Bensheim. Der 1. März ist nicht mehr weit – und damit der meteorologische Frühlingsanfang. Hundebesitzer in Bensheim verbinden mit dem Datum aber auch ein anderes Ereignis: Die Anleinpflicht während der Brut- und Setzzeit. Bis zum 30. Juni müssen die Vierbeiner in Feld, Forst und Brache (wie es so schön in der entsprechenden Satzung heißt) an einer maximal zehn Meter langen Leine geführt werden.
2018 trat die Regelung in Kraft, die Verwaltung wollte damit nach eigenem Bekunden den zunehmenden Vorfällen begegnen, bei denen Wildtiere in diesem Zeitraum, vor allem Rehe, durch freilaufende Hunde gerissen wurden. Wer sich nicht daran hält, auch das ist nachzulesen, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße von bis zu 100 000 Euro geahndet werden kann, theoretisch zumindest. In der Praxis dürfte diese Summe bisher nicht fällig geworden sein.
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Nachdem die Satzung nun fünf Jahre in Kraft ist, stellt sich aktuell jedoch die Frage, ob nach geltender Rechtsauffassung eine solche generelle Leinenpflicht wie in Bensheim mit dem Tierschutzgesetz vereinbar ist. Ins Rollen gebracht hat ein Bürger das Thema, der sich mit einer entsprechenden Anfrage an die Fraktionen und die Verwaltung gewandt hat. Er verweist darin auf einen älteren Beitrag im Deutschen Tierärzteblatt.
Darin heißt es unter anderem, dass ein genereller Leinenzwang im Stadtgebiet juristisch fragwürdig sei. Es müssten aus Tierschutzgründen immer ausreichend viele und große Freilaufareale für Hunde zur Verfügung gestellt werden, „da sonst eine verhaltensgerechte Unterbringung nach dem Tierschutzgesetz nicht möglich ist“.
In Bensheim braucht man keine höheren mathematischen Kenntnisse, um besagte Freilaufflächen oder Hundewiesen durchzuzählen. Stand jetzt sind bekanntlich keine ausgewiesen. In den vergangenen Jahren gab es zwar immer mal wieder Anläufe. Aber ein Gelände, wo die Vierbeiner ihren Bewegungsdrang ausleben können, hat sich nicht gefunden.
Festplatz am Berliner Ring keine gute Option
Mal war ein Areal südlich der Neuhofstraße zwischen der Reitergemeinschaft und dem Islandpferdehof im Gespräch oder ein Platz an der Westtangente. Sogar der Festplatz am Berliner Ring wurde schon ins Spiel gebracht, aus nachvollziehbaren Gründen wäre der Bereich aber keine gute Option gewesen.
In der jüngeren Vergangenheit ist es zumindest von kommunalpolitischer Seite etwas ruhiger geworden in dieser Angelegenheit. In den Reihen der Hundebesitzer sieht das allerdings anders aus. Zuletzt gründete sich Anfang Februar auf Facebook eine Bürgerinitiative Hundepark Bensheim, darüber hinaus wird in der einen oder anderen Fraktion wieder verstärkt über die Problematik gesprochen.
Ob sich daraus eine Initiative bis hinein in die Stadtverordnetenversammlung samt konkreten Lösungsvorschlägen entwickeln kann, muss abgewartet werden. Weil der 1. März aber wie gesagt nicht mehr fern ist, müsste im Rathaus zeitnah geklärt werden, ob der Leinenzwang unter diesen Bedingungen aufrechterhalten werden kann. Oder ob man die Satzung unter Umständen aussetzen muss.
Rechtsprechung nicht eindeutig
„Wir prüfen die Rechtslage, eine weitergehende Beurteilung ist daher noch nicht möglich“, hieß es Anfang Februar aus der Verwaltung. Drei Wochen später hat sich an der Sachlage nichts geändert, weil man im Rathaus auf eine Rückmeldung vom Hessischen Städte- und Gemeindebund sowie dem Hessischen Städtetag wartet.
Diese hatte man angeschrieben und um Stellungnahme gebeten, „weil nach einer vorläufigen Überprüfung die Verwaltung zur Einschätzung kam, dass die Rechtsprechung nicht mehr eindeutig ist“, erklärte Pressesprecher Asswin Zabel auf Nachfrage.
Weil sich die Spitzenverbände mit ihrer Antwort offenkundig Zeit lassen, herrscht Ende Februar noch immer keine Klarheit. Sollten Anpassungen an der Satzung erforderlich sein, müsste die Verwaltung mit Vorschlägen auf die Stadtverordneten zugehen. Losgelöst von juristischen Details wären frische Ideen für eine Hundewiese schon mal ein guter Anfang.
In den Nachbarstädten ist man teilweise schon einen Schritt weiter. In Lorsch eröffnete im Herbst 2019 eine Hundewiese, die danach – auch wegen Kritik von Frauchen und Herrchen an der Größe – erweitert wurde. In Zwingenberg lehnte der Magistrat im Dezember eine Freilauffläche südlich des Friedhofes ab. In Heppenheim hingegen hält man einen Bereich auf dem ehemaligen Grundstück des Ziegenzuchtvereins am Erbachwiesenweg für geeignet, um Bello und Co. die Gelegenheit zum Toben und gegenseitigem Beschnuppern zu ermöglichen.
Und in Bensheim? Dort sollte schnell abschließend geprüft und entschieden werden, ob die Leinenpflicht in der Brut- und Setzzeit auch ohne Hundewiese Bestand haben kann. Oder ob (was vermutlich wahrscheinlicher ist) dringender Handlungsbedarf besteht.
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