Soziales

Neuer Betreiber übernimmt das Seniorenzentrum am Fürstenlager in Bensheim

Nach fast einem Jahrzehnt Insolvenz ist die Zukunft des Seniorenzentrums am Fürstenlager wieder offen. Rückwirkend zum 1. Oktober übernimmt der neue Verwalter Christian Schulze offiziell die Einrichtung.

Von 
Alicia Diry
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Das Seniorenzentrum am Fürstenlager bleibt erhalten. Nach monatelanger Unsicherheit übernimmt ein neuer Betreiber die Einrichtung. © Thomas Neu

Bensheim. Jetzt ist es offiziell: Rückwirkend zum 1. Oktober übernimmt der neue Betreiber Christian Schulze offiziell das Seniorenzentrum am Fürstenlager. Damit bleibt die Einrichtung erhalten. Ein Aufatmen für Bewohnerinnen und Bewohner, Angehörige und Mitarbeiter, die in den vergangenen Monaten um ihre Zukunft bangen mussten. Schulze, der bereits mehrere Pflegeheime in Norddeutschland führt, will den Betrieb schrittweise wieder aufnehmen und das Haus langfristig stabilisieren.

Für die Eigentümergemeinschaft, das Personal und viele Angehörige ist die Übernahme ein Befreiungsschlag. Nach Monaten der Unsicherheit, in denen die Einrichtung bereits vor dem Aus stand, kehrt nun Zuversicht ein. Erste Mitarbeiter sind zurückgekehrt, die Wohnungen im betreuten Wohnen sind nahezu vollständig belegt, und auch im Pflegebereich soll der Regelbetrieb bald wieder anlaufen. Gleichzeitig beginnen die Arbeiten zur Behebung der baulichen Mängel. Doch der Weg dorthin war steinig. Nur wenige Wochen zuvor drohte das Ende für das Seniorenzentrum – nach fast zehn Jahren Insolvenzverfahren, gescheiterten Investorengesprächen und einer beispiellosen Kündigungswelle.

Als plötzlich alles enden sollte

Ende Juli erhielten die Bewohnerinnen und Bewohner des Seniorenzentrums Kündigungen zum 31. Oktober. Bereits Ende September sollten Energie, Wasser, Telekommunikation sowie Pflege- und Betreuungsleistungen eingestellt werden. Auch das gesamte Personal verlor seinen Arbeitsplatz.

Die Betroffenen und ihre Angehörigen reagierten geschockt. Viele waren aufgrund ihres Pflegegrads oder gesundheitlicher Einschränkungen nicht in der Lage, selbst einen Umzug zu organisieren. Ein Angehöriger sprach von einem „unmoralischen Vorgehen“, das ältere Menschen „ins Ungewisse stürzt“.

Hintergrund war die Insolvenz des früheren Trägers, des Evangelischen Vereins für Innere Mission in Hessen, die bereits seit 2015 lief. Das Heim wurde seitdem als sogenannter Massebetrieb weitergeführt und dies mithilfe eines Insolvenzverwalters, der versuchte, den Betrieb an einen Investor zu übergeben.

Die Immobilie gehört einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) mit 34 Parteien. Der Verein hatte die Einrichtung gepachtet und weiterbetrieben. Nach Darstellung des Insolvenzverwalters war die Einrichtung nicht mehr wirtschaftlich tragfähig: nur 33 Pflegeplätze, 15 Einheiten betreutes Wohnen, hohe Energiekosten, steigende Personalkosten und eine Pacht, die als „unverhältnismäßig hoch“ bezeichnet wurde.

Die Eigentümer widersprachen dieser Darstellung entschieden. Sie erklärten, sie hätten alles getan, um den Weiterbetrieb zu sichern. Sie boten sogar an, Verluste zu teilen und die Kündigungen hinauszuschieben. Tatsächlich, so ihre Aussage, habe der Insolvenzverwalter seit Januar 2025 keine Pacht mehr gezahlt. Insgesamt gehe es um rund eine Viertelmillion Euro Rückstände.

