DLRG

Notrufsäule am Bensheimer Niederwaldsee aufgestellt

Am Bensheimer Niederwaldsee haben DLRG und Björn-Steiger-Stiftung eine Notrufsäule aufgestellt. Die direkte Verbindung zur Leistelle kann aber nicht nur bei Badeunfällen genutzt werden, sondern auch bei Zwischenfällen "an Land".

Von 
Dirk Rosenberger
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Am Niederwaldsee wurde eine Notrufsäule aufgestellt. Bei einem Ortstermin informierten die Beteiligten am Mittwoch über das Projekt. Unser Bild zeigt (v.l.) Stadtbrandinspektor Jens-Peter Karn, Lars Wagenknecht (DLRG), Andreas Mihm (Björn-Steiger-Stiftung), Thomas Rech (DLRG), Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung und Matthias Denner (DLRG). © Thomas Zelinger

Bensheim. Der Niederwaldsee liegt idyllisch zwischen Fehlheim und Rodau mit Blick auf die Bergstraßen-Silhouette. Ohne Zweifel ein schönes Plätzchen in einem Naherholungsgebiet. Doch so still, wie er sich auf den ersten Blick geben mag, ruht der See bekanntlich nicht. Baden ist dort untersagt.

„Es gibt hier unter anderem Schlingpflanzen, die auch für geübte Schwimmer schnell zu einem großen Problem werden können“, warnt Thomas Rech, stellvertretender Einsatzleiter im DLRG-Kreisverband Bergstraße. Das Verbot wird allerdings, auch das ist kein Geheimnis, seit Jahrzehnten immer wieder ignoriert, teils mit tödlichen Folgen. „Wir waren schon öfter hier. Das mag bei manchen ja 2000 Mal gut gehen, beim 2001. Mal dann leider nicht“, führte Rech am Mittwochnachmittag aus.

Gemeinsam mit Andreas Mihm, Projektmanager Notruftelefone bei der Björn-Steiger-Stiftung, präsentierte er die nun aufgestellte Notrufsäule am Ufer des Gewässers – flankiert von Lars Wagenknecht, Vorsitzender DLRG Bensheim, DLRG-Kreisverbandsleiter Matthias Denner, Erster Stadträtin Nicole Rauber-Jung, Stadtbrandinspektor Jens-Peter Karn und Jochen Scharschmidt, Fachbereichsleiter Sicherheit und Ordnung im Rathaus.

Nicht nur bei Badeunfällen

Die in Rot und Weiß optisch auffällige Säule mit DLRG-Schriftzug soll – wie der Name schon sagt – im Notfall schnelle Hilfe leisten. „Und das auch bei Notfällen an Land, nicht nur bei Badeunfällen“, betonte Rech. Wer den Knopf betätigt, wird direkt mit der Leitstelle in Heppenheim verbunden. Die bekommt automatisch den Standort übermittelt und kann Rettungskräfte gezielt losschicken, selbst wenn der Anrufer nicht genau weiß, wo er sich befindet oder es Sprachbarrieren gibt.

Die Anlage ist die erste auf Bensheimer Gemarkung und die sechste im Kreis Bergstraße. Zwei stehen am Bruchsee in Heppenheim, eine in Biblis am Rhein sowie am Gemeindesee, eine in Wald-Michelbach. Die dortige Säule befindet sich an einem Steinbruch-See, der ebenfalls Wildschwimmer anlockt – und in dem es kürzlich zu einem Zwischenfall kam. Über den kurzen Draht konnte Hilfe geholt und der Patient gerettet werden. Weitere Standorte in Bensheim und im Kreis habe man im Blick, so Wagenknecht und Denner.

Thomas Rech, der das Projekt am Niederwaldsee maßgeblich vorangetrieben hat, bedankte sich bei der Stadt für die unkomplizierte Zusammenarbeit und den konstruktiven Austausch. Schließlich sei es auch darum gegangen, Bedenken auszuräumen: Verleitet eine solche Säule nicht vielmehr dazu, ins Wasser zu gehen? Und könnte es nicht verstärkt zum Missbrauch des Notrufs kommen, wenn „nur“ ein Knöpfchen zu drücken ist?

Die Sorgen konnten im Gespräch ausgeräumt werden. Auf „unter ein Prozent“ bezifferte Andreas Mihm die Fälle, in denen die Leitstelle bewusst falsch alarmiert wird. Das sei kein großes Thema. Und nach Ansicht der Experten befinde sich die der digitale Lebensretter am Niederwaldsee genau an der richtigen Stelle. Eingebaut wurde er von der DLRG selbst, „den Beton haben wir mit Seewasser angerührt“, berichtete Rech schmunzelnd.

Das Vorhaben und die Platzsuche gingen in enger Abstimmung mit dem am See ansässigen Arbeiter-Angelsportverein Bensheim über die Bühne, dem Rech für die Kooperation ebenfalls dankte. Der DLRG-Fachmann brachte bei der Einweihung seine Hoffnung zum Ausdruck, dass der Notrufknopf möglichst nie gedrückt werden müsse. „Besser haben als brauchen“, brachte er es kurz auf den Punkt.

Nicole Rauber-Jung erinnerte ebenfalls daran, dass die Säule Leben retten kann. Man sei für das Thema sensibilisiert, in den Gesprächen mit Thomas Rech hätten Bedenken abgebaut werden können. Sie dankte der Stiftung, die seit ihrer Gründung 1969 Enormes geleistet habe.

