Rübezahl, Kopffüßlerin und Storchennest

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Station 1

Los geht es im Stadtpark von Bensheim, wo unübersehbar der Rübezahl emporragt. Die in den 90er Jahren aufgestellte bronzene Skulptur der erzgebirgischen Sagenfigur ist allerdings ein "Nachgemachter". Der ursprüngliche Rübezahl - der an die Partnerschaft zwischen Bensheim und Hostinné/Arnau erinnert - war aus Holz und damit anfälliger für Vandalismus und Wettereinflüsse. Das sorgfältig restaurierte Original hat seinen Platz im Museum der Stadt gefunden.

Mit eines der jüngsten Kunstobjekte ist die bronzene "Kopffüßlerin" des Bensheimer Künstlers Wolfgang Völker, die im Jahr 2000 im Stadtpark aufgestellt wurde.

An eine Steinskulptur im oberen Teil des Stadtparks dürfte sich so mancher Bensheimer mit Sicherheit noch erinnern: Die Liebenden Amor und Psyche hatten ihren Platz bis vor rund zehn Jahren unter dem Dach des kleinen Pavillons. Die Steinskulptur war allerdings im Laufe der Jahre derart restaurierungsbedürftig geworden, dass sie mittlerweile im Lapidarium ihre letzte Ruhestätte gefunden hat.

Station 2

Weiter geht es am Parktheater vorbei zum Beauner Platz. Die bunten Pflanzkübel am Hoffart-Gelände - Kunst? Künstlerische Absicht steckte in jedem Fall dahinter, wie Gerd Lindauer erklärt. Das Farbkonzept für die an sich tristen Betonbottiche stammt von Bensheims bekanntem Maler und Grafiker Siegfried Speckhardt. Was das Kernstück des Beauner Platzes - die Brunnenskulptur der "Helfenden Hände" - betrifft, gehen die Meinungen der Bensheimer auseinander, wie Stadtarchivar Berg weiß. Lob und Kritik gab es bereits bei der Installation in den 80er Jahren. Die Vogel-Skulptur aus dem Atelier des Bildhauers László Szabó fehlt seit zwei Jahren im Bild des Theatervorplatzes. Grund: mangelnde Standsicherheit.

Weiter geht es durch die Dalbergergasse auf die Hauptstraße. Hier steht ein Zeitzeuge, den wohl kaum noch jemand bewusst wahrnimmt. Der Nibelungenbrunnen an der Ecke zur Obergasse stellt Szenen aus dem Nibelungenlied dar und wurde im Jahr 1972 zusammen mit der Fußgängerzone eingeweiht. Im Wasserbecken lagen zu Anfang außerdem - stilecht - Rheinkiesel. Aus hygienischen Gründen seien diese aber schließlich entfernt worden.

Station 3

Kunstwerke erinnern in Bensheim auch an die Opfer des nationalsozialistischen Regimes. Vor der Anne-Frank-Halle am Bendheimplatz zeigt ein eisernes Mahnmal in Schaukasten-Optik die Bensheimer Synagoge - vor ihrer Zerstörung in der Pogromnacht und als ausgebrannte Ruine. Bewusst gestaltet sei auch das Umfeld des Mahnmals mit Schotter statt akkurater Pflasterung, wie Gerd Lindauer erklärt. Eine traurige Ausnahme bildet das Mahnmal in Sachen Vandalismus: Klar erkennbar zeugen Sprünge im dicken Glas vor den Fotografien von Zerstörungswut.

Station 4

Zurück in der Altstadt ragt der Stolperstein als Messing-Spitze vor dem Bürgerbüro aus der Pflasterung. Das im Jahr 1995 installierte Werk von Reiner Negrelli stellt die Spitze eines Hakenkreuzes da und mahnt auch Jahrzehnte nach dem Ende der Naziherrschaft zu Wachsamkeit. Die künstlerische Idee kam an dieser Stelle allerdings mit der nötigen Sicherheit für Passanten in Konflikt: "Eigentlich sollte die Pflasterung rund um den Stolperstein aufgebrochen sein", sagt Manfred Berg. Die Stadt musste glätten - aus rein praktischen Gründen.

