Bensheim. Das Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ verzeichnet bundesweit Erfolg und hat sich mehr als bewährt: Seit 2016 wurden in circa 6900 Kitas durch rund 7500 zusätzliche Fachkräfte mehr als 500 000 Kinder sprachlich gefördert.
Das Problem: Im Bundeshaushalt 2023 sind keine finanziellen Mittel mehr für Sprach-Kitas vorgesehen. Die Bundesregierung begründet ihre Entscheidung damit, dass die „erprobten Strukturen und Ansätze“ des Programms in die Verantwortung der Länder übergehen sollen.
Der Bundestagsabgeordnete Michael Meister (CDU) sprach jetzt mit Kita-Leitungen, Elternbeiräten, der Bensheimer Bürgermeisterin und weiteren Verantwortlichen über das Ende der Finanzierung der Sprachförderung von Kindern.
Bei dem Diskurs in der Kindertagesstätte Berliner Ring ging es darum, welchen Mehrwert das Sprachförderungsprogramm für Kinder, Eltern und Mitarbeiter bietet, und was die potenziellen Verluste für alle Beteiligten wären.
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In Bensheim gibt es derzeit drei Sprach-Kitas: die städtischen Kindertagesstätten Fuldastraße, Kappesgärten und Berliner Ring. Damit sei Bensheim sehr gut aufgestellt, lobte Michael Meister.
Wie wichtig diese Einrichtungen vor Ort sind, erklärte Jasmin Pahlke, Fachkraft für Sprachförderung, indem sie das Sprach-Programm anhand der Kita am Berliner Ring vorstellte. „Schon beim Einzug in unseren Kindergarten gestalten alle Kinder eine Fahne, auf der sie dann Willkommen in ihrer Muttersprache schreiben“, erläuterte Pahlke.
Zusätzlich gäbe es viele weitere Maßnahmen, um Sprache zu fördern. So biete die Kita Berliner Ring beispielsweise einen Elternworkshop zur Mehrsprachigkeit an, der dazu diene, Eltern zu beraten, wenn Kinder mit mehreren Sprachen aufwachsen.
Des Weiteren existiert ein Sprachraum, in dem sich Kinder Bücher ausleihen könnten. Daneben gibt es Thementaschen und Erzähltütchen, um Kindern in einfacher Sprache unterschiedliche Thematiken näherzubringen.
„Ich ziehe meinen Hut vor der Arbeit der Erzieher und der Fachkräfte“, sagte Ralph Gettel, Leiter der Kita Berliner Ring. Denn die Leistungen der Fachkräfte seien enorm komplex, so Gettel. So gehöre zur Arbeit der Sprachförderungskräfte unter anderem die Betreuung und Begleitung der Eltern, die intensive Zusammenarbeit mit den Familien und die Reflexion und Auswertung von Elterngesprächen, erklärte Jasmin Pahlke. Dies sei ein Arbeitsaufwand von 19,5 Stunden, betonte Ralph Gettel. Der Leiter der Kita am Berliner Ring lobte die Arbeit der Sprachförderungskräfte: „Mitarbeiter, die sich auf den Bildungsaspekt konzentrieren, führen zu höherer Qualität in den Kindertagesstätten.“
Finanzielle Mittel fehlen
„Sprache ist der Schlüssel zur Welt“, kommentierte Michael Meister. Deshalb sei die Sprachförderung in den Kitas so bedeutsam. Laut Ralph Gettel dürfe die Sprachförderung in den Kitas kein Projekt darstellen, sondern müsse ein Prozess sein, der auch in den nächsten Jahren noch Bestand hat.
„Perspektivisch wird es in Zukunft mehr Kinder mit Bedarf an Sprachförderung geben“, prognostizierte Michael Meister. Er verwies dabei unter anderem auf die Flüchtlingswelle aus der Ukraine.
Armin Zeißler, Leiter des Eigenbetriebs Kinderbetreuung, bestätigte, dass es städtische Betreuungseinrichtungen gäbe, die teilweise einen Migrationshintergrund von 70 Prozent aufweisen. Ralph Gettel betonte, dass von dem hohen Bildungsmaß an den Kindertagesstätten nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund profitierten, sondern alle anderen ebenso.
Verheerende Folgen befürchtet
Deshalb seien die Folgen der Einstellung des Programms verheerend, so Gettel. Den Fachkräften sei unklar, wie es mit ihnen ohne staatliche Hilfe weitergehe. Zudem fehle ein hohes Maß an Qualität, Methoden und Coachings, so dass auch das praktische Wissen der Fachkräfte verloren ginge.
Als Alternative zur Integration von Sprachförderung in den Kitas diene das 2019 in Kraft getretene „Gute-Kita-Gesetz“, das sich für die Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung in ganz Deutschland und für mehr Qualität in der frühen Bildung einsetzt. Laut Michael Meister sollte dieses Gesetz das Programm der Sprachförderung aufnehmen. Doch durch die Entscheidung der Bundesregierung fehlten die finanziellen Mittel.
„Der Bund sollte die Zahlungsmittel für die Sprachförderung in den Kitas bereitstellen“, bekräftigte Meister. Denn sonst entstünden Bildungsungleichheiten zwischen den Bundesländern, da nicht jedes Land so viel Geld habe wie Hessen. Dies müsse verhindert werden.
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