Bensheim. Sonntag, 9 Uhr, die morgendliche Jogging-Runde ist geschafft, die Kaffeemaschine läuft. Jetzt schnell in die Dusche. Das Schrillen der Haustürklingel stört, ist aber nicht zu überhören. Flott ins Badetuch gewickelt und den Störenfried zur Rede gestellt.
Als die Tür aufgeht, ist es vorbei mit lustig. Vor dem Haus steht ein Polizeibus, drei Beamte haben sich auf der Treppe postiert: "Sie müssen uns nach Karlsruhe auf die Polizeistation begleiten und dort ihren Mann identifizieren." Schock, ungläubiges Entsetzen. Die Beamten beruhigen: "Machen Sie sich keine Gedanken, es geht ihm gut. Aber er ist ohne Papiere aufgegriffen worden, es werden ihm mehrere Straftaten zur Last gelegt."
So weit der Beginn der Geschichte aus der Sicht einer der beteiligten Frauen. Im Polizeibus sitzen vier Leidensgenossinnen, genauso überrascht, geschockt und aus der Fassung gebracht. Was sie gemeinsam haben? Ihre Ehemänner sind einen Tag vorher zu ihrer traditionellen jährlichen Männerfahrt aufgebrochen. Und genau da liegt der Hund begraben.
Die Männergruppe, alles ehemalige Messdiener aus Bensheim, spielt am Samstag (23.) eine Hauptrolle in der Fernsehsendung "Verstehen Sie Spaß?", die um 20.15 Uhr in der ARD gezeigt wird. Seit 36 Jahren ist die gemeinsame Fahrt - immer in wechselnder Besetzung - das "Highlight des Jahres", berichten sie dem Bergsträßer Anzeiger. Am Anfang noch eine Radtour entwickelte sich der Ausflug zu einer Wochenendreise mit wachsendem Radius. Es ging auch schon mal nach Paris, Brügge oder Pilsen.
"Obwohl wir auch kulturelle Aspekte bei unseren Reisen berücksichtigen, müssen wir bei unseren Frauen immer darum kämpfen, dass wir fahren dürfen", erzählt der ehemalige Gruppenleiter der Messdiener-Schar. Ihre besseren Hälften sprechen gerne schon mal von einer "Sauftour", wenn sich die Männer mal wieder reisefertig machen.
Und dann kamen die ewig Unverstandenen auf die glorreiche Idee, ihren Gattinnen mal zu zeigen, "wie das wirklich aussehen könnte und wie brav wir eigentlich immer sind".
Die Idee war geboren, die Bewerbung bei der SWR-Show "Verstehen Sie Spaß?" logische Folge. Unter vielen Einsendern wurde die Idee der Bensheimer Männergruppe ausgewählt. Gemeinsam mit den Fernsehleuten wurde bei einer Vorbesprechung eine Geschichte erfunden - orientiert am Kinofilm "Hangover" (Katerstimmung). Statt einer wilden Nacht im Hotel "Caesars Palace" in Las Vegas wie in der US-Filmkomödie) wurde daraus eine absurde Geschichte, die in einem nicht ganz so noblen Karlsruher Etablissement spielt. Alles lief unter größter Geheimhaltung, die Ehefrauen sollten von ihrem "Glück" nichts erfahren.
Zur Abfahrt treffen sich die Witzbolde - ernstzunehmende Männer, zwischen 47 und 55 Jahren in seriösen Berufen, am Samstag um 9 Uhr beim Bäcker Jakob in der Bensheimer Weststadt. Dann hören die Frauen erst wieder am Sonntag früh von der Truppe. Und zwar im Polizeibus auf der Autobahn: "Da wurde uns dann sehr mulmig. Die Liste ihrer Straftaten reichte von Einbruch, Erregung öffentlichen Ärgernisses bis zu Sachbeschädigung und Vandalismus." Am Hotel angekommen, werden die schlimmsten Befürchtungen übertroffen: Polizei mit Blaulicht, Krankenwagen, demolierte Fernseher, ein schrottreifes, geklautes Auto und ein zum Seil geknüpftes Bettlaken aus dem Hotelfenster - kinoreif inszeniert.
Aber es kommt noch schlimmer: Als sie ihre Männer identifizieren sollen, werden diese als nummerierte Boygroup in einem unsäglichen Zustand vorgeführt: derangiert, gepierct und tätowiert, nicht ansprechbar und "irgendwie weggetreten". In einer Fotoserie zeigen die Kripo-Beamten den Frauen die Ereignisse einer denkwürdigen Nacht: Mit Bardamen werden die Kleider getauscht, im Zoo eine Python und ein Kaiman stibitzt, im Tattoo-Studio lässt sich ein ganz Mutiger "I love Mama" auf die Brust stechen, der Kollege bekommt ein Piercing in die Lippe - und andere Blödheiten.
Zu viel des Guten! Bei der Gegenüberstellung sind sich die Frauen einig: "Die wollen wir nicht mit nach Hause nehmen - so nicht!" Und bei der Auflösung des "Spaßes" entlädt sich dann die ganze Anspannung: Der eine kriegt einen Schwinger mit der Handtasche ab, ein anderer eine Ohrfeige, die sich gewaschen hat. Auch Blumen und Sekt können nicht mehr für gute Stimmung sorgen: "So billig kommen die uns nicht davon", sind sich alle einig.
Was meinen die Frauen im Rückblick? "Ich hatte richtig Angst um meinen Mann und war froh, dass ich ihn heil wiedergekriegt habe", berichtet eine. Ihre Gesamtbilanz fällt zweideutig aus: "Ein großes Abenteuer mit einem möglichen Happy End - je nachdem, was die Männer jetzt springen lassen!"
Und die Männer? "Wir waren alle total stolz auf unsere Frauen. Jede hat anders reagiert, aber über jede würde man sagen: eine tolle Frau", lautet das Fazit des Initiators. Wichtig sei auch die absolute Professionalität der Fernseh-Leute gewesen, die in kritischen Situationen sofort und gut interveniert hätten. Natürlich habe man auch ein ganz klein bisschen ein schlechtes Gewissen gehabt: "Die Frauen hatten wirklich den schwereren Part." Wohl wahr.
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