Sankt Laurentius - Theologin stellte Biografien von bedeutenden Frauen vor / Raum für Meditation und Nachdenklichkeit

Mystische Zeichen im Alltag entdecken

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BENSHEIM. Im Pfarrzentrum Sankt Laurentius trafen sich am Samstag Frauen vom Pfarreienverbund Bensheim und zwei vom Frauenbund Heppenheim. Ursel Karner und Gabriele Schaider von der Frauengemeinschaft Sankt Laurentius hatten als Referentin die Diplomtheologin Kordula Müller-Hesse aus Rüsselsheim auf Vermittlung des Bistums Mainz eingeladen.

Sie stellte sich humorvoll als "mit 57 erwerbsunfähig verrentet" vor und freute sich auf diesen Wiedereinstieg in ihr Referentinnen-Dasein auf Honorarbasis. Zuletzt hatte sie nach Jahren im Bistum Limburg 14 Jahre als Frauenreferentin in Frankfurt gearbeitet und dabei Erfahrung in der Gemeindearbeit erworben. Und das merkten die Teilnehmerinnen ihr an.

Der Nachmittag verlief nicht nur auf einem intellektuell hohen Niveau mit gut strukturierten Informationen, sondern ließ Raum für Stille, Nachdenklichkeit und Meditation. Und so begann der Tag mit einer kleinen Andacht, in der die Frauen das Lied "