Bensheim. Kilian Riedhof, aus Bensheim stammender Regisseur, hat mit "Sein letztes Rennen" seinen ersten Kinofilm gedreht. Die Geschichte: Der gealterte Marathon-Champion Paul (Dieter Hallervorden) muss mit seiner Frau ins Heim. Um trotz der Zustände dort seinen Lebensmut zu behaupten, zieht er noch einmal seine Laufschuhe an und beginnt, für den Berlin-Marathon zu trainieren.
Wir sprachen mit Kilian Riedhof, der 2011 für seinen Fernsehfilm "Homevideo" den Deutschen Fernsehpreis erhielt, über seinen Kinofilm, Darsteller und Dreharbeiten.
Herr Riedhof, "Sein letztes Rennen" macht Mut, nimmt dem Alter das Schreckgespenst vom dementen Dämmerzustand im Pflegeheim. Warum dieses Thema für Ihren ersten Kinofilm?
Kilian Riedhof: Der Film erzählt die Geschichte eines alten Helden, der aus der Verlassenheit eines Altersheims in die Mitte der Welt zurückläuft. Es geht in der Geschichte darum, wie man den Kopf oben behält und die eigene Würde bewahrt, auch wenn man immer wieder schmerzhafte Tiefschläge einstecken muss. Solche Erfahrungen macht jeder von uns - nicht nur im Alter. Ich selbst habe nach dem Ende der Filmschule drei Jahre auf den ersten Job warten müssen. Da braucht es Willen und Durchhaltevermögen, um innerlich zu überleben. In dieser Zeit ist schließlich auch die erste Idee zu "Sein letztes Rennen" entstanden.
Sie arbeiten gerne mit starken Typen zusammen - Diether Pfaff als Bloch, Jan-Josef Liefers als Professor Börne. Warum mit Dieter Hallervorden ein Schauspieler aus dem eher komischen Fach für die Hauptrolle?
Riedhof: Die Idee, Dieter Hallervorden anzusprechen, kam mir vor sieben Jahren. Ich suchte für die Rolle unserer Hauptfigur Paul Averhoff einen Schauspieler, der sowohl Dramatik als auch Komik beherrscht. Dieter vereint dies auf perfekte Weise. Mir war schon nach dem ersten Treffen klar, dass in ihm mehr steckt als der "Didi" der 70er Jahre. Hallervorden hat viele sehr berührende, ernste und melancholische Momente in unserem Film. Er bringt die Menschen zum Lachen, aber auch zum Weinen. Außerdem ging es ja darum, die Geschichte einer Sportler-Legende zu erzählen. Wer wäre dafür besser geeignet als die tatsächliche Legende Dieter Hallervorden?
Wie war die Zusammenarbeit mit dem prominent besetzten Ensemble (Katrin Sass, Heike Makatsch, Frederick Lau)?
Riedhof: Toll! Es ist immer ein Geschenk, mit herausragenden Schauspielern zu arbeiten. Heike, Katrin und Frederick sind Stars, waren sich aber nicht zu schade für größere Nebenrollen, weil sie das Drehbuch sehr mochten. Es war wichtig, Dieter Hallervorden mit diesem hochkarätigen Ensemble zu umgeben, weil ein Schauspieler immer nur so gut sein kann, wie es die Mitspieler zulassen. Vergessen wir also nicht Katharina Lorenz vom Wiener Burgtheater, die wunderbaren Mimen Annekathrin Bürger und Otto Mellies und natürlich Tatja Seibt, die Pauls Ehefrau so warm und herzergreifend spielt, dass man glaubt, die beiden seien tatsächlich seit 60 Jahren ein Paar.
Was macht den Unterschied zu einer Produktion fürs Fernsehen aus?
Riedhof: Weniger, als man vielleicht denkt. Ich gehe Filme immer mit hoher Intensität an - egal, ob fürs Kino oder fürs Fernsehen, denn der Zeitdruck ist beim Kinofilm fast genauso groß. Was beides voneinander unterscheidet, ist der erzählerische Rahmen. Fernsehen verlangt nach 88,5 Minuten, weil danach das Heute-Journal kommt. Beim Kino kann ich der Geschichte die Länge geben, die sie braucht. Ich kann Momente groß machen, "bigger than life". Das war für "Sein letztes Rennen" enorm wichtig, denn wir erzählen ja eine Heldengeschichte.
