Bensheim. 2024 war geprägt von der Fortsetzung der Kriege in der Ukraine, in Israel und Gaza. In Deutschland zerbrach nach der gescheiterten Vertrauensfrage von Bundeskanzler Scholz die Ampelregierung, während sich die Weltgemeinschaft endgültig von dem Ziel, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen, verabschiedet hat. Im bisher heißesten Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen zeigten Flutkatastrophen, unter anderem im spanischen Valencia und der Bensheimer Partnerstadt Klodzko in Polen, ihre Zerstörungskraft.
Und doch keimt zum Ende eines jeden Jahres die Hoffnung: es wird aufwärtsgehen. 2025 ist nun knapp zwei Wochen alt. Los Angeles steht in Flammen, im Nachbarland Österreich verhandeln die in Teilen rechtsextreme FPÖ und die konservative ÖVP über eine mögliche Koalition. In puncto gute Nachrichten ist im neuen Jahr also durchaus Luft nach oben.
Auch im Lokalen: Auf Zahlen ging Bürgermeisterin Christine Klein beim traditionellen Neujahrsempfang im Bensheimer Bürgerhaus nicht ein – das Haushaltsdefizit, das Mitte 2024 bekanntwurde, ist nach wie vor in aller Munde. Ebenso die Forderungen danach, schnelle und möglichst sozialverträgliche Lösungen zur Konsolidierung des Haushaltes zu finden.
„Wir alle müssen uns auf Veränderungen einstellen – lokal, regional und global. Um diese Herausforderung meistern zu können braucht es Kreativität, Kompromiss- und Verhandlungsbereitschaft auf allen Ebenen“, betonte die Rathauschefin am Sonntag.
Das neue Jahr bezeichnete Klein als Schicksalsjahr für Europa. Unter der Präsidentschaft von Donald Trump, die er am 20. Januar antreten wird, müsse man sich fragen, ob die USA weiter an der Seite Europas stehen, oder ob Trumps Kurs „America First“ die transatlantischen Beziehungen nachhaltig schädigen wird. Das könne wiederum jenen Mächten, die die westliche Weltordnung ablehnen, in die Hände spielen.
Die globalen Entwicklungen wirken sich spürbar auf die Kommunen aus, so Klein. „Wir müssen uns verstärkt gegen Cyberangriffe und Falschnachrichten wappnen. Antidemokratische Kräfte versuchen, unser Vertrauen in die Demokratie zu untergraben.“ In diesem Zusammenhang appellierte die Bürgermeisterin an die Zuhörerinnen und Zuhörer, am 23. Februar ihr Privileg zu nutzen, und ihre Stimme bei der vorgezogenen Bundestagswahl abzugeben. „Wir brauchen stabile Strukturen, die fähig sind, Kompromisse zu finden – und auszuhalten.“
Ziel bleibt die Konsolidierung des Haushaltes in zehn Jahren
Diese Stabilität ist im neuen Jahr besonders in Bensheim gefordert: Denn bald beginnen nicht nur die Beratungen zum Etat 2025, sondern auch die Verhandlungen zum neuen Hebesatz der Grundsteuer B. Diesen möchte die Stadtverordnetenversammlung erst dann festlegen, wenn Magistrat und Verwaltung weitere Einsparpotenziale vorgelegt haben (wir haben berichtet).
Klein versicherte in ihrer Rede, alles zu tun, um Bensheim aus der Krise zu führen. Weitere Einsparmöglichkeiten sollen herausgearbeitet, die Verwaltung auf ihre Effektivität hin geprüft werden. Am 21. Januar stehe ein Termin mit der Hessischen Kommunalberatung an, erklärte Klein.
Ihr Ziel ist es weiterhin, die Aufsichtsbehörden davon zu überzeugen, die Haushaltskonsolidierung auf zehn Jahre statt der vorgegebenen fünf zu strecken. Was für die Bevölkerung – auch mit Blick auf den finalen Grundsteuerhebesatz – weitaus verträglicher wäre. „Wir müssen die Zwänge verdeutlichen, unter denen die Kommunen im ganzen Land stehen.“ Nicht nur in Bensheim befinde man sich in einer dauerhaften Schieflage kommunaler Finanzen: So teilten Land und Bund den Städten und Gemeinden immer weitere Aufgaben zu, mehr Geld stünde ihnen allerdings nicht zur Verfügung. „Das kann so nicht weiter gehen“, kritisierte die Bürgermeisterin.
