Bensheim. In Monarchien ist die erbliche Thronfolge klar geregelt. Im gesellschaftlichen Leben, wo Hoheiten nur noch ehrenamtlich repräsentieren, spielen andere Voraussetzungen eine Rolle. Sei es die fachliche und ideelle Verbundenheit zum deutschen Wein, wie bei der Weinkönigin, oder die Verbundenheit zur Region beziehungsweise Gemeinde, wie die Gurkenkönigin, die an die einstige Gurkenmetropole Biblis erinnert.
In aller Regel folgen dies Hoheiten einer langjährigen Tradition, und das ist auch bei der Bensheimer Blütenkönigin der Fall. Sie wurde erstmals 1948 zum ersten Winzerfestumzug nach dem Krieg gewählt und von Anfang an immer durch den Automobilclub Bensheim (AC) ernannt.
In den vergangenen 75 Jahren kam der Verein somit auf eine stattliche Zahl von 73 Hoheiten, da in den Pandemiejahren 2021/22 mangels Festveranstaltungen auch keine Blütenkönigin gewählt wurde und die in diesem Jahr anstehende Ernennung der 75. Hoheit nicht mehr durch den Automobilclub, sondern durch die Heimatvereinigung Oald Bensem erfolgte.
Reiner Motorsportverein
Für den Automobilclub passte das nicht mehr zusammen, wie dessen Vorsitzender Matthias Forstbach am Sonntagvormittag bei der Ernennung der neuen Blütenkönigin Charlotte Maschik im Hof des Walderdorffer Hofs feststellte. Zum einen verstehe sich der AC heute als reiner Motorsportverein, der zudem wegen eigener Motorsportveranstaltungen die Blütenkönigin selten bis gar nicht bei ihren Repräsentationsaufgaben begleiten konnte.
In den Anfangsjahren, als die über und über mit Blüten „eingekleideten“ Autos fester Bestandteil der Winzerfestumzüge waren, sei dies noch anders gewesen. Daher hatte sich der Verein entschieden, die Ernennung der Blütenkönigin abzugeben und hatte bei der Stadt Bensheim wegen eines Nachfolgevereins nachgefragt, der näher am Thema ist.
Schneller als gedacht war dieser mit der Heimatvereinigung Oald Bensem gefunden. Übereinstimmend waren sowohl Bürgermeisterin Christine Klein als auch Vorsitzender Heinz Walter der Meinung, dass die Blütenkönigin zur Heimatvereinigung „perfekt passt“, zumal Tradition auf vielfältige Art und Weise „vom Verein gelebt“ werde, so die Bürgermeisterin.
Mit der neuen Blütenkönigin Charlotte Maschik zeigt sich die Tradition aber nicht nur bei der Stadt der Blüten und des Weins, sondern auch mit einer gewissen Familientradition. Denn Charlotte Maschik ist inzwischen die vierte Blütenkönigin aus dem Haus Sturm-Ganz und wird mit der Krönung zur Bürgerfest-Eröffnung am 15. Juni direkt ihrer Cousine Gina Steinbrenner nachfolgen, die im vergangenen Jahr wie jetzt ihre Cousine mit 21 Jahren die Krone der Blütenkönigin in Empfang nahm.
Ein reibungsloserer Amtswechsel wird durch diese familiäre Beziehung auf jeden Fall möglich sein, denn im vergangenen Jahr konnte Charlotte Maschik durch die Aktivitäten ihrer Cousine schon einige Erfahrung und Kenntnisse sammeln.
Mit Erfahrungen können auch die jeweiligen Mütter dienen, denn Tatjana Sturm (heute Steinbrenner) amtierte 1990/91 und ihre Schwester Katjuscha (heute Maschik) 1992/93 als Blütenkönigin. Anders als bei ihren Töchtern war bei ihnen noch eine Amtszeit durch Blütenkönigin Sybille Hahn dazwischen.
„Eine tolle Erfahrung“
Für Gina Steinbrenner, die noch am vergangenen Samstag beim Weintreff im Bürgerhaus zur Eröffnung des Bergsträßer Weinfrühlings im Einsatz war, war die Amtszeit eine „tolle Erfahrung mit vielen neuen Erkenntnissen und Kontakten“. Darauf freut sich jetzt auch „Charlotte I.“, wenn sie im Juni von ihrer Cousine die Krone übernimmt, die vor 75 Jahren von dem kürzlich verstorbenen Bensheimer Goldschmiedemeister Fritz Dorsheimer gestaltet wurde.
Seitens der Heimatvereinigung hofft man, dass dessen Sohn Ralf Dorsheimer neben der beruflichen Nachfolge auch diese „hoheitliche“ Aufgabe, wie die Anpassung der Krone, von seinem Vater übernimmt. Neben Doris Walter als Fraa vun Bensem, die schöne Blumensträuße für die aktuelle und die künftige Blütenkönigin besorgt hatte, war am Sonntag auch Thomas Herborn, geschäftsführender Vorsitzender des Verkehrsvereins, vertreten. Als Veranstalter des Bürgerfestes, bei dessen Eröffnung die Krönung der Blütenkönigin fester Bestandteil ist, zeigte auch er sich hocherfreut, über diese reibungslose Amtsübergabe der Vereine und die auch für ihn gefundene ideale Lösung.
Auch der Ehrenvorsitzende der Heimatvereinigung Werner Rödel, Kommandant Torsten Merk sowie weitere Mitglieder der Bürgerwehr und der Biedermeiergruppe waren vor Ort, denn Oald Bensem hatte am Sonntag noch eine andere Aufgabe zu bewältigen. Der Verein fuhr anlässlich des Ortsjubiläums 1250 Jahre Neckarhausen nach Edingen-Neckarhausen und nahm dort am Jubiläumsfestzug teil.
Für den Bensheimer Automobilclub kam die Abgabe der Blütenkönigin-Ernennung zum richtigen Zeitpunkt. 2026 feiert der Verein sein 100-jähriges Bestehen. Das soll würdig gefeiert werden, so Matthias Forstbach, der seit 2016 an der Spitze des AC steht und sich jetzt um die Vorbereitung und Organisation des Jubiläums kümmern muss. Die organisatorischen Arbeiten sowie die Betreuung der Blütenkönigin lag in den vergangenen Jahren in den Händen von Ehefrau Beate Forstbach, der diese Zeit „großen Spaß“ bereitet hatte, auch wenn sie angesichts neuer beruflicher Aufgaben über die Entlastung erleichtert ist.
Davon kann bei Oald Bensem keine Rede sein, denn seit vergangenem Oktober ist der Verein mit einer neuen Großaufgabe beschäftigt. Nach dem erfolgreichen Ankauf des Walderdorffes Hofs vor Jahren als Vereinssitz wurde jetzt auch die alte frühere Scheune, die im Innenhof an der alten Stadtmauer angesiedelt ist, angekauft und wird mit hohem finanziellen Aufwand in einen erhaltenswerten Zustand versetzt.
Das alte Fachwerkgebäude drohte einzustürzen und um den Verkauf an einen Investor, der sicherlich das Ende des historischen Gebäudes bedeutet hätte, zu verhindern, folgte der Verein seinem Wahlspruch „Altes erhalten, Neues gestalten“.
Mit dem Winzerfest im September soll der erste Teil des Projektes abgeschlossen sein und hier sollen nicht nur Proben- und Lagerräume für Oald Bensem entstehen, sondern auch Nutzungsmöglichkeiten für Vereine angeboten werden.
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