Bensheim. Noch existiert sie nur auf dem Papier, doch schon jetzt lässt sich erahnen, welche Wirkung sie entfalten könnte: die geplante Raddirektverbindung zwischen Heppenheim und Zwingenberg. Die sogenannte Empfehlungsvariante 3.1, die in den kommenden Jahren umgesetzt werden soll, verspricht eine direkte Route, die Radfahrende schneller ans Ziel bringen könnte. Um einen realistischen Eindruck zu gewinnen, habe ich die gesamte Strecke selbst abgefahren – von der Stadt hinaus ins Grüne, über Felder, durch das Tongrubengelände und entlang belebter Kreisverkehre, an denen der Verkehr unablässig fließt. Schon nach den ersten Metern wird spürbar, wie dringend eine solche Verbindung gebraucht werden könnte.
Am Erbachwiesenweg in Heppenheim beginnt die Route. Zwischen Wohnhäusern und Feldern führt sie hinaus aus der Stadt, über den Großen Weidäckerweg und die Tiergartenstraße zur Bürgermeister-Kunz-Straße. Die Straßen sind eng, Lkws drängen vorbei und Radfahrende haben kaum Vorrang. Das Gefühl, jederzeit bremsen oder ausweichen zu müssen, ist permanent präsent. Auf meinem Testritt fühlt sich die Strecke auf den ersten Kilometern noch unsicher an, der Asphalt teils rissig, die Fahrspuren eng. Hinter den letzten Häusern öffnet sich die Landschaft. Felder und weite Blicke in die Rheinebene laden zu entspannterem Fahren ein, während der Wind leicht über die Äcker weht und das Grün förmlich riechbar ist.
Bald führt der Weg ins Tongrubengelände. Heute naturbelassen, holprig und teils nur ein schmaler Pfad, soll dieser Abschnitt später zu einem hochwertigen Radweg ausgebaut werden. Ich spüre das unebene Terrain unter den Reifen, lockeren Untergrund und kleine Hindernisse, die ein zügiges Vorankommen erschweren. Felix Fabian vom Planungsbüro Zentrum für integrierte Verkehrssysteme (ZIV) erklärt auf Nachfrage dieser Redaktion, dass gerade dieser Bereich heikel sei, da das Gelände als sensibles Naturschutzgebiet gelte. Gleichzeitig mache die natürliche Umgebung diesen Abschnitt für Radfahrende attraktiv. Eine künftige Verbindung müsse beide Aspekte berücksichtigen.
Nördlich von Heppenheim rückt Bensheim in den Blick. Der Berliner Ring erweist sich schon beim Abfahren als kritische Stelle: dichter Verkehr, Abbiegespuren und Ampeln, die die Orientierung erschweren. Fabian erläutert, dass geplant sei, diese Punkte durch breite Radstreifen, klare Markierungen und getrennte Wege deutlich sicherer zu gestalten. Auf meinem Testritt wird spürbar, wie wichtig diese Anpassungen sein könnten. Ohne sie müsste man auch in Zukunft ständig abbremsen, ausweichen oder den Verkehr genau beobachten. Besonders der Geräuschpegel von vorbeirauschenden Autos und Lkws macht deutlich, wie dringlich eine Trennung vom motorisierten Verkehr ist.
Die Route führt weiter über die Bleichstraße nach Zwingenberg. Abbiegungen und Gabelungen erschweren heute die Orientierung. Fabian weißt darauf hin, dass durch künftige Beschilderungen und Markierungen klar werden soll, wo es entlanggeht. Noch sei der genaue Verlauf nicht endgültig entschieden: Viele Bürger hätten sich statt der Routenführung durch die Bleichstraße für eine Führung der Route durch die Platanenallee ausgesprochen. Sonst würden sie beispielsweise den Verlust einiger Parkplätze erwarten müssen. Welche Variante letztlich umgesetzt wird, entscheide die Kommune, so Fabian.
Während der Fahrt wird die unterschiedliche Beschaffenheit der Strecke besonders spürbar: Enge Straßen wechseln sich mit breiten Wirtschaftswegen ab, Asphalt mit Schotter und Naturpfaden, markieren Abschnitte mit unübersichtlichen Stellen. Ohne die geplanten Verbesserungen müssen Radfahrende häufig anhalten, absteigen oder besonders vorsichtig fahren. Dennoch lässt sich die Grundidee der Direktverbindung erkennen. Breite Fahrspuren, glatter Belag, durchgängige Markierungen und weitgehende Trennung vom motorisierten Verkehr sollen Pendlern, Schülern und Freizeitradlern ein sicheres und komfortables Radfahren ermöglichen.
