Bensheim. Einen besseren Experten für eine Führung durch den Speyerer Dom hätte die Gruppe aus Bensheim nicht finden können: Christoph Maria Kohl ist Domdekan und in dieser Funktion verantwortlich für die Gottesdienste, für Kirchenmusik, Konzerte und Veranstaltungen.
Seit 2019 ist er außerdem Domkustos und somit „höchster Hüter“ dieser Kirche. Mit diesem Amt ist die Verantwortung für die Finanzen des Domkapitels, der Erhalt des Bauwerks, für die Sakristei und die touristische Erschließung verbunden.
Den Kontakt hatte der Bensheimer Hans-Peter Kohl hergestellt, der frühere Pastoralreferent in der katholischen Pfarrei Sankt Laurentius. Beide sind nicht verwandt, aber sie waren Kommilitonen während des Theologiestudiums in Mainz.
Die persönlichen Beziehungen nach Speyer hatte Hans-Peter Kohl genutzt, um seinen Freundeskreis aus dem ökumenischen Männerstammtisch Einblicke in die Architektur und das Bauwerk zu vermitteln, die normalerweise kaum möglich sind. Die katholischen und evangelischen Männer verrichten Hilfsdienste in den beiden Weststadtgemeinden Sankt Laurentius und Stephanus.
Der Domdekan begann seine Führung an der Nordwand der Kathedrale, um den 25 Teilnehmern deren Dimensionen vor Augen zu führen. 75 Meter hohe Türme und die Länge von 134 Metern sind nur zwei der Superlative. Seit der teilweisen Zerstörung der Abtei Cluny in Burgund in der Französischen Revolution ist der Speyerer Dom die größte romanische Kirche der der Welt. Seit 1981 steht er auf der Unesco-Liste als Kulturerbe der Menschheit.
Mit dem Bau auf einer Anhöhe über dem Rhein wurde 1030 begonnen. Der salische Kaiser Konrad II. wollte damit Gott für die Wahl danken und gleichzeitig seine geistliche und weltliche Macht demonstrieren. Die Vollendung des Bauwerks erlebte er nicht, denn Konrad II. starb 1039. Er sowie seine Nachfolger sind in der Krypta des Doms begraben. Dort erfuhren die Gäste, dass nicht nur die Salier, sondern auch Staufer und Habsburger den Dom als Grablege gewählt haben.
In der Vorhalle des Doms erklärte Kohl die Symbolik der Skulpturen. So wurde verständlich, warum der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl (1930 bis 2017) seine Staatsgäste mit Vorliebe nach Speyer und in diese Kirche führte. Weil der Dom gebaut wurde, als die Christenheit noch nicht in römisch-katholisch und orthodox unterschieden war, sah der Kanzler in der Kathedrale ein Symbol für die Einheit Europas.
Mit den Informationen, die der Domdekan bei den Betrachtungen von außen vermittelt hatte, entfaltete der schnörkellose Innenraum mit dem 34 Meter hohen Mittelschiff seine Wirkung auf die Stimmung der Besucher aus Bensheim. Das Zusammenspiel von Licht und Schatten mit der Ausrichtung nach Osten, zum Sonnenaufgang, gibt „Orientierung“ im geografischen und christlichen Sinn.
Höhepunkt der Domführung war ein Aufstieg zur Orgel. Auf 100 Stufen einer Wendeltreppe erreichte die Gruppe das hochmoderne Instrument, das 40 Tonnen wiegt. Dort griff Christoph Kohl selbst in die Tasten, um seinen Gästen die Klangfülle und die technischen Möglichkeiten zu demonstrieren.
Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann weihte das Instrument 2011 nach zehn Jahren Planungs- und Bauzeit. Zu der Feier waren Gäste aus ganz Deutschland angereist, darunter Altkanzler Kohl, Mitglieder der Familie Quandt, die mit einer Spende von drei Millionen Mark (1,8 Millionen Euro) den Bau ermöglicht hatte, sowie die Orgelbauer der Werkstatt Seifert.
Die überdimensionale Schale, die vor der Kirche steht, fasst 1800 Liter. Diesen „Domnapf“ füllen die Pfälzer Winzer bei besonderen Anlässen mit Wein. Einen solchen Anlass bietet spätestens das Jubiläum „1000 Jahre Kaiserdom“, das 2030 gefeiert wird.
Die Gäste aus Bensheim konnten also nicht aus dem Domnapf trinken, doch sie kehrten in das gleichnamige Lokal ein. Hans-Peter Kohl dankte dem Domdekan.
Der habe für die Mitglieder des ökumenischen Männerstammtischs in Bensheim und deren Partner nicht nur an der Orgel, sondern auch im übertragenen Sinn alle Register gezogen. red
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-seltene-einblicke-in-den-speyerer-dom-_arid,2122372.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim.html