Bensheim. Was für ein schöner Irrsinn, was für ein intelligentes Spiel mit Schein und Wahrheit! In der neuen Eigenproduktion des PiPaPo Kellertheaters geht es hoch her – und zwar im doppelten Sinn. Die Komödie „Ich, erste Person Einzahl“ des britischen Autors Lewis Grant Wallace, inszeniert von Jürgen Rehm, ist alles andere als ein beschaulicher Geburtstagsnachmittag. Der gefeierte Schriftsteller Henry Fanshaw Beringer, dessen Ruhm kaum zu überbieten ist, feiert seinen 80. Geburtstag. Eigentlich wollte er in der Hauptstadt einen Festvortrag halten, doch eine harmlose Erkältung hält ihn zu Hause fest.
Kein Problem, denkt man, denn der Rundfunk hat den Vortrag längst aufgezeichnet – die Ausstrahlung steht kurz bevor. Doch dann klopft das Schicksal, in Gestalt eines jungen Mannes, an die Tür. Und plötzlich wird der festliche Tag zum nervenaufreibenden Kammerspiel voller Überraschungen, Enthüllungen und Wendungen, die man nicht kommen sieht. In dieser Komödie über Eitelkeit, Literatur und Lebenslügen trifft feiner britischer Humor auf existenzielle Fragen. Wallace lässt seine Figuren mit herrlicher Übertreibung über, das richtige Maß an Fantasie und die Würde des Schreibtischs philosophieren, während das Chaos unaufhaltsam Einzug hält.
Ein Fremder stört die Idylle
Als Beringers Verlegerin, Mrs. Pargeter, ihm zum Geburtstag gratuliert und ein Geschenk überreicht freut er sich zunächst, auch wenn er die Verlegerin eigentlich eher weniger aushalten kann. Als sie schließlich neugierig nach seinem neuen Manuskript fragt, zögert er kurz, ehe er ihr das Bündel Papier überreicht – mit einem Lächeln und den Worten: „Unser Geheimnis, kein Wort zu niemandem.“ Der große Schriftsteller Beringer, brillant und selbstverliebt zugleich, wird von der eigenen Bedeutung erdrückt – und dann steht plötzlich jemand vor ihm, der ihn buchstäblich zur Rede stellt – der junge David Brown. Dieser ist zwar ungebeten und unsicher, doch voller Zorn, so viel sei an dieser Stelle verraten. Er will den Altmeister zur Rechenschaft ziehen, will verstanden, vielleicht sogar gerechtfertigt werden.
Was folgt, ist eine herrlich zugespitzte Auseinandersetzung zwischen zwei Männern, die beide das Gleiche wollen: Bedeutung. Und so entspinnt sich aus einer zufälligen Begegnung ein gefährliches literarisches Duell, bei dem Ruhm, Wahrheit und Identität auf dem Spiel stehen. Während draußen das Radio, für Beringer ein nervenaufreibender Apparat, noch die festliche Rede vorbereitet, wird drinnen mit Worten geschossen. Auch die Nebenfiguren tragen ihren Teil zum wunderbar absurden Reigen bei: die resolute Ehefrau, die alles im Griff zu haben glaubt, die geschwätzige Verlegerin, die immer das letzte Wort haben will, und die nervöse Haushälterin, die mehr weiß, als sie sollte. Jede Figur ist liebevoll überzeichnet, jede Szene eine kleine Explosion zwischen Ironie und Ernst.
Timing, Tempo und britischer Biss
Besonders reizvoll ist die Doppelbesetzung einiger Rollen – etwa die von Miss Oakley oder David – was den Figuren zusätzliche Schattierungen verleiht und das Thema Identität auch auf der Besetzungsebene weiterspinnt. Aus den Proben ist zu hören, wie viel Leben und Witz in der Inszenierung steckt. „Außerdem habe ich noch nie ein brutales oder gemeines Wort bei ihm gefunden“, heißt es einmal über den gefeierten Autor. „Nicht das Erotik zum Selbstzweck wird. Er lässt immer unserer Fantasie freien Lauf und findet ein richtiges Ende.“, wirft eine Figur leicht beschämt ein, als sie über den Autor spricht – und schon entsteht eine jener köstlich peinlichen Pausen, die britische Komödien so unverwechselbar machen. Regisseur Jürgen Rehm versteht es, den feinen Witz der Dialoge mit sicherem Timing und eleganten Tempowechseln auf die Bühne zu bringen. Die Bühne von Tamás Svajda bildet dazu den perfekten Hintergrund – klassisch bürgerlich, aber voller kleiner Fallen und Überraschungen. Die Technik liegt wie gewohnt in den Händen von Fynn Hofacker und Lars Kawecki, die mit viel Gespür für Atmosphäre und Rhythmus arbeiten.
Gespielt wird von einem Ensemble, das spürbar Freude am Text hat: Christiane Alpers, Carolin Banasek-Richter, Cecilia Kecskeméthy / Michaela Schweitzer, Mateo Martinka, Jana Meister, Rainald Methlow, Tamás Svajda / Hendrik Seidl und Tanja Weber. Die Proben laufen bereits seit Wochen auf Hochtouren, und die Stimmung ist konzentriert, aber voller Spielfreude. Noch drei Proben bis zur Premiere, dann heißt es: Vorhang auf für einen Abend, der Lachen, Spannung und Nachdenklichkeit in bester britischer Tradition verbindet. Das Stück ist dabei nie bloße Satire, sondern changiert kunstvoll zwischen feiner Ironie und stiller Melancholie. Denn hinter all den Pointen und Eitelkeiten steckt die große Frage: Wer bin ich – und wer erzählt meine Geschichte?
Premiere feiert „Ich, erste Person Einzahl“ im PiPaPo Kellertheater am Freitag, 14. November.
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Karten gibt es im Vorverkauf bei der Tourist-Information, Hauptstraße 53, Telefon 06251 / 8696101.
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