Auerbach. Hessens Katastrophenschutz wird aufgestockt. Die News aus dem hessischen Innenministerium bezogen sich auf die Bereitstellung von Fahrzeugen und Geräten. Auslöser war die Hochwasserkatastrophe in Bayern und Baden-Württemberg. Dass Einsätze ohne gut ausgebildete Menschen unmöglich sind, zeigte sich zur gleichen Stunde in Auerbach.
Bereits um kurz nach zehn Uhr begann bei der Firma Sanner eine Großübung der Nachwuchs-Hilfsorganisationen aus dem gesamten Bensheimer Stadtgebiet und darüber hinaus. 120 Jugendliche trafen sich zu einer konzertierten Aktion auf dem Betriebsgelände, wo sie an fünf Abschnitten spezielle Rettungstechniken, effiziente Brandeinsätze und die schnelle gesundheitliche Versorgung von Verletzten trainiert haben.
Viele Zuschauer beobachten den fiktiven Großeinatz
Insgesamt waren acht Jugendfeuerwehren und 21 Fahrzeuge vor Ort. Begleitet wurde die Übung vom Jugend-Rotkreuz, dem Technischen Hilfswerk THW sowie der DLRG Bensheim und Heppenheim. Die Anwohner rund um die Schillerstraße wurden vorab über den fiktiven Großeinsatz informiert. Etliche Zuschauer fanden sich ein, um die jungen Leute zu beobachten, die sie unter nahezu realistischen Bedingungen zielgerichtet und koordiniert vorgehen. Die Hilfsorganisationen hatten ausdrücklich eingeladen, die Aktion zu verfolgen.
Das Szenario war komplex: neben einer klassischen Brandbekämpfung wurde auch die Suche und Rettung von vier vermissten Personen nachgestellt, die sich im Kellerraum des Logistiklagers befanden. Erschwerend kam hinzu, dass die Einsatzstelle durch Nebelmaschinen sehr schwer einsehbar war. Auch für die jungen Teams vom Roten Kreuz war dies eine besondere Herausforderung. Sie mussten die Verletzen vor Ort erstversorgen und einen sicheren Transport zu den Rettungsfahrzeugen organisieren. Und das alles möglichst schnell.
Gleichzeitig wurde im Norden des Sanner-Areals an Tor 1 die Löschwasserversorgung koordiniert, bei der auch das THW eine wichtige Rolle gespielt hat: durch den Aufbau eines Wasserbehälters als Puffer-Speicher, der vom nahen Ziegelbach gespeist wurde, verfügte die Jugendfeuerwehr über ausreichend Nachschub. Immerhin dauerte der Einsatz rund zwei Stunden. Das Wetter war ideal, doch einigen Akteuren wurde es sehr schnell sehr warm. Auf einen echten Chemikalienschutzanzug (CSA) konnten die Kids zum Glück verzichten. Aber auch unter den dünneren Overalls war es recht kuschelig.
Normalerweise wäre bei Gefahrguteinsätzen eine spezielle Schutzausrüstung unverzichtbar, weil sie den Träger komplett von der Umgebung isoliert, so dass er in radiologisch, chemisch oder bakteriologisch kontaminierter Umgebung arbeiten kann. In Auerbach wurde eine gewöhnliche Flüssigkeit durch Lebensmittelfarbe „vergiftet“ – sah toxisch aus, war aber harmlos.
Zwei Jugendliche haben den Gefahrgutbehälter mit Wasser gekühlt, während zwei Verletzte, die am Boden lagen, abtransportiert und medizinisch gecheckt wurden. Alles lief Hand in Hand. „Wir ergänzen uns gut“, kommentierte Selina Öhlenschläger, die in Langwaden schon einige Jahre die Kinderfeuerwehr leitet und jetzt als stellvertretende Vorsitzende in der Spitze der Bensheimer Jugendwehr aktiv ist.
