Konzert

Rasanter Ritt durch die Welt der Gitarrenmusik

„The Transatlantic Guitar Trio“ fliegt im Bensheimer Parktheater in neue klangliche Sphären.

Von 
Marvin Zubrod
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Im Parktheater begeisterte das „Transatlantic Guitar Trio“ bei seinem Konzert das Publikum mit irrwitziger Geschwindigkeit und grandiosen Fingerfertigkeit. © Thomas Neu

Bensheim. Leichtfüßig lässt Rory Hoffman seine Finger über den Gitarrenhals wandern, während das Musikinstrument in waagerechter Position auf seinem Schoß liegt. Die unkonventionelle Spielweise führt aber nicht dazu, dass der Sound darunter leidet. Hoffman ist Multiinstrumentalist und spielt insgesamt mehr als ein Dutzend Tasten-, Holzblas- und Saiteninstrumente.

Wenngleich der in Nashville lebende blinde Künstler das Publikum im Parktheater auch allein unterhalten könnte, bekommt er dieses Mal Unterstützung von zwei weiteren famosen Gitarristen: dem gebürtigen Engländer Richard Smith sowie dem Deutschen Joscho Stephan. Oder wie Smith seinen Kollegen mit Blick auf dessen Heimatstadt nennt: dem „Prinzen von Mönchengladbach“.

Man muss wohl wirklich für Höheres bestimmt sein, um das zu liefern, was das „Transatlantic Guitar Trio“ am Montagabend in dem rund zweieinhalb Stunden langen Konzert gezeigt hat. Mit einer irrwitzigen Geschwindigkeit und einer unfassbaren Fingerfertigkeit präsentieren die drei Ausnahmekünstler eines der besten Gitarrenkonzerte an der Bergstraße seit Langem. Veranstalterin Margit Gehrisch hat mal wieder Virtuosen nach Bensheim gelockt und dem Publikum im gut besuchten Parktheater damit einen wundervollen Abend beschert. Fast in jedem Lied gibt es Szenenapplaus für das kreative Können der drei.

Da ist zum Beispiel der Song „Quarter to Five“, den Hoffman im schier verrückten Fünfzehnachteltakt komponiert hat. Doch nicht nur der Rhythmus erscheint irrwitzig. Hoffman braucht bisweilen nicht mal ein Instrument, um das Lied zu spielen. Es reichen zwei Finger, die er an den Mund legt, um dann einige Sekunden in einer charmanten Musikalität fröhlich zu pfeifen. Wie das genau funktioniert? „Das verraten wir beim nächsten Mal“, sagt sein Bandkollege Stephan mit einem Augenzwinkern zum Publikum. Das ist an diesem Montag erstaunlich fachkundig. In der Konzertpause wird zum Beispiel über die magischen Finger der Musiker diskutiert, die von den rasanten Tempi glühen müssen, wie manch ein Beobachter meint.

Faszinierend ist aber nicht nur die schnelle Tonfolge, sondern auch die Art und Weise, wie die Musiker spielen: leichtfüßig. Nahezu grenzenlos fegen sie mit dem Publikum durch die Welt der Gitarrenmusik. Der besagte Song „Quarter to Five“ klingt zum Beispiel ein wenig nach Flamencomusik und bringt andalusisches Flair ins Parktheater. Etwas ausgelassener, gar flapsiger, mutet „Hear it, learn it, play it“ an. Hierzu bläst Multiinstrumentalist Hoffman ins Xaphoon, ein längliches Blasinstrument aus Hawaii, das wie eine Flöte aussieht, aber eher wie ein Saxophon klingt, nur ein wenig verspielter. Das zeichnet das Trio an diesem Abend aus: Sie musizieren nicht nur, sondern sie spielen mit der Musik, testen Grenzen aus, die es für sie nicht zu geben scheint.

Zu „Caravan“ von Duke Ellington wirkt es, als lieferten sich Stephan und Smith ein Wettrennen. Immer schneller werden die beiden, je länger der Song dauert, während die Hände an den Gitarren von der hohen Geschwindigkeit zu vibrieren scheinen. Mit ihrem rasanten Spiel schießen die beiden gar in neue musikalische Sphären, das Publikum wirkt bisweilen verdutzt von diesem Auftritt.

Langsamer ist hingegen „Santa Barbara“, das Stephan vor Ort in Kalifornien komponiert hat – und woran er nun wieder erinnert wird. „Santa Barbara ist eigentlich wie Bensheim, nur mit mehr Wasser“, sagt er in seiner gewohnt charmanten Art. Der Humor kommt bei den Zuschauern gut an. Ein Lächeln ins Gesicht zaubern die drei auch, als sie Passagen von Henry Mancinis „Pink Panther“ einbauen, bekannt aus den Filmen der gleichnamigen Kriminalkomödie.

Weniger ausgelassen, dafür gefühlvoller, ist „Transatlantic Bolero“. Hier lässt Hoffman wieder seine Finger den Gitarrenhals entlang wandern, während das Publikum sanft zu den lateinamerikanischen Klängen wippt. Dass der US-Amerikaner seine Gitarre immer auf dem Schoß liegen hat, liegt daran, dass er bereits im Alter von etwa drei Jahren mit dem Spielen begonnen hat. Weil er damals die Gitarre noch nicht voll umgreifen konnte, legte er sie auf seinen Schoß. Heute gibt es hingegen kaum etwas, das Hoffman nicht beherrscht.

Was sich auch über das Trio im Allgemeinen sagen lässt. Das ist zum einen auf das herausragende Talent der drei Künstler zurückzuführen. Der „Prinz von Mönchengladbach“, Joscho Stephan, gehört zu den besten Gitarristen des Gypsy-Jazz, eines europäisch geprägten Jazzstil. Sein Bandkollege Richard Smith gilt zudem als einer der Vorreiter auf dem Gebiet des Fingerstyle, einer Technik, bei der die Saiten nur gezupft werden. Grandios ist zum Beispiel sein Solo zu „When I‘m Sixty Four“ von den Beatles aus den Sechzigerjahren. Hoffman beherrscht derweil ohnehin fast alle Instrumente. Dazu kommt, dass er und Smith beide in Nashville leben, dem kreativen Zentrum für musikalische Melange. Dort gebe es praktisch alles, erzählt Hoffman dem Publikum: Country, Jazz, Western Swing, Blues Grass und Gipsy-Jazz. Was trotzdem fast alle Songs des Abends gemeinsam haben: Sie kommen ohne Gesang aus.

Eine Ausnahme gibt es mit dem solo von Hoffman gespielten Lied „Night Life“, das im Original von Countrymusiker Willie Nelson stammt und zu dem sich Hoffman allein an der Gitarre begleitet – und für tosenden Applaus sorgt. Später wird das Publikum mutiger. Zum letzten Song des Programms, „Always on my mind“, geschrieben von Wayne Carson, singen viele Zuschauer mit, unterdessen schimmert die Bühne in blauem, rotem und grünem Licht. Ein Hauch von Melancholie legt sich über den Saal, während die Fans im Publikum die Zeile „Always on my mind“ mitsingen. Für viele Zuschauer geht nun ein Abend zu Ende, den sie vielleicht immer in Erinnerung behalten werden.

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