Kellertheater

Satirisches Theatervergnügen im Bensheimer Pipapo

Das von Erich Henrich verfasst Stück „Die Theatermacher“ sorgt für große Begeisterung.

Von 
Eva Bambach
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Erich Henrich feierte mit seinem Stück „Die Theatermacher“ eine gelungene Premiere im Pipapo-Theater. Unser Bild zeigt Isabelle Werner als Witwe des Gastwirts. © Thorsten Gutschalk

Bensheim. Im Januar feierte das Stück im Heppenheimer Marstall einen Erfolg, nun begeistert es – in leicht modifizierter Form - das Bensheimer Publikum. Am Freitagabend hatte „Die Theatermacher“ im ausverkauften Pipapo-Keller Premiere. Schon der Titel signalisiert es: Das von Erich Henrich verfasste Stück hat viel mit Thomas Bernhard zu tun und nicht zuletzt dessen allenthalben auftauchenden schönen Zitate („Morgen Augsburg“) sorgen für großes Theatervergnügen bei allen Bernhard-Fans – aber nicht nur bei diesen.

Die Handlung basiert zunächst auf dem 1984 uraufgeführten Theaterstück „Der Theatermacher“, einer Satire auf das Theatermilieu und Abrechnung mit der österreichischen Gesellschaft. Im Mittelpunkt steht dort der ehemalige Wiener Burgschauspieler Bruscon, der durch die Provinz tourt und im fiktiven Ort Utzbach in einer heruntergekommenen Dorfwirtschaft sein selbst verfasstes Opus „Das Rad der Geschichte“ aufführen möchte.

Die künstlerische Hybris und die Provinzialität bilden in ihrem Aufeinandertreffen ein ideales Setting, das Henrich mit weiterem Wahnwitz fortsetzt und mit Rollen versieht, die er seinen drei Schauspielern auf den Leib geschrieben hat. Da ist die aus dem Mund von Isabelle Werner wunderbar österreichisch klingende Witwe des Gastwirts, der sich kürzlich das Leben genommen hat und vom Strick geschnitten wurde – „Do hat er gelegen, wo sie jetzt sitzen“ – und der dessen Ambitionen, die Dorfwirtschaft zum Theatersaal umzufunktionieren, längst zuwider waren. Monologisierend polemisiert sie – ganz wie bei Thomas Bernhard, nur in umgekehrter Richtung: gegen alle, die sich als Intellektuelle verstehen, und gibt auch gleich ein Beispiel dazu, indem sie aus Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung“ liest.

Bald taucht Alessandro Bruscon auf, ein sich selbst pathetisch überschätzender „Staatsschauspieler“, der vor allem nach Größe giert - ganz gleich, ob es sich nun um „die Griechen“, Karl den Großen, Napoleon oder Goebbels handelt. Ausgiebig hat das Publikum Zeit, dem faszinierenden Spiel von Benedikt Weis als diesem, so sieht es die Wirtin, verrückten, perversen und auch noch staatlich geförderten Angriff auf uns Normale zuzuschauen. Der Irrwitz steigert sich, als der aus dem Thomas-Bernhard-Stück „Die Macht der Gewohnheit“ entsprungene Zirkusdirektor Giuseppe Caribaldi, gespielt von Thomas Kladek, hinzukommt: Seit 22 Jahren hat er Franz Schuberts „Forellenquintett“ eingeübt, mit vier Mitspielern ohne jede musikalische Vorbildung und – rückwärts. Heute soll die Uraufführung sein, die die Musikwelt revolutionieren wird.

Die Ambitionen von Caribaldi und Bruscon kommen sich in die Quere, was im klug ausgedachten Bühnenbild auch am sich immer wieder ändernden Arrangement der Kneipenstühle augenfällig wird, die zur Guillotine ebenso taugen wie zur Orchesterordnung. Zwar stellt sich raus, dass auch die beiden Selbstdarsteller einen – gemeinsamen - doppelten Boden haben, doch spitzt sich die Situation immer weiter zu. Klar ist: Die Gastwirtswitwe muss die beiden unbedingt wieder loswerden. Und so setzt sie dem Ganzen nach deutlich mehr als zwei Stunden resolut ein Ende: „Kein Theater mehr, aus mit dem Scheiß“.

Der darauffolgende Jubel galt natürlich dem Gegenteil: Es war der Dank für eine anhaltend großartige schauspielerische Leistung. Denn das Stück lebt zwar auch von der gut konstruierten Textvorlage und von der einfallsreichen Regie – aber vor allem von Schauspielern, denen man mit Freude zuhört und deren Darstellung dreier jeweils in ganz eigener Weise überzeichneter Charaktere man gern und immer wieder herzlich lachend folgt.

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Erich Henrich kennt seine Leute und weiß, was machbar ist: Er war vor seinem Ruhestand Lehrer am Heppenheimer Starkenburg-Gymnasium und hat dort das „LiZI“-Theater geleitet, wo auch Isabelle Werner, Benedikt Weis und Thomas Kladek mitgespielt haben. Alle haben ihr Abitur längst abgelegt und stehen im Berufsleben, doch setzt Erich Henrich nach wie vor auf ihre schauspielerischen Qualitäten. Im vergangenen Jahr waren Benedikt Weis und Thomas Kladek mit der Komödie vom „Brandner Kaspar“ im Pipapo überzeugend zu erleben. Mit Isabelle Werner gelang Erich Henrich nun eine weitere ideale Besetzung.

Weitere Aufführungen im Pipapo Kellertheater sind am 14., 15., 28. und 29. März geplant, Tickets gibt es bei der Tourist-Information Bensheim oder online beim Pipapo.

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