Für viele Bensheimer Jugendliche erster Einsatz dieser Art
Gemeinsam mit dem ebenfalls im Jugendbereich sehr erfahrenen Andreas Ehrhardt – am Samstag auch Gesamteinsatzleiter – verfüge die Nachwuchsabteilung jetzt einer personellen Veränderung wieder über ein hervorragendes Leitungsteam, so Stadtbrandinspektor Jens-Peter Karn. Mit ihm waren auch seine Stellvertreter Thomas Strößinger und Jürgen Ritz auf dem weitläufigen Sanner-Gelände unterwegs – und am Ende sehr zufrieden mit der Gesamtleistung der Einsatzkräfte. Für viele von ihnen war es die erste Trainingseinheit in diesen Dimensionen. Die letzte Großübung für die Jugend-Abteilungen ist acht Jahre her.
Dabei war der Einsatzort alles andere als neu: bereits 1981 fand an gleicher Stelle eine ähnliche Übung statt, wie Stadtrat Ralph Stühling mitteilte. Der Auerbacher war 36 Jahre lang Berufsfeuerwehrmann, davon 30 Jahre Kreisbrandinspektor. Neben Bürgermeisterin Christine Klein schaute auch Hans-Willem van Vliet, CEO der Sanner Gruppe, den jungen Akteuren zu und informierte sich über die Aufgaben, die sie bewältigen sollten.
Es war zwar nicht die erste, aber definitiv die letzte Übung dort: ab September wird die Fertigung sukzessive in den neuen Produktions- und Entwicklungsstandort im Bensheimer Gewerbegebiet Stubenwald verlagert, wo künftig die Entwicklung von Pharma- und Medizintechnikprodukten sowie den Prototypenbau stattfinden werden. „Wir sind im Zeitplan“, so der Chef. Bis Anfang 2025 soll die räumliche Verlagerung über die Bühne gegangen sein.
Reales Szenario mit allem, was dazugehört
Für die Übung in Auerbach wurde vom Unternehmen aber nur wenig aus dem Weg geräumt. Die Jugendlichen erlebte ein reales Szenario mit allem, was dazugehört. Es war kein Training in einem toten Gebäudeskelett, sondern in nach wie vor genutzten Betriebs- und Lagerbereichen. „Anstrengend, auch wenn man viel steht“, so der noch sehr junge Jonathan, der an Tor 1 nahe der Gefahrgutstelle seinen Job erledigt hat.
Währenddessen, gegen 10:45 Uhr, traf die neue Drehleiter der Bensheimer Feuerwehr ein, die seit Anfang des Jahres im Einsatz ist. Sie parkte zunächst im zentralen Innenhof des Areals, um sich den betroffenen Gebäuden von der anderen Seite zu nähern. Ein technisch vollgepackter Koloss mit einer Gesamtlänge inklusive Knickgelenk bei vollständig vertikaler Ausrichtung von rund 30 Metern. Der Rettungskorb bietet bis zu fünf Personen Platz, darüber hinaus ist ein automatischer Wasserwerfer installiert. Auch mehrere Kameras und ein Beleuchtungssystem gehören zur Ausstattung des Geräts, mit dem die Wehr ihren Fuhrpark erheblich modernisiert hat. Der Vorgänger stammte aus dem Jahr 1996 und war reif für einen Nachfolger.
Auch gute Kosmetik gehört zu einer Großübung dazu
Ein schockierendes Bild offenbarte sich im DRK-Fahrzeug: die Hand eines verletzten Kindes war von einem riesigen Nagel durchbohrt. Doch Bereitschaftsleiter und erster Zugführer Sebastian Engelbrecht lächelte zufrieden. Auch eine gute Kosmetik der Opfer-Darsteller gehört zur Simulation. In diesem Fall täuschend echt.
Auch der Durchbohrte selbst war von der Simulation sichtlich beeindruckt. Fotos der gespickten Hand waren daher ausdrücklich erwünscht.
Am Ende waren alle „Wunden“ flott verheilt, und die komplette Einsatzriege posierte für ein Gruppenbild vor dem Sanner-Komplex. Auch hier erwies sich die Drehleiter als ideale Plattform für perspektivisch reizvolle Aufnahmen aus der Höhe. Sobald die Motive im Kasten waren wurde ein anderer Notfall erledigt: der Hunger. Ein spätes Frühstück wurde „open-air“ auf dem Betriebsgelände serviert.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-nachwuchs-von-feuerwehr-rotkreuz-und-co-ist-gut-geruestet-fuer-den-ernstfall-_arid,2214262.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim.html
[2] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/heppenheim.html