Bensheim. Wie es schon seit Jahren Tradition ist, gedachte der Auerbacher Synagogenverein auch diesmal dem Jahrestag der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz vor 80 Jahren mit dem Niederlegen von Rosen an den 12 Stolpersteinen in der Bachgasse. Sie waren im Jahr 2011 zum Gedenken an die ermordeten Auerbacher Juden der Familien Hahn, Haas und Israel verlegt worden. Noch stärker als in der Vergangenheit galt der Blick bei dieser Veranstaltung neben der Erinnerung an die Shoah auch der Sorge um die Gegenwart.
Um möglichst vielen Menschen die Teilnahme zu ermöglichen, fand die Veranstaltung schon am Sonntagnachmittag, einen Tag vor dem nationalen Gedenktag statt. Die ehemalige Synagoge war mit etwa 50 Personen gut besucht, wenn auch nicht ganz so voll, wie bei den kulturellen Veranstaltungen des vergangenen Jahres. Möglichweise spielten parallele Termine wie die gegen einen populistischen Wahlkampf gerichtete Kundgebung „Demokratie verteidigen“ in Lorsch dabei eine Rolle.
Aus der Vergangenheit lernen
In Auerbach begrüßte die Vorsitzende Synagogenvereins Ursula Schlosser die Gäste. Sie erinnerte an die Bilder des Grauens, die sich den Befreiern vor 80 Jahren darboten, und zitierte den Befehlshaber der alliierten Streitkräfte Dwight D. Eisenhower, der sich nach dem Besuch des Konzentrationslagers Buchenwald auch als Zeuge sah, „falls sich in der Zukunft jemals die Tendenz entwickeln sollte, diese Anschuldigungen als Propaganda abzutun“. Ursula Schlosser formulierte ihre Scham, nun mitansehen zu müssen, wie mit jüdischen Menschen in Deutschland heute umgegangen werde, aber auch, wie jüdische Geiseln in Gaza von Menschen bedroht würden, die ihre Auslieferung verhindern wollten. Die Leugnung der Gräueltaten des Nationalsozialismus sei inzwischen vielerorts üblich, ebenso wie Gewalt in der Mitte der Gesellschaft. „Wir spüren förmlich, wie nah uns die Geschichte ist. Nah sind die Übergriffe auf Synagogen und Gedenkstätten und der unverblümte Hass gegen jüdische Menschen, aber auch Geflüchtete oder queere Personen und andere Minderheiten“.
Hass und Menschenverachtung seien nicht die Lösung für die Schuldenlast der Kommunen. Mit Blick auf die kommende Wahl formulierte Schlosser ihre Sorge, dass Menschen aller Schichten sich offen autoritären rechten Optionen verschrieben, und erinnerte an die lange Entwicklung, die dem „Dritten Reich“ vorausgegangen sei. „Aus der Vergangenheit müssen wir lernen, sagte die Vorsitzende des Synagogenvereins und rief dazu auf, nicht stumm zu bleiben, „wenn Entmenschlichung in lockere Sprüche gepackt wird“.
Blumen an Stolpersteinen niedergelegt
Im Anschluss erinnerte der Zweite Vorsitzende Michael Löbl an die Schicksale der zwölf in der Shoa ermordeten Auerbacher Juden und Jüdinnen, aber auch an Albert Hahn, dem die Flucht in die USA gelang. Fast alle waren in Auerbach geboren, sie waren Mitglieder der örtlichen Gemeinschaft und blieben als zugewandte Arbeitgeber im Gedächtnis oder als Schüler der Schlossbergschule, wo sie aus dem Kreis ihrer Mitschüler gerissen wurden. Obwohl von ihren Geschichten nur relativ wenige Details bekannt sind, zeugen alle von Angst, Flucht und vergeblichen Hoffnungen, die im Durchgangslager Piaski bei Lublin entsetzlich endeten. Ermordet wurden diese Menschen in Majdanek und Sobibor. Ihre Namen: Arthur und Ida Haas, Benno und Erna Hahn, Arthur, Bella und Renate Israel, Elka, Auguste und Ida Hahn sowie Emmy und Hermann Hahn, der auf den Rat eines Nachbarn auszuwandern, mit Blick auf seine Auszeichnungen im Ersten Weltkrieg gesagt haben soll: „Euer Hitler tut mir nichts“. Viele dieser später Ermordeten waren schon bei den „Säuberungsaktionen“ im März 1933 erstmals festgenommen worden, nur wenige Monate nach der Reichstagswahl vom November 1932, bei der die NSDAP ein Drittel der Stimmen erhalten hatte.
Bevor die Besucher der Veranstaltung gemeinsam die vor der Bachgasse 13, 32, 42 und 53 verlegten Stolpersteine aufsuchten, um dort die Blumen niederzulegen, erläuterte Löbl das Gebet „El male rachamim“, das anlässlich von Stolperstein-Gedenkfeiern gesprochen wird und schon im Mittelalter zum Andenken für die Opfer der Kreuzzüge entstanden ist.
Während der gesamten Veranstaltung stand das Synagogengebäude als ehemalige jüdische Einrichtung unter Polizeischutz.
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