Vortrag - Meeresbiologin Constanze Conrad referierte auf Einladung der Tauchsportfreunde Bensheim

Sex am Riff - über Wasser tun sie's nicht

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Biologin Dr. Constanze Conrad beschäftigte sich bei ihrem meeresbiologischen Erlebnisseminar bei den Tauchsportfreunden Bensheim mit Sex am Riff.

© Funck

Rodau. Die Tauchsportfreunde Bensheim hatten wieder einmal eingeladen: Zum vierten meeresbiologischen Erlebnisseminar. Uwe Fleischmann begrüßte als Mitglied des Vorstands die Teilnehmer und die Referentin, die seit 13 Jahren in Ägypten lebt. Die Meeresbiologien und Tauchlehrerin Constanze Conrad hatte schon lange darauf gewartet, dass der Verein sich endlich dieses "schönen Themas" annimmt: "Sex am Riff - über Wasser tun sie's nicht, unter Wasser sieht man's nicht", so der schlüpfrige Titel. Rund 90 Mitglieder erlebten gut 120 Minuten - gefüllt mit einer Mischung aus biologischer Fachsprache, Wortwitz und trockenem Humor.

Was ist das überhaupt?

"Sex" - was ist das überhaupt? Bei dieser ersten Frage begann bei den Anwesenden schon das Schmunzeln, Witzeln und Grinsen. Sex, abgeleitet vom Lateinischen "Sexus", das heißt ursprünglich nur Geschlecht. Im Sprachgebrauch steht der Ausdruck für die praktische Ausübung von Sexualität, für sexuelle Handlungen zwischen zwei oder mehreren Partnern. In Form des Geschlechtsverkehrs dient er der Fortpflanzung und Erhaltung der Art.

Die Fittesten überleben

Sexualität dient dem wechselseitigen Reagieren und Agieren bei Menschen und Delfinen. Das gilt etwa nicht für Seeigel. Klar ist, dass es eine geteilte Investition ist: jeder Partner trägt 50 Prozent zur Fortpflanzung bei und so entsteht genetischer Austausch. Die Erbanlagen werden ausgetauscht und vermischt, so dass es zu einer besseren Anpassung an die Umwelt kommt. Nach dem Motto "survival of the fittest" ist es spätestens seit Charles Darwin und seiner Evolutionstheorie offenkundig: Sexuell erzeugte Nachkommen sind doppelt so fit wie asexuell erzeugte.

Die Biologin Conrad unterschied zwischen sexueller oder asexueller Fortpflanzung. Sie sprach kompetent von Knospung, Teilung oder gar von Jungfernzeugung, die bei isoliert lebenden Tieren in der Unterwasserwelt auftritt. Männchen sind hierbei überflüssig, weil die Tiere sich aus unbefruchteten Eizellen entwickeln. Das Problem ist jedoch, dass identische Klone entstehen. Dies ist nach neuesten Erkenntnissen bei Hammerhaien der Fall.

"Fischdisko"

Auf die Balz geht der Korallenbarsch, um sich sexuell zu vermehren. Bis zu 80 Fische leben hier in Gruppen zusammen. Alle Weibchen legen die Eier gleichzeitig ab. Die Barschmännchen bereiten den Nistplatz vor, tanzen einen Meter darüber auf und ab, um die Weibchen anzulocken.

Um die "Fischdisko" zu vollenden, singen sie, besser sie stoßen Brrlaute aus. Die angelockten Weibchen schwimmen mit den Männchen synchron. Schließlich laichen sie ab, die Männchen besamen die Eier. Auch Farbmuster, Düfte und Berührungen, auch Nippeln genannt, spielen bei der Hochzeitsnacht eine große Rolle.

Sonderformen

Garniert mit süffisanten Kommentaren brachte Conrad auch die sexuellen Sonderformen der Meerestiere auf den Punkt: Bei einem Folgezwitter handelt es sich um ein Tier, das eine geschlechtliche Umwandlung durchmacht. Der Riffbarsch ist ein bis zwei Jahre erst Männchen, dann wird er zum Weibchen. Aber es geht auch umgekehrt: Ein Fahnenbarsch-Männchen lebt inmitten eines Harems und begattet täglich die Weibchen. Wenn es stirbt, verwandelt sich das stärkste Weibchen zum Männchen.

Eine Nacktschnecke, wie die spanische Tänzerin, ist ein Synchronzwitter, die gleichzeitig Eier und Spermien produziert. Trotzdem muss sie von einem Partner angeregt werden.

Im Lexikon tierischer Sexualpraktiken findet man auch die einmal jährlich in fluoreszierendem Grün stattfindende Korallenorgie, die von der Wassertemperatur und der Mondphase abhängig ist. Eier und Spermien werden gleichzeitig ins Wasser abgegeben. Dieser "Massensex" hat auch nur einen Zweck: Eine hohe Befruchtungsrate.

Der achtarmige Oktopus hat zwei Begattungsarme, die sich bei der Paarung mit einem Geschlechtspartner aneinander klammern.

Bei den Haien gerät das Liebesspiel bissig und hart: Das Männchen verbeißt sich in die Brustflosse oder den Rücken des Weibchens.

Viel Menschliches bei den Meerestieren

Die beliebten Delfine entpuppten sich in dem spannenden Vortrag der Meeresbiologin Dr. Constanze Conrad aus Ägypten sogar als Vergewaltiger. Sie leben in Geschlechtsgruppen, also die Junggesellen und Weibchen für sich. Die männlichen Delfine entführen einzelne Weibchen oder vergewaltigen die gesamte "Frauengruppe".

Ob Sexprotze, Gruppensex, Nymphomanie, Homosexualität und andere sexuelle Formen - viel Menschliches sich bei den Meerestieren finden. Die Tiefsee-Anglerfische führen etwa poly-monogame Beziehungen. Hier ist das Weibchen neun Mal größer als das Männchen. Wenn sie sich in der dunklen Tiefsee treffen, verbeißt sich das Männchen ins Weibchen und verwächst mit ihm, so dass sich die Blutkreisläufe miteinander verbinden. Das Weibchen ernährt dann das Männchen. Auch mehrere Männchen können mit dem Weibchen "eins" werden.

Fazit des Vortrags: auch Meerestiere sind allzu menschlich. Denn Paarung und Vermehrung, Paarbindung und Brutpflege sind bei den Tieren nicht immer miteinander verknüpft.

Sicher war der Meeresbiologin nach diesem vergnüglichen wie interessanten Vortrag und einigen anschaulichen Fotos viel Applaus.

Constanze Conrad lebt am Tonodoba Bay in Ägypten (Rotes Meer), engagiert sich für den Riffschutz und bietet Tauchkurse an.

Sie arbeitet seit einigen Jahren mit den Bensheimer Tauchfreunde zusammen und hält immer wieder Vorträge.

Der Verein zählt 190 Mitglieder und feiert 2013 feiern sein 25-jähriges Jubiläum. Erster Vorsitzender ist Michael Schneider. pmg

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