Die Notrufsäulen sind ein Baustein der außergewöhnlichen Stiftungsarbeit. Seit 2019 läuft die Zusammenarbeit mit der DLRG, im Zuge des Projekts wurden mittlerweile Hunderte an Gewässern in ganz Deutschland aufgestellt. Beim Absetzen eines Notrufs sendet die Säule ein Leuchtsignal aus und übermittelt per GPS die genaue Position. Die Sprachqualität ist sehr gut, davon konnten sich die Beteiligten am Niederwaldsee per Testanruf überzeugen. Die Funkanbindung ist über das LTE-Netz garantiert. Betrieben werden die Säulen über Solarenergie und einen Akku, auf Erdkabel kann verzichtet werden.

„Selbst wenn das Panel abgedeckt wird oder beschädigt ist, funktioniert die Säule noch zehn Tage“, erläuterte Projektmanager Mihm. Genügend Zeit für die Stiftung, um einen möglichen Schaden zu beheben, zumal die Säulen kontinuierlich überwacht und alle relevanten Daten – wie der Akkustand – übermittelt werden. „Wir können immer eingreifen, bevor das System ausfällt.“

Handy nicht immer griffbereit

Die Installation an Flüssen und Seen mache auch deshalb Sinn, weil man beim Baden nicht immer das Handy greifbar habe, um die 112 zu wählen, sollte es einen Notfall geben, so Mihm und Rech. 6900 Euro kostet eine Notrufsäule, sollten sich keine lokalen Sponsoren finden, wird der Betrag von der Stiftung gezahlt. Die jährlichen Betriebskosten belaufen sich auf 500 Euro, die ebenfalls von der Björn-Steiger-Stiftung übernommen werden.

In Österreich und der Schweiz

Nach Auskunft von Andreas Mihm besteht Interesse an den Notrufsäulen mittlerweile über die Landesgrenzen hinaus. In Österreich und der Schweiz stehen bereits einige Exemplare – teilweise eingezäunt zum Schutz vor Kühen – in der Nähe von Bergseen, mitunter versehen mit Hochleistungsantennen. Solche verstärkenden Maßnahmen waren am Niederwaldsee nicht notwendig. Notwendig aus Sicht von Stadtbrandinspektor Jens-Peter Karn ist der „Alarmknopf“ aber auf jeden Fall. Er blickte beim Ortstermin kurz auf einen größeren Einsatz im vergangenen Jahr zurück, bei dem eine Person unterging und nicht wiederbelebt werden konnte. Erschwerend hinzu kam, dass die Angehörigen der Leitstelle nur sehr schwer verständlich machen konnten, wo sich das Unglück ereignet hatte.

Solche Barrieren wird es nun dank des Engagements von Stiftung und DLRG sowie die Kooperation mit der Rathausspitze um Bürgermeisterin Christine Klein künftig nicht mehr geben, sollte der Ernstfall eintreten – von dem alle hoffen, dass er niemals eintreten wird. „Wir können nur immer wieder davor warnen, hier und in anderen Seen, in denen das Baden untersagt ist, ins Wasser zu gehen“, konstatierte Thomas Rech – in dem Wissen, dass die Rettungskräfte auch in diesem Sommer wieder an Flüssen und Seen gefordert sein werden.

Ein furchbares Ereignis führte zur Gründung der Björn-Steiger-Stiftung

Ihre Motivation zog das Gründerehepaar aus einem furchtbaren Ereignis, welches Ute und Siegfried Steiger im Jahre 1969 widerfuhr: Sie verloren ihren achtjährigen Sohn Björn bei einem Verkehrsunfall und mussten feststellen, dass es zu der Zeit in Deutschland noch keinen flächendeckenden Rettungsdienst gab.

Björn Steiger starb nicht an seinen Verletzungen, sondern an dem Schock, den er durch den Unfall erlitten hatte – weil der Rettungswagen zu lange brauchte, um ihn zu finden.

Im Frühjahr 1973 führt die 1969 gegründete Stiftung die Notrufnummer 110/112 in allen Ortsnetzen der Deutschen Bundespost im damaligen Regierungsbezirk Nordwürttemberg ein. Als die bundesweite Einführung scheitert, verklagt sie am 27. Juli 1973 das Land Baden-Württemberg und die Bundesrepublik Deutschland vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart auf Einführung der Notrufnummer. Die Klage wird am 3. September 1973 erwartungsgemäß abgelehnt, führt aber zu einer breiten Unterstützung durch die Öffentlichkeit.

Am 20. September 1973 wird die Einführung des Notrufs dann auf der Sitzung der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler beschlossen.

1972 kümmerte sich die Stiftung bereits um den Aufbau und die Finanzierung der ersten zivilen Luftrettungsorganisation in Deutschland: der Deutschen Rettungsflugwacht (DRF). Heute ist die ehemalige Tochter der Björn-Steiger-Stiftung eine eigenständige Organisation, die seit ihrer Gründung mehr als 700 000 Einsätze geflogen ist.

Babynotarztwagen, Initiativen gegen den plötzlichen Herztod (Automatisierte externe Defibrillatoren) und viele weitere lebensrettende Aktionen und Vorhaben kennzeichnen die Stiftungsgeschichte in den vergangenen mehr als 50 Jahren.

Nach Angaben von Projektmanager Andreas Mihm beschäftigt die Stiftung heute rund 100 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter. dr/red

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