Station 5

Eher unauffällig kommen mehrere Wandverzierungen daher, die beim Rundgang durch die Altstadt zu entdecken sind. Am Ende der Hauptstraße ziert ein Storchenrelief aus Metall seit den 90er Jahren die Mauer eines Wohnhauses. "Hier stand früher eine Brauerei, auf deren Schornstein Störche nisteten. Der Name ,Am Storchennest' hat sich gehalten", erklärt Martin Berg. Ein Stück weiter, in der Haasengasse haben Anwohner einen ortstypischen Wandputz erhalten: "Es häwwe mol in dem Ge'fert sich Haose friehe als ve'errt. Zwaa lääbt kaons mai vunn derre Rass doch nennt me's haid noch - Haosegass", lauten die Zeilen, die der Zeller Willi Schmidt dort verewigt hat. Wer sich die Zeit nimmt, den Spruch zu lesen, wird mit einem Souvenir belohnt: Eine ältere Dame im Haus gegenüber hat sich die Mühe gemacht, den Vers auf Zettel zu drucken und gibt diese den Besuchern mit auf den Weg.

Station 6

Modernes ist in den Bensheimer Straßen auch zu bewundern. Graffiti, die der jeweilige Künstler mit Auftrag gesprayt hat, finden sich gleich an mehreren Stellen: an der Mauer der Bäckerei Hechler nahe des Kaufhauses Ganz, an einem Stromkasten in der Grieselstraße und in der Bahnhofs-Unterführung. Graffiti als Fassadenschmuck sind kein Problem - wenn außerhalb des ensemblegeschützten Altstadtsanierungsgebiets gesprüht wird.

Kunst-Gucken im Vorbeigehen

Stefanie Hanus

Bensheim. Wer auf den Spuren der Kunst wandelt, muss in der Bensheimer Altstadt zum Teil gut hinschauen. Viele Objekte passiert so mancher sicher etliche Male am Tag, ohne sie so richtig wahrzunehmen.

Zahlreiche Skulpturen, Installationen oder Wandgemälde gibt es beim Spaziergang durch die Stadt zu entdecken. Was es mit den einzelnen Kunstwerken auf sich hat, haben Diplom-Archivar Manfred Berg und Gerd Lindauer, Teamleiter Stadtplanung der Stadt Bensheim, beim Altstadtrundgang mit dem BA verraten.

Die gute Nachricht vorweg: Bensheims Kunstobjekte sind im öffentlichen Raum relativ gut aufgehoben. "Mit Vandalismus hatten wir in der Vergangenheit keine größeren Probleme", erzählt Stadtarchivar Berg. Was an Objekten derzeit unter freiem Himmel zu sehen ist, steht bereits seit längerer Zeit - Neuanschaffungen gab es in den vergangenen Jahren kaum. Ein spezielles Budget für Kunst ist im Stadtetat nicht eingeplant, Anschaffungen werden aus Mitteln des Immobilien-Managements für Platzgestaltung finanziert. Will das Museum der Stadt ein neues Objekt erwerben - wie zuletzt Arbeiten des Malers Leo Grewenig - läuft dies über den städtischen Haushalt.

Eine Bestandsaufnahme über Freiluft-Kunst in der Altstadt sowie mittlerweile verschwundene Objekte ist bislang nur angedacht. Der BA stellt eine Auswahl vor.

Rübezahl...; Schlosspark...

Schlosspark und Museum

Ein beliebter Ausflugsort für Kunstfreunde ist auch der Schönberger Schlosspark mit seiner Skulpturensammlung. Der Park ist Privatbesitz, aber öffentlich zugänglich - findet sich für das derzeit zum Verkauf stehende Areal ein neuer Besitzer, könnte sich das allerdings ändern.

Für Regentage bietet sich eine Stippvisite ins Museum an: Dort sind etliche Arbeiten des Malers Leo Grewenig zu bewundern. han

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