Bensheimer Musiktage

Sakrale Raritäten voller Finesse

Kammerchor Cantemus und Vokalensemble Prophet in Sankt Georg

Von 
Klaus Ross
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Der Bensheimer Kammerchor Cantemus trat beim vierten Konzert der Musiktage gemeinsam mit dem Offenbacher Vokalensemble Prophet in der Stadtkirche Sankt Georg auf. © Thomas Zelinger

Bensheim. Liebhaber außergewöhnlichen Chorrepertoires kamen beim vom Kammerchor Cantemus Bensheim und Offenbacher Vokalensemble Prophet unter Christoph Siebert gestalteten vierten Konzert der Bensheimer Musiktage ganz besonders auf ihre Kosten.

In der gut zur Hälfte besetzten Stadtkirche Sankt Georg erklangen mit der Messe des Schweizers Frank Martin (1890-1974) und dem Requiem des Italieners Ildebrando Pizzetti (1880-1968) gleich zwei selten zu hörende A-cappella-Meisterwerke der klassischen Moderne.

Originell erschienen auch die zwei Programmergänzungen: Giacomo Puccinis nur von Viola und Orgel begleitetes Miniatur-Requiem sowie Camille Saint-Saens’ spätes Duo-Juwel „Prière“ opus 158, bei dem ebenfalls Dmitry Hahalin (Bratscher des renommierten Frankfurter Eliot-Quartetts) und Gregor Knop an den Instrumenten zu erleben waren.

Vor 60 Jahren uraufgeführt

Martins zwar 1926 vollendete, aber erst 1963 uraufgeführte Messe hatten Cantemus und Prophet bereits bei den Bensheimer Musiktagen 2013 dargeboten. Das 60-jährige Premierenjubiläum lieferte jetzt den idealen Anlass zu einer konzertanten Neuauflage, die den subtilen Anforderungen dieses meisterhaft an ältere Vokalpolyphonie anknüpfenden Stückes erneut mustergültig gerecht wurde.

Sieberts makellos harmonierende Choristen machten schon in den wunderbar organisch fließenden Eingangssätzen „Kyrie“ und „Gloria“ unmissverständlich klar, dass Martins einzige große A-cappella-Komposition ihnen eine echte Herzensangelegenheit ist.

Nach kaum leuchtkräftiger vorstellbaren Klangkulminationen im „Credo“ („Et resurrexit“) und „Sanctus“ („Hosanna“) fand der rund 60-köpfige Doppelchor dann im abschließenden „Agnus Dei“ zu einer tief berührenden Innigkeit, die vor allem an dynamischem Feinschliff kaum zu übertreffen schien. Sieberts ebenso passionierte wie nuancierte Martin-Deutung hatte wahrlich Referenzcharakter.

Eine herausragende Entdeckung bescherte das Ensemble den Besuchern mit dem 1922/23 entstandenen Requiem des aus Parma stammenden Vokalmusik-Spezialisten Ildebrando Pizzetti, der seinen einzigen Beitrag zum sakralen A-cappella-Genre auch als Gedenkstück für seine kurz zuvor verstorbene Ehefrau verstanden wissen wollte. Gregorianik- und Renaissance-Einflüsse sind ähnlich stilbildend wie in Martins Messe, während spätromantische und impressionistische Färbungen noch ausgeprägter anmuten als beim Schweizer Kollegen.

Sieberts superb intonationssichere Truppe machte diese höchst aparte Mischung so sinnlich und plastisch erfahrbar, wie man es sich selbst in den dichtesten polyphonen Steigerungspassagen etwa des besonders suggestiven „Dies irae“-Satzes oder des kontrastreich beredten „Libera me“-Finales nur wünschen konnte. Pizzettis klassizistisch-noble Leidenschaft wirkte auch im weiträumig strömenden „Introitus“, im raffiniert gesteigerten „Sanctus“ oder im vergleichsweise knappen und schlichten „Agnus Dei“ perfekt getroffen. Dieses bemerkenswert elegant gearbeitete A-cappella-Requiem entpuppte sich so als veritables Gipfelwerk der Gattung.

Als Hommage zum vierten Todestag Verdis schrieb Puccini 1905 sein nur gut fünfminütiges Requiem, dessen von Viola und Orgel ausgeschmückter Chor-Lyrismus den Abend stimmungsvoll eingeleitet hatte. Dmitry Hahalins berückend sanglich-sonores Bratschenspiel und Gregor Knops anschmiegsame Orgelbegleitung passten auch im 1919 komponierten, zwischen Martin und Pizzetti eingeschobenen „Gebet“ aus der Feder des damaligen Mittachtzigers Saint-Saens optimal zusammen. Dem großen Schlussbeifall antworteten Christoph Siebert und sein Ensemble mit einer schön abrundenden Puccini-Reprise als Zugabe.

Freier Autor Besprechung klassischer Konzertveranstaltungen seit über drei Jahrzehnten (darunter als Schwerpunkte das umfangreiche regionale Kirchenmusikangebot sowie die renommierten Kammermusikreihen der Kunstfreunde Bensheim und von Forum Kultur Heppenheim)

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