Bensheim. Es war, als hätte jemand Omas alte Schallplatten herausgekramt und neu aufgelegt. Musik mit dem Charme des alten Stils und tanzgerechten Klängen von heute. Zurück in die Gegenwart quasi. Mit jeder Menge Rhythmus und Begeisterung entstaubten "Tape Five" am Freitagabend im Rex-Musiktheater die Musik der "Golden Twenties".
Dass alles einmal wiederkommt, bewiesen die fünf Musiker des multinationalen Musikprojektes um Produzent Martin Strathausen. "Ihr kriegt was von uns zu hören!" kündigte Sängerin Gilda Rebello gleich zu Beginn an. Nicht nur musikalisch, auch äußerlich stimmte die Band auf Musik einer scheinbar längst vergangenen Zeit ein. Mit Jackett, Hosenträgern, schwarzem Glitzerfummel und Federboa ließen die Musiker das Gefühl der 20er Jahre wieder aufleben.
Besonders Swing und Elektro-Swing standen an diesem Abend auf dem Programm. Fetzig ging es gleich mit "A cool cat in town" aus dem Album "Tonight Josephine!" los. Schmissige Rhythmen, eine dunkle Stimme zu den einprägsamen Klängen von Saxofon und Kontrabass. Stilvoll wie ein Schwarz-Weiß-Klassiker, dafür aber sehr bunt und abwechslungsreich wie ein Actionfilm von heute. Musik ganz unkonventionell und fernab von dem, was täglich im Radio läuft. Tanzbewegungen in typischer Swingmanier, mit harten Bässen unterlegt.
Nicht nur etwas für die ältere Generation, sondern auch für die jüngeren Jahrgänge ist, was "Tape Five" bot, eine coole Entdeckung der Jetztzeit. Selbst wenn die Grundlage hierfür, der Swingjazz der 1920er und Musiker wie Louis Armstrong, Gene Krupa oder Josephine Baker, schon bald ein ganzes Jahrhundert alt sind.
Es sind eingängige Melodien, die ins Ohr und direkt in die Beine gehen. Retro pur, stillsitzen eigentlich unmöglich. Das Publikum musste sich jedoch erst einmal warm swingen. Lieder wie "Pantaloons" luden dazu ein, sprühten vor Lebensfreude und Energie. Mal lässig, dann wieder flott und eine besondere Mischung aus Mambo, Jazzswing und auch mal R'n'B.
"Jetzt machen wir ein bisschen langsamer, das ist eigentlich ein Rezept für einen Drink", stimme Rebello auf das Lied "Pousse L'amour" ein. Sinnliche Klänge, sanft gehauchte Töne, die zum Träumen einladen. Allerdings nicht zum Einschlafen, entführten sie neben den "Golden Twenties" auch in die Tanzlokale der 30er und 40er Jahre.
Doch nicht nur Gilda Rebello überzeugte mit ihrer einprägsamen Stimme, die von verrucht dunkel bis zu hellen Tönen ein Musikerlebnis der besonderen Art bot. Besonders Dimitrj Markitantov verwies mit seinen Saxofonsoli an Jazzklänge von Glenn Miller. Kräftig unterstützt wurden die beiden von Nico Kozuschek am Keyboard und Schlagzeuger Alexander Weinstein, ebenso durch Marcel Richard, der abwechselnd zu Kontrabass oder Gitarre griff.
Rasend schnelle Melodien und stampfenden Rhythmen, wer mitklatschen oder mitschnipsen wollte, musste sich beeilen. Feurig und mit elektronischen Klängen unterlegt sorgte "Senorita Bonita" für lockere Stimmung und gute Laune.
"Unser nächstes Lied kennt jeder. Es nennt sich Summertime, denn es reicht vom Winter." Damit sprach Rebello vielen Zuhörern aus der Seele. Zu zunächst sehnsüchtig erklingenden Tönen kam Bewegung ins Publikum. Auch wenn der Sommer noch auf sich warten lässt, swingten sich die fünf Musiker und die Zuhörer warme Temperaturen und Sonnenschein herbei.
Lockere Töne ließen den grauen Himmel vergessen und die Welt in Jazzfarben schillern. Eine Hommage an die Andrew Sisters oder Benny Goodman, die Musik von "Tape Five" ist ein Mix aus flotten Instrumentalkompositionen, entspannten Klängen und zündenden Electro-Swing-Nummern.
Altes neu interpretiert
Zu "Mr. White-Suit" wurde das Tanzbein geschwungen, ein Abend der Spaß machte und für lockere Stimmung sorgte. "Tape Five" traf mit seiner Musik den Nerv der heutigen Zeit, in der Altes wieder modern wird. Nicht nur ein Sänger interpretiert die Musik von Martin Strathausen, der die Band 2003 ins Leben gerufen hat. Internationale Musiker wirken an dem Projekt ebenso mit wie lokale Künstler der Essener "Folkwang Universität der Künste".
Spritzig, verspielt und mit Glamour bewies die Band, dass ihr internationaler Erfolg berechtigt ist. Doch nicht nur aus ihren ersten drei Alben gaben die Musiker Hörproben. Auch Lieder aus dem neuen Album "Swing Patrol" verwandelten das Rex in einen Swing-Club.
Genauso locker, genauso fetzig und mit besonders viel Swing schlug "Tape Five" bunte Töne an. "Die passende Musik für Karfreitag", schmunzelte ein Zuhörer. Klar, dass die Band nach 90-minütiger Reise durch die Musik des 20. Jahrhunderts nicht um eine Zugabe herumkommt, um die Zuhörer ein letztes Mal in die freche Welt des Swing und Jazz zu entführen. ste
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