Die Jahreslosung für Bensheim im Jahr 2025 lautet „sparen, sparen und nochmals sparen“ – allerdings ohne das vielfältige Portfolio der Stadt massiv zu beschneiden. „Wir müssen unsere Leistungsfähigkeit aufrechterhalten und prüfen, ob unsere Verwaltungsstrukturen noch zeitgemäß sind.“ In Bensheim habe man es sich lange gut gehen lassen. Vorerst kann es so allerdings nicht weitergehen, betonte Klein. Besonders dankbar zeigte sie sich in diesen schweren Zeiten gegenüber den ehrenamtlichen Mitgliedern des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung, ebenso wie den Bürgerinnen und Bürgern, die das Leben in Bensheim aktiv mitgestalten.
Als ein hoffnungstiftendes Projekt, an dem sich die Stadt ein Beispiel nehmen könne, nannte sie die Wiedereröffnung des Sparkassen-Hauptsitzes in der Innenstadt. „Dort ist es gelungen, bodenständig und innovativ einen wichtigen Wirtschaftsfaktor für Bensheim aufrechtzuerhalten. Und das weitaus günstiger, als ursprünglich gedacht.“
Viel Lob für die ehrenamtlich Engagierten in Bensheim
Zuversichtlich zeigte sich auch Stadtverordnetensteherin Christine Deppert. „Lichtblicke sind derzeit rar. Trotzdem hat vor allem das vergangene Jahr gezeigt, dass Bensheim für Vielfalt und die Demokratie steht, für Offenheit und Miteinander.“
Die Stadt bilde eine Gemeinschaft, die bereit sei, Verantwortung zu übernehmen. Bei allen schlechten Nachrichten sei Bensheim weiterhin ein attraktiver Standort. Das hätten sowohl die Wiedereröffnung der Sparkasse als auch der Umzug von Sanner in den Stubenwald gezeigt.
„Bensheim ist widerstandsfähig und kann ein Ort bleiben, auf den alle stolz sind.“ Dazu tragen in ihren Augen maßgeblich die vielen Ehrenamtlichen in den Vereinen, der Stadtpolitik und weiteren Institutionen bei. „Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag für die Stadt. Lassen Sie uns gemeinsam dort anpacken, wo es nötig ist und dort feiern, wo es angemessen ist.“
Eine dieser Ehrenamtlichen ist Doris Walter, die Fraa vun Bensem. Sie bezeichnete Bensheim in ihrer Ansprache als Märchenstadt, über der allerdings Gewitterwolken hängen. „Es wäre doch was, wenn das Bauamt aus dem Dornröschenschlaf geweckt würde und künftig einfach alles selbst in die Hand nimmt.“
Dafür müsste man allerdings erst einen Goldesel finden. Immerhin hat Bensheim ein „tapferes Schneiderlein“ in seiner Finanzabteilung sitzen. Viele kleine Heinzelmännchen hielten außerdem das gesellschaftliche Leben am Laufen: „Unsere Vereine und Hilfskräfte sind allzeit für die Stadt bereit.“ Die Stadtverordneten mahnte die Bensemerin, zusammenzuarbeiten – und zwar ohne „Gezänkel für eine Partei“.
Wenig zielführend sei dabei die Suche nach einem Schuldigen für die aktuelle Lage. Es müsse der Stadt gelingen, neue Ideen zu finden, alles Nötige zu wagen. Bensheim müsse für junge Familien weiter erschwinglich bleiben.
Ein fester Bestandteil des Neujahrsempfangs sind die geistlichen Gedanken zum neuen Jahr, diesmal von Pfarrer Oliver Mattes von der evangelischen Kirchengemeinden Gronau/Zell und Schönberg/Wilmshausen. Er orientierte sich dabei an der kirchlichen Jahreslosung für 2025, dem 21. Vers aus dem fünften Kapitel des 1. Thessalonicherbriefes: „Prüft alles und behaltet das Gute.“
Dieser Rat könne der Stadt mit Blick auf ihre finanzielle Lage eine Perspektive und Handlungsspielraum geben. Musikalisch wurde der Neujahrsempfang von der städtischen Musikschule begleitet. Die Biedermeier-Gruppe der Heimatvereinigung Oald Bensem übernahm die Bewirtung der Gäste.
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