Aktion

Pschische Erkrankungen: Mehr Mut im Umgang mit Depressionen

Die sogenannte Mut-Tour will auf psychische Erkrankungen aufmerksam machen. Das Team stoppte auch in Lorsch und Bensheim.

Von 
Thomas Tritsch
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Teilnehmer der Mut-Tour 2024 machten Station auf dem Bensheimer Marktplatz: Andrea Roosch, Esther Tagmann, Christine Mellau und Klaudia Madry (v.li.). © Thomas Neu

Bensheim. Auch im Rahmen der Mut-Tour 2024 sind von Mai bis September wieder mehrere Teams per Tandem in Deutschland unterwegs. Gemeinsam setzen sie ein Zeichen für mehr Mut und Wissen im Umgang mit Depressionen. Denn ein offener Umgang mit psychischen Erkrankungen ist noch immer nicht selbstverständlich, sagen die Veranstalter. Um das zu ändern, ist die Mut-Tour nun bereits im 13. Jahr unterwegs.

Auch in diesem Sommer fahren und wandern wieder zwölf Etappen-Teams durchs Land, um unterwegs mit Menschen und Medienvertretern zu sprechen und so die öffentliche Wahrnehmung zu stärken. Die aktuelle achte Etappe führt rund 430 Kilometer von Ulm über Stuttgart, Mannheim und Frankfurt bis nach Mainz, wo die Tour am kommenden Sonntag Station macht.

Über Bürstadt und Lorsch ging es am Donnerstag auch nach Bensheim. Auf dem Marktplatz informierten Christine Mellau und Klaudia Madry über das Bewusstsein und die Sensibilität gegenüber Depressionen, die in den letzten Jahren durchaus zugenommen haben. Denn steigende Zahlen in der Statistik spiegeln nicht zwangsläufig mehr Erkrankungen, sondern mehr Fälle, bei denen Depressionen erkannt und nicht versteckt werden. Unter Depressionen und affektiven Störungen versteht man psychische Erkrankungen, die sich durch eine gestörte Gefühlslage auszeichnen.

Denken, Fühlen und Handeln sind tiefgehend beeinflusst

Im medizinischen Sinne ist eine Depression etwas völlig anderes als eine vorübergehende Phase der Niedergeschlagenheit oder Unlust. Ein zwischenzeitliches Stimmungstief kennt jeder. Doch eine diagnostizierte Depression eine ernste Erkrankung, die das Denken, Fühlen und Handeln der Betroffenen tiefgehend beeinflusst und mit Störungen von Hirn- und anderen Körperfunktionen einhergeht. Unter dem diesjährigen Motto „Mut zur Selbsthilfe – Unterstützung sichtbar machen!” will die Tour Ängste nehmen, die Wahrnehmung schärfen und Anlaufstellen in der jeweiligen Region bekannter machen.

In den letzten zwölf Jahren erlebten zahlreiche Teilnehmer, wie sich durch offenen Austausch Vorurteile und Unsicherheiten rund um Depressionen und psychische Erkrankungen abbauen lassen, sagt Klaudia Madry. Diese Erfahrung – gepaart mit einem intensiven Gemeinschafts- und Selbstwirksamkeitsgefühl während der Etappe – ist für die Mitfahrer oft noch Jahre später eine nachhaltige Unterstützung.

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In täglichen Interviews mit Journalisten entlang der Strecke sowie in Gesprächen am Wegesrand berichten die Teilnehmer von ihren individuellen Erfahrungen sowohl als Betroffene als auch als Angehörige. Sie erzählen vom Weg in die Erkrankung und wieder heraus. „Es geht vorbei. Das muss man wissen, wenn man von Dämonen umzingelt ist“, beschreibt Klaudia Madry den Zustand seelischer Verzweiflung ind innerlicher Leere. Auch in diesem Jahr wird es in zahlreichen Städten wieder Aktionstage in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen geben. Neben Informationen zur Initiative sowie dem Trägerverein „Mut fördern“ stellen ortsansässige Vereine eigene Unterstützungsangebote vor.

Mit niedrigschwelligen Angeboten wie den Bewegungsspenden und der Mut-Schnipseljagd lässt die Mut-Tour auch diejenigen teilhaben, für die es nicht möglich ist, persönlich dabei zu sein. Zusätzlich bietet der „Mut-Atlas“ eine umfangreiche Online-Übersicht psychosozialer und medizinischer Angebote in ganz Deutschland.

Die Tandems, mit denen die Aktivisten unterwegs sind, symbolisieren die Chance, sich kompetente Hilfe zu holen: „Man ist nicht allein“, betont Christine Mellau. Gemeinsam treten die Teilnehmer in die Pedale und führen vor, dass es zusammen leichter ist, ein komplexes Thema in der Öffentlichkeit zu platzieren und so dauerhaft Berührungsängste abzubauen. Den Fahrern geht es um Transparenz, Aufklärung und eine hohe Reichweite ihrer Themen und Anliegen.

„Es ist besser geworden“, so Klaudia Madry. Vor allem in der jungen Generation zeige sich ein wacheres und klischeefreies Bewusstsein für psychische Erkrankungen. Auch dies mache den Betroffenen Mut. Doch im Alltag sieht es oftmals anders aus. Viele Erkrankte verschweigen ihr Problem beispielsweise gegenüber Arbeitgebern, um nicht benachteiligt zu werden. „Eine Depression wird sofort mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit gleichgesetzt. Niemand würde in einem Einstellungsgespräch einen Diabetiker abweisen“, so Christine Mellau über die hartnäckigen Vorurteile. Auch Kündigungen wegen einer mentalen Erkrankung sind keine Seltenheit.

Dies könnte man verhindern, wenn beide Seiten offen und ehrlich über die Situation sprechen und gemeinsam über die Qualität des Arbeitsplatzes sprechen. „Der erste Schritt ist der schwerste“, sagt Klaudia Madry auf dem Bensheimer Marktplatz.

Ein großes Anliegen der Tour-Mutmacher ist es auch, über Hilfsangebote und regionale Anlaufstellen zu informieren. Im Kreis Bergstraße ist dies unter anderem das Gemeindepsychiatrische Zentrum Bensheim des Caritasverbands, Telefon 06251-854250.

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