Sie haben die Laufszenen während des Berlin-Marathons im vergangenen Jahr gedreht. Eine Herausforderung für das gesamte Team?
Riedhof: Wir erzählen die Geschichte eines einst berühmten Marathonläufers, der es noch einmal wissen will. Wo anders sollte das große Finale stattfinden als bei Deutschlands größtem Marathon? 40 000 Menschen auf der Strecke und mittendrin Dieter Hallervorden - das sind schon fantastische Bilder. Meine Kamerafrau Judith Kaufmann hatte Freudentränen in den Augen. Logistisch war der Drehtag allerdings eine große Herausforderung, da wir an mehreren Orten drehten und besonders schnell sein mussten. Außerdem durften die anderen Läufer Dieter nicht erkennen. Aber dank Bart und Stirnband blieb er unentdeckt.
Wie haben Sie die Filmpremiere in Berlin erlebt? Welche Rückmeldungen haben Sie nach einer Woche Laufzeit in den Kinos?
Riedhof: Die Reaktionen sind überwältigend. Nicht nur während der Premiere, sondern auch auf unserer Kinotour durch zehn Städte in Deutschland. Die Zuschauer reagieren sehr bewegt auf unseren Film. Es gab Standing Ovations für Hallervorden. Das Publikum war überrascht und ergriffen, ihn in einer derart berührenden Rolle zu entdecken.
Welche Zukunftspläne sind in der Schublade?
Riedhof: Mein nächster Film wird eine Komödie und heißt "Familienurlaub!". Eine deutsche Familie versucht, in Frankreich locker Urlaub zu machen - doch das geht gründlich in die Hose, denn nebenan wohnt die französische Sünde auf zwei Beinen. Dieser Film wird ganz anders als "Sein letztes Rennen". Das ist wichtig für mich, um "frisch" zu bleiben.
Verfolgen Sie das aktuelle Geschehen in der "alten" Heimat? Haben Sie noch Verbindungen zur lokalen Kulturszene an der Bergstraße?
Riedhof: Wann immer ich zu Besuch bei meiner Familie bin, werfe ich einen tiefen Blick in den Bergsträßer Anzeiger und freue mich, wie viel in unserer Stadt kulturell passiert. Besonders froh bin ich, dass Bensheim seit einigen Jahren mit dem Luxor wieder ein Kino von sehr guter Qualität hat.
Laufen Sie?
Riedhof: Nein, ich war schon zu Schulzeiten froh, wenn ich das hinter mir hatte. Aber ich liebe das Bergsteigen. Und da es auch hier um Ausdauer und Durchhalten geht, habe ich großen Respekt für jeden, der einen Marathon schafft.
Kilian Riedhof: Abitur am AKG, Studium in Hamburg
Kilian Riedhof wurde 1971 in Seeheim-Jugenheim geboren und ist in Bensheim aufgewachsen.
Sein Abitur machte er 1990 am Alten Kurfürstlichen Gymnasium. Seine Familie lebt in Bensheim.
Seinen ersten Film drehte Riedhof bereits mit 15 Jahren - mit einer unhandlichen VHS-Kamera. Die Darsteller suchte sich der AKG-Schüler damals unter seinen Klassenkameraden.
Nach dem Abitur ging Riedhof nach Hamburg zum Filmstudium, das er 1996 abschloss. Es folgte eine dreijährige Durststrecke, bevor die ersten Aufträge eintrafen.
Sein erster Erfolg war das Familiendrama "Riekes Liebe", für das Riedhof 2002 den Förderpreis des Deutschen Fernsehpreises erhielt.
2008 ein weiterer Meilenstein: Für den Tatort "Wolfsstunde" mit dem kongenialen Ermittlerduo Jan-Josef Liefers und Axel Prahl schrieb er das Drehbuch. Die Folge erreichte eine Rekord-Einschaltquote. 2011 bekam Riedhof den Deutschen Fernsehpreis für seinen Film "Homevideo".
Kilian Riedhof lebt seit mehr als 20 Jahren in Hamburg. ank
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