Städtische Finanzen

Haushaltsdebatte in Bensheim: Ortsbeiräte zwischen Zustimmung und Zweifel

In den Ortsbeiräten von Gronau und Zell wurden die Haushaltberatungen wieder aufgenommen.

Von 
Jeanette Spielmann
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Bensheim. Es ist nicht nur das riesige Finanzloch, dass Rathausspitze und städtische Finanzverwaltung seit Monaten um den Schlaf bringt, es ist auch die Verarbeitung der sich immer wieder ändernden Zahlen, die das Aufstellen des Haushaltsplans 2025 zu einer bisher nie dagewesenen Herausforderung macht. Denn die Umstellung auf eine neue Buchhaltungs-Software hat sich alles andere als hilfreich erwiesen, weil sie noch nicht so funktioniert, wie gehofft.

Dazu kommt ein Zeitproblem, denn noch immer befindet sich die Stadt in der vorläufigen Haushaltsführung, da bisher noch kein beschlossener Haushaltsplan für dieses Jahr vorliegt. Die Verabschiedung der städtischen Finanzplanung ist für die letzte Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vor der Sommerpause am 5. Juni vorgesehen. Bis dahin muss das Zahlenwerk noch durch die städtischen Gremien und Kommissionen und dafür bleibt nur noch der kommende Monat.

Die aufgrund aktueller Finanzentwicklungen im Februar abgesetzten Haushaltsberatungen in den Ortsbeiräten wurden am Mittwoch mit den Gremien in Zell und Gronau wieder aufgenommen. Allerdings konnte den Ortsbeiräten in der Sitzung auch nur das düstere Gesamtbild der städtischen Finanzsituation verdeutlicht werden, denn welche Leistungen am Ende tatsächlich abgeplant werden und mit welchen Steuer- und Gebührenerhöhungen zu rechnen ist, wird letztlich in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 26. Mai entschieden. Erst dann kann die Finanzverwaltung die Ergebnisse im Haushaltsplanentwurf zusammentragen, über den dann im Juni zu beschließen ist.

An der Erhöhung der Grundsteuer B wird kein Weg vorbei gehen

Allerdings wurde in den Sitzungen in Zell und Gronau durch die Ausführungen von Bürgermeisterin Christine Klein und Björn Nawrat vom Team Finanzen deutlich, dass sich die Situation seit der Einbringung im Februar verschlechtert hat. Zwar hatte man die Einnahmen der Gewerbesteuer im Februar-Entwurf schon auf 24,7 Millionen Euro reduziert (2023 waren es noch 57,4 Millionen Euro), doch dieser Ansatz musste nochmals um 8 Millionen auf jetzt 16,7 Millionen Euro gekürzt werden.

Damit hat sich der Anteil der Gewerbesteuer seit dem vergangenen Jahr mehr als halbiert und liegt jetzt bei rund 23 Prozent. Den größten Anteil hat inzwischen der Anteil aus der Einkommensteuer mit 40 Prozent. Sollte die Grundsteuer B auf 1275 Punkte erhöht werden, würde auch diese Steuerart mit etwa 21,6 Millionen Euro mehr Geld in die Kasse spülen als die Gewerbesteuer.

Da auch in den folgenden Jahren die Einnahmen durch die Gewerbesteuer noch weit von den über 50 Millionen Euro der Jahre 2021 bis 2023 entfernt bleiben werden, wird an der Erhöhung der Grundsteuer B kein Weg vorbei gehen. „Über 1000 Punkte müssen es auf jeden Fall werden“, so Nawrat, der auf den unausgeglichenen Etatentwurf 2025 mit einem Defizit von 18,7 Millionen Euro verweist. Trotz dieses Defizits könne mit dem Einvernehmen der Finanzaufsicht gerechnet werden, da durch die zu erwartenden positiven Ergebnisse der Jahre 2027 und 2028 die Fehlbeträge der Jahre 2025 und 2026 gedeckt werden könnten. Das setze allerdings die Erhöhung der Grundsteuer B voraus.

Für Pflege und Erhalt der städtischen Infrastruktur müssen Kredite aufgenommen

Alternativen dazu sind nicht in Sicht, denn auch Bürgermeisterin Klein sieht keine Möglichkeit, noch größere Summen einzusparen; „Wollen wir wirklich alle Sportplätze und Dorfgemeinschaftshäuser schließen und das Winzerfest ausfallen lassen?“ Sie will das nicht, auch wenn es letztlich die Stadtpolitik zu entscheiden hat. Aber auf sportliche und kulturelle Angebote oder die Pflege der Grünanlagen und Plätze zu verzichten, würde die Stadt am Ende in eine Abwärtsspirale führen.

Neben den sogenannten Softkills einer Stadt geht es aber auch um die Pflege und den Erhalt der städtischen Infrastruktur, für die in den kommenden Jahren investiert werden muss. Dafür müssen Kredite aufgenommen werden. In diesem Jahr sind es 12,2 Millionen Euro, im kommenden Jahr 9 Millionen Euro und 2027 nochmals 9,8 Millionen Euro. Erst 2028 werden keine fremden Finanzmittel mehr benötigt. Der Schuldenstand der Stadt erhöht sich dadurch bis zum Ende 2028 von 71,4 auf dann 80,7 Millionen Euro.

Eine Umverteilung der Finanzmittel in die öffentlichen Haushalte sei wünschenswert

Deutlich machte Bürgermeisterin Klein in beiden Ortsbeiratssitzungen, dass die Finanzmisere kein Bensheimer Problem ist, sondern landauf, landab alle Kommunen mit dem Rücken an der Wand stehen. Das hat neben der desolaten wirtschaftlichen Lage des Landes unter anderem auch mit dem Konnexitätsprinzip (wer bestellt, bezahlt) zu tun. Im Bereich der Kindesbetreuung macht das für die Stadt Bensheim beispielsweise Mehrkosten in Höhe von 20 Millionen Euro aus, die aufgrund bundes- und landesrechtlicher Vorgaben – wie das Recht auf einen Betreuungsplatz und gebührenfreie Betreuungszeiten – entstanden sind und seitens der Gesetzgeber aber nicht finanziell gedeckt werden.

Vor diesem Hintergrund wissen natürlich auch die Kommunalpolitiker in den Stadtteilen, dass es für Wünschenswertes keinen Spielraum mehr gibt. In der Sitzung des Ortsbeirates Gronau brachte es Ortsvorsteher Stefan Hebenstreit auf den Punkt und fragte, ob es überhaupt noch sinnvoll sei, über die Haushaltswünsche zu sprechen. Aus seiner Sicht als Ortsvorsteher gebe es jetzt nur zwei Punkte, die weiterhelfen könnten. Zum einen sei eine Umverteilung der Finanzmittel in die öffentlichen Haushalte wünschenswert und zum anderen müsse mehr Eigenleistung gefordert werden und diese dann aber auch zugelassen werden.

Während der Ortsbeirat Gronau der Haushaltsplanung einstimmig zugestimmt hat, hat sich der Ortsbeirat Zell bei einer Ja- und einer Nein-Stimme mehrheitlich enthalten.

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