Bensheim. Ein Kreissymbol mit Punkt in der Mitte hat als Trauersymbol der Pfadfinder eine besondere Bedeutung und steht für: „Ich habe meine Aufgabe erfüllt und bin nach Hause gegangen.“ Mit großer Betroffenheit und tiefer Trauer nimmt der Bensheimer Pfadfinderstamm Hagen von Tronje (BdP) Abschied von seinem Stammesgründer Jens Michel. Dieser verstarb Anfang Juli plötzlich und unerwartet im Alter von nur 58 Jahren.
Er hinterlässt Generationen von Kindern und Jugendlichen, die in den vergangenen knapp 40 Jahren unzählige unvergessliche Abenteuer bei den Pfadfindern erleben durften. Gemeinsam mit gleichaltrigen Weggefährten hatte Jens Michel im Jahr 1984 den Entschluss gefasst, sich von dem damals in Bensheim ansässigen Pfadfinderstamm „Der Rodensteiner“ zu distanzieren. Die Pfadfinderei, so hatte es die Gruppe auf einem Bundeslager mit Teilnehmern aus ganz Deutschland erfahren, barg noch so viel mehr Möglichkeiten, als sie es in ihrem örtlichen Stamm bis dahin erlebt hatten. Die jungen Männer rebellierten gegen Althergebrachtes, wollten Neues schaffen und ihre eigenen Ideen und Vorstellungen umsetzen.
Mutig war dieser Schritt für die noch Anfang 20-Jährigen. Man überwarf sich mit der alten Stammesführung, traf sich mit der Leitung des BdP-Landesverbands, knüpfte Kontakte zum Heppenheimer Pfadfinderstamm Burgheldon, schmiedete Pläne. Und erhielt 1985 die Erlaubnis, als Aufbaugruppe des BdP Hessen in Bensheim in eine erste Anlaufphase einzusteigen.
Über 50 Millionen Mitglieder weltweit
Eine Handvoll Kinder und Jugendliche war den Älteren aus dem alten Stamm in die neuen Fußstapfen gefolgt und so konnte bereits im Herbst 1985 ein erstes Lager der Gruppe, die sich, in Anlehnung an die Nibelungensage und ob des schönen Klangs „Hagen von Tronje“ nannte, durchgeführt werden.
Jens Michel stand der Bensheimer Gruppe über Jahre hinweg als Stammesführung vor. Die Gruppe wuchs schnell und lernte von ihren Leitungen, sich nach den Regeln der Pfadfinderinnen und Pfadfinder gemeinsam als Teil einer weltweiten Jugendbewegung zu erleben.
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Der Bensheimer Pfadfinderstamm Hagen von Tronje ist Mitglied im Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP), einem interkonfessionell koedukativ arbeitenden Pfadfinderbund, in dem Jungen und Mädchen gemeinsam in unterschiedlichen altersentsprechenden Gruppen ein friedliches, gleichberechtigtes Miteinander lernen und umsetzen. Die Pfadfinder in Bensheim gehören damit, zusammen mit vielen anderen Pfadfinderverbänden, zu den über 50 Millionen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen weltweit, die der 1907 von Lord Robert Baden Powell gegründeten Idee einer staatlich unabhängigen, dem Frieden dienenden Jugendbewegung folgen.
Ruhig, zurückhaltend, immer hilfsbereit und ein großes Vorbild
Bis heute treffen sich unterschiedliche Altersgruppen zu Gruppenstunden in Kellerräumen der Alten Post. Im Fokus steht das Miteinander innerhalb der Gruppe, die offene und interessierte Begegnung mit allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft und ein verantwortungsbewusster Umgang mit der Umwelt. Die jungen Menschen dürfen sich dabei stets selbst ausprobieren, definieren ihre eigenen Regeln, setzen sich Ziele, stellen sich großen und kleinen Abenteuern – und lernen gemeinsam aus ihren Erfolgen und Fehlschlägen. Großer Wert wird dabei auf ein achtsames, gleichberechtigtes und wertschätzendes Miteinander gelegt. Talente werden erkannt und genutzt, das Gegenüber und die eigene Persönlichkeit hinterfragt und getestet und es wird gelernt, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.
Jens Michel war ein ruhiger, zurückhaltender und immer hilfsbereiter Mann und ein großes Vorbild. Als im vergangenen Jahr ein Treffen ehemaliger Gründungsmitglieder stattfand, war man überrascht von den engen Verbindungen, die die gemeinsamen Erlebnisse vor so vielen Jahren geschaffen hatten, von der Vertrautheit, die bis heute spürbar ist. Jens hat der Gruppe das Pfadfindersein vorgelebt, war immer interessiert und auch ein bisschen stolz darauf, dass die Gruppe im nächsten Jahr bereits ihr 40. Jubiläum feiern würde und aktuell knapp 90 Mitglieder hat.
Clogs an den Füßen und Küchenhandtuch am Gürtel
Erinnern werden sich Weggefährten an den Mann, der am liebsten das Kochen für die Gruppe übernahm und auf dem Lagergrund stets mit Clogs an den Füßen und Küchenhandtuch in der Gürtelschlaufe unterwegs war. Abends begleitete er die Lieder am Lagerfeuer bis in die tiefe Nacht mit der Gitarre. Das Rezept für das „Jens-Müsli“, das in den Anfangsjahren des Stammes bei keinem Frühstück fehlte, gab er im vergangenen Jahr an die Jüngsten im Stamm weiter und die Gruppe wird es weiter zubereiten und mit ihm die Erinnerung an den Stammesgründer weitergeben.
Jens Michel hat dazu beigetragen, dass es in Bensheim einen Ort gibt, an dem sich kritische und verantwortungsbewusste, weltoffene Erwachsene entwickeln dürfen. Menschen, die wir gerade in der heutigen Zeit vielleicht dringender brauchen als zuvor. „Wir lösen das Band der Hände, das Band der Herzen bleibt bestehen“, lautet der Satz, mit dem sich die Pfadfinder im Abschlusskreis voneinander verabschieden.
In den Herzen der Bensheimer Pfadfinder wird das Band zu Jens bestehen bleiben. red
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