag ließen sich die jungen Fans bei ihrem Programm nicht vom strömenden Regen abhalten und füllten gut beschirmt die Wiese. Das Kinder-Woodstock habe seinem Namen alle Ehre gemacht, meinte Hegenbarth.
Er und seine Mannschaft hatten ohnehin alles versucht, um für einen trockenen Ausgleich zu sorgen. Überdimensionale Regenschirme wurden ebenso gereicht wie Ponchos und Liegestühle, wenn die Picknickdecke den Kampf gegen den feuchten Untergrund zu verlieren drohte.
Unabhängig davon äußerte sich der Bensheimer Agenturchef am Montag aber sehr zufrieden. „Wir sind superhappy. Nachdem wir im vergangenen Jahr pausieren mussten, haben wir gemerkt, was uns das Festival bedeutet. Die Eröffnung war ein emotionaler Moment für uns.“ Zumal es ähnliche Rückmeldungen aus dem Publikum gab. Die Leute seien sehr glücklich gewesen, hätten sich bedankt – und die Corona-Einschränkungen ohne Diskussionen akzeptiert und viel Verständnis gehabt.
Die Besucherzahlen seien völlig in Ordnung gewesen, an zwei Abenden war man vor einer möglichen Öffnung der Tageskasse bereits ausverkauft. Dass Eintritt verlangt werden musste, habe finanziell natürlich geholfen. „Es war uns aber vorher klar, dass wir keinen großen Gewinn machen werden“, so Hegenbarth. Die Umsätze bei Essen und Trinken blieben hinter denen aus „normalen“ Jahren zurück, wenn mehr als maximal 500 Gäste in den Stadtpark dürfen. Der 42-Jährige will ohnehin so schnell wie möglich zu seinem alten Konzept ohne Zäune und Tickets zurück. „Das ist unsere Philosophie. Jeder, der möchte und kann, soll vorbeikommen.“
Der Weg zurück in die Normalität, wie immer diese künftig aussehen mag, wird allerdings nicht einfach. Einerseits müssen Sponsoren zurückgewonnen werden, andererseits haben Hegenbarth und seine Mannschaft festgestellt, dass sich in der Corona-Zeit eine gewisse Trägheit manifestiert hat. „Das verspüre ich bei mir selbst auch. Die Leute sind gemütlicher geworden, es fällt vielleicht ein bisschen schwerer, sich aufzuraffen.“
Langzeitfolgen für die Kultur
Dem entgegenzuwirken, erneut die Begeisterung für Kultur und Zusammenkommen zu wecken, das werde eine Kraftanstrengung, vor der nicht nur Showmaker, sondern auch andere Veranstalter stehen. „Die Gesellschaft hat sich verändert, das macht nachdenklich. Diesen Langzeitfolgen für die Kultur müssen wir entgegentreten“, verdeutlicht Harry Hegenbarth im Gespräch mit dieser Zeitung.
Er sei aber guter Dinge, dass man es hinbekomme – vor allem, weil er gerade beim Vogel der Nacht einen „tollen Förderverein“, den stillen Sponsor mit seiner jährlichen finanziellen Hilfe und auch sonst viele Unterstützer auf seiner Seite hat. So gesehen war das diesjährige Festival „eine Investition ins nächste Jahr“ und für viele Künstler die erste Buchung seit eineinhalb Jahren. Ihnen habe man schöne Auftritte verschaffen können. Und im nächsten Jahr? „Ich bin mit Prognosen vorsichtig“, konstatiert Hegenbarth. Die Planungen für 2022 liefen schon für seine Festivalreihe. Aber ob überhaupt und unter welchen Bedingungen gefeiert werden kann, bleibt abzuwarten. So bleibt der Ansatz ein konservativer, daran habe man sich jedoch gewöhnt.
Am Montag war der Bensheimer zuallererst glücklich und begeistert von seinem Vogel der Nacht. „Unser Dank gilt allen, die gekommen sind, uns in den vergangenen schweren Monaten unterstützt haben und dem Förderverein. Nur so können wir solche Festivals stemmen.“
Apropos Anerkennung: Zwei Personen wurden, so ist es Tradition, auf der Bühne noch für besonderes Engagement gewürdigt. Den Musikpreis erhielt Gerd Müller, der sowohl bei Sam’s Living Room und bei Stir it up mitwirkt als auch hinter den Kulissen eine Stütze ist.
Den Ehren-Award kann sich ab sofort Adriana Filippone ins Regel stellen. „Sie hat in den vergangenen eineinhalb Jahren Übermenschliches geleistet und in den vier Jahren, seit sie in der Agentur ist, einen steilen Aufstieg hingelegt“, betonte ihr Chef. Im Team habe man deshalb einhellig entschieden, sie dafür auszuzeichnen.
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