Wie bereits im August vom Insolvenzverwalter erläutert, verwies dieser auf Brandschutzprobleme, Legionellengefahr und veraltete Anlagen, die seiner Ansicht nach einen sicheren Weiterbetrieb verhinderten. Die Eigentümer bestritten die Vorwürfe nicht vollständig, betonten jedoch, dass keine Behörde je eine Schließung angeordnet habe. Sie warfen dem Verwalter vor, „mehr verwaltet als gestaltet“ zu haben.

Kreis und Stadt bemühten sich um Vermittlung

Die Stadt Bensheim, allen voran Bürgermeisterin Christine Klein, versuchte früh zu vermitteln. Sie stand in Kontakt mit der Heimaufsicht, dem Insolvenzverwalter und der Heimleitung. Die Stadt habe „keine rechtliche Einflussmöglichkeit“, ließ aber verlauten, man bedauere die Situation der Bewohner sehr und unterstütze die Suche nach neuen Pflegeplätzen. Der Kreis Bergstraße begleitete das Verfahren über das Versorgungsamt Darmstadt. Laut Kreisverwaltung konnten bis Mitte August 17 von 33 Pflegebewohnern in anderen Einrichtungen untergebracht werden.

Im September deutete sich dann die Wende an. Nachdem der Insolvenzverwalter in fast zehn Jahren keinen Nachfolger gefunden hatte, gelang es dem Eigentümerbeirat innerhalb von sechs Wochen, eine Lösung zu erreichen. Nach intensiven Gesprächen übernahm Christian Schulze, ein erfahrener Betreiber mehrerer Pflegeeinrichtungen in Norddeutschland, das Haus. Am 1. Oktober erfolgte die offizielle Übergabe.

Der neue Betreiber plant, das Haus schrittweise wieder vollständig zu öffnen, erzählt ein Eigentümer der Einrichtung. Der Pflegebereich, der zwischenzeitlich leer stand, soll in den kommenden Wochen wieder belegt werden. Das betreute Wohnen sei bereits fast vollständig belegt.

Nach Angaben der Eigentümergemeinschaft erhielten die Bewohnerinnen und Bewohner für die Übergangszeit Mietverträge bis Ende März 2026, damit sie ohne Unterbrechung in ihren Wohnungen bleiben können. Gleichzeitig werde in die Sanierung der Technik und des Brandschutzes investiert. Die Eigentümer stellen dafür rund 400.000 Euro bereit.

Investitionen und Ausbaupläne

Gemeinsam mit den Eigentümern wolle Schulze die Einrichtung modernisieren und erweitern. Geplant sei eine Verdopplung der Pflegeplätze, der Einbau einer Küche, eventuell auch ein Café oder Kiosk für Bewohner und Besucher. Ziel sei es, das Haus langfristig wirtschaftlich stabil und attraktiv für die Region zu machen. Zudem hätten die Eigentümer dem neuen Betreiber den ersten Monat Pacht erlassen, um den Start zu erleichtern. „Wir sind einfach froh, dass das Haus wiederbelebt wird“, heißt es von einem der Eigentümer.

Der Konflikt um das Seniorenzentrum hat Spuren hinterlassen. Monatelang standen Bewohner, Angehörige, Eigentümer und Insolvenzverwalter auf verschiedenen Seiten. Ein Leserbrief brachte die Emotionen vieler Bürger auf den Punkt: „Kümmert euch um die Erhaltung, nicht um die perfekte Durchführung der Schließung.“ Darin wird weiterhin kritisiert, dass die Schließung juristisch sauber, aber menschlich kalt abgewickelt worden sei, ohne Rücksicht auf die hochbetagten Menschen, die ihr Zuhause verlieren sollten. Nach gescheiterten Gesprächen, rechtlichen Auseinandersetzungen und gegenseitigen Schuldzuweisungen gibt es jetzt endlich eine Perspektive, sowohl für Bewohner, Angehörige als auch das Personal.

„Wir haben schwere Monate hinter uns“, betont ein Eigentümer. „Aber jetzt beginnt eine neue Phase mit Zuversicht, klaren Strukturen und dem Willen, das Haus wieder zu einem Ort zu machen, an dem Menschen alt werden können, ohne Angst um ihr Zuhause.“ Nach einem Jahrzehnt Insolvenz kann das Seniorenzentrum am Fürstenlager nun auf einen Neubeginn hoffen.

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