Auf Nachfrage dieser Redaktion erklärt Fabian, dass es innerorts zwar kürzere Streckenalternativen gebe, die gewählte Empfehlungsvariante 3.1 jedoch auf der Gesamtstrecke die beste Lösung darstelle. Sie hat vergleichsweise wenige Kreuzungen, geringe Verlustzeiten und schließe zudem Richtung Darmstadt-Dieburg an. Auch die Kreisverkehre entlang der Strecke seien kein Problem. Am Berliner Ring seien sie gut ausgebaut, Radfahrende hätten Vorfahrt, und zusätzliche Markierungen sollen die Sicherheit erhöhen. Schwieriger seien Stellen mit starkem Lkw-Aufkommen, etwa am südlichen Berliner Ring oder in der Tiergartenstraße, die durch breitere Wege und bessere Sichtbarkeit entschärft werden sollen.
Grundsätzlich gehe es darum, so der Verkehrsexperte, dass mehr Menschen auch längere Strecken mit dem Rad zurücklegen. Wo möglich, soll der Radverkehr an Kreuzungen Vorrang haben, wo das nicht geht, würden Ampelschaltungen angepasst. Neben der Geschwindigkeit stehe die Sicherheit im Vordergrund – durch breite Wege, gute Sicht und klare Markierungen.
Die Raddirektverbindung ist Teil eines überregionalen Netzes zwischen Rhein-Main und Rhein-Neckar. Für den Abschnitt zwischen Heppenheim und Zwingenberg sind laut Kreis Bergstraße und ZIV (Webseite) Investitionen von rund 21 Millionen Euro vorgesehen, wovon etwa 70 Prozent das Land Hessen übernimmt, während Kreis Bergstraße und die beteiligten Kommunen die restlichen 30 Prozent tragen. Schon 2019 habe eine Machbarkeitsstudie das Potenzial der Verbindung abgeschätzt.
Die aktive Planung für diesen Korridor wurde Anfang 2025 begonnen, erzählt Fabian. Während oft von einer 70 Kilometer langen Achse die Rede sei, umfasse die Teilstrecke zwischen Heppenheim und Zwingenberg knapp 15 Kilometer. Für die Fahrzeit wird eine Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 20 Kilometern pro Stunde angenommen, was die Strecke deutlich schneller passierbar mache als heute. Bis zur Umsetzung werde jedoch noch Zeit vergehen. Zunächst ist eine Ausführungsplanung bis Mitte 2028 vorgesehen – dabei handelt es sich um die detaillierte technische und bauliche Vorbereitung des Projekts, bei der konkrete Pläne für Trassenführung, Bauwerke, Genehmigungen und Kosten ausgearbeitet werden. Erst danach könne mit den eigentlichen Bauarbeiten begonnen werden. Vor 2032 werde es laut Fabian deshalb schwierig sein, die geplante Strecke tatsächlich abzufahren. Am Ende könne dann jedoch mit einer Fahrtzeit von rund 45 Minuten gerechnet werden.
Die geplante Raddirektverbindung sei weit mehr als ein Stück Infrastruktur. Sie könnte ein Bindeglied zwischen den beiden Metropolregionen werden und zugleich ein starkes Signal für nachhaltige Mobilität setzen. Wer heute die Trasse befährt, erlebt noch Schlaglöcher, enge Straßen, Orientierungsschwierigkeiten, Lärm und wechselnde Untergründe. Auf meinem Testritt fiel besonders auf, wie oft man abbremsen oder ausweichen musste, wie die Räder über Schotter und Asphalt rumpelten und wie die Fahrt deshalb insgesamt anstrengender wurde, als eigentlich nötig. Gleichzeitig wurde so spürbar, welche Vorteile eine durchgehende, gut markierte und breite Route bieten könnte. Schon jetzt lässt sich erahnen, welches Potenzial in der Strecke steckt: eine schnelle, sichere und komfortable Verbindung, die das Rad an der Bergstraße zu einer echten Alternative zum Auto machen könnte.
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