Bensheim. Komplexe Arrangements in einem federleichten Sound: eine Kunst, die wenige beherrschen. Das Pasadena Roof Orchestra beherrscht das auf höchstem Niveau. Trotz eindrucksvoller Präzision, musikalischer Premiumqualität und einem faszinierend transparenten Klangbild hat sich das zehnköpfige Ensemble eine Spielfreude und Leidenschaft bewahrt, die auf das Publikum überspringt. So geschehen am Freitag im Bensheimer Parktheater.
Zum vierten Mal seit 1995 war der britische Edel-Export im Rahmen der Internationalen Sommerfestspiele zu Gast. Der künstlerische Leiter Klaus P. Becker hatte die Gruppe exklusiv aus London einfliegen lassen.
Auch weit über 50 Jahre nach der Gründung klingt das Orchester so frisch und charmant wie eh und je. Die Formation schafft es bis heute, die Tanzmusik und den Swing der 20er und 30er Jahre unverbraucht und vital auf die Bühne zu bringen, ohne sich kurzlebigen Trends oder Wellen anzubiedern. Auch das Swing Revival hat das Orchester schadlos und ohne Persönlichkeitsstörung überstanden. Das Konzert im gut besuchten Parktheater überzeugte mit famosen Interpretationen, musikalischem Elan und brillanten Soli. Der zeitlos elegante Sound und die humoristische Ader der Gruppe um den Bandleader, Sänger und Schauspieler Duncan Galloway zieht weltweit ein großes Publikum an.
Souveräner Conférencier mit unaufdringlichem Charme
Das Parktheater ist für das Orchester wie geschaffen. Das klassische Ambiente passt, die Akustik stimmt. Ein schönerer Rahmen als das Bürgerhaus, wo die Briten ebenfalls schon zwei Mal gespielt haben. Der gepflegte Klang, der sich sanft in die Ohren schmeichelt und dennoch mit saftiger Textur und würzigen Aromen aufwarten kann, kommt hier besonders plastisch zum Ausdruck. Und auch das Entertainment stimmt: Duncan Galloway ist nicht nur ein versierter Stimmführer, sondern auch ein souveräner Conférencier, der mit viel Verve und unaufdringlichem Charme durch den Abend führt.
Bei Irving Berlins „Top Hat, White Tie And Tails“ aus dem Film „Top hat“ von 1935 legte er zudem eine elegante Stepptanz-Einlage auf das Bühnenparkett. Worauf die Musiker prompt Karten mit Benotung zücken. Humoristische Einlagen gehören fest zum Repertoire dieser weltberühmten Band, die schon – komplett oder in Teilen – von Künstlern wie Robbie Williams oder Bryan Ferry gebucht worden sind.
Mit „I’m Crazy ‘Bout My Baby (And My Baby’s Crazy ‘Bout Me)“ von Fats Waller startete der Abend mit heißer Tanzmusik aus den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. „Happy Days Are Here Again“ wurde in der deutschen Version „Wochenend’ und Sonnenschein“ der Comedian Harmonists dargeboten.
Pasadena Roof Orchestra wurde 1969 gegründet
Die „Black and Tan Fantasy“ von Duke Ellington entführte die Zuhörer in den New Yorker Cotton Club, in dem während der Zeit der Prohibition zahlreiche bekannte Jazzmusiker und Entertainer auftraten. „The Very Thought of You“ ist ein Lied des Great American Songbook, das Ray Noble im Jahr 1934 komponiert hat. Das Pasadena Roof Orchestra offenbarte auch hier viel Empathie für die Natur der Stücke, die in Bensheim feinfühlig zur musikalischen Collage einer bedeutenden Ära zusammengefügt wurden.
Am 3. November 1969 gründete der Bäckermeister und Amateurmusiker John Arthy aus Essex die Band, nachdem er von der Witwe eines musikalischen Direktors und Sammlers in Manchester Notenblätter mit 1200 Original-Arrangements für Swing- und Tanztitel der 1920er bis 1940er Jahren erworben hatte. Mit befreundeten Musikern zum Pasadena Roof Orchestra zusammen. Der Name geht auf den Song „Home in Pasadena“ von Harry Warren aus dem Jahr 1923 zurück. Arthy spielte Kontrabass und Sousaphon. Ab 1975 trat die Band live auf – der Rest ist Geschichte. 1998 ging er in den Ruhestand. Ab 1990 übernahmen James Langton und Duncan Galloway den Part des Sängers.
Butterweiche Bläserklänge
Mit einem rhythmisch brillant klingenden „Puttin‘ on the Ritz“ von Irving Berlin startete das Pasadena Roof Orchestra in der zweiten Hälfte durch. Mit viel Schmelz und Tiefe in Galloways Stimme, butterweichen Bläserklängen und einem perlenden Pianospiel von Richard Busiakiewicz, der bei Ellingtons „Black Beauty“ ein famoses Solo servierte.
Schlagzeuger Dom Sales hatte bei „Drummin‘ Man“ seinen großen Auftritt, als er im Stile eines Gene Krupa die Stöcke tanzen ließ. Eine Meisterleistung voller Energie, Substanz und Kontinuität, die mit den häufig zusammenhanglosen perkussiven Demo-Vorführungen nichts gemein hatte.
Zu „High Society“ glänzten die Bläser mit gepflegtem Sound, und bei „Lullaby Of Broadway“ von Harry Warren aus dem Jahr 1935 konnte Duncan Galloway seine ganze Klasse demonstrieren. Mit „Just A Gigolo“ und „Happy Feet“ ging es ins Finale, bei dem sich das Publikum noch einige Zugabe erklatschte.
Auch 55 Jahre nach Gründung gehört das Orchester zu den stilsichersten, qualitativ besten und coolsten Vertretern seine Art. Eine Band, die den Sound von einst lebendig in die Gegenwart bringt und ein wertvolles Erbe souverän nicht nur verwaltet, sondern lebendig in die Zukunft führt. Eine Institution in Sachen Swing mit einer unvergleichlichen Spielkultur, die wie keine andere Band in diesem Genre die Hochkultur der jazzigen Leichtigkeit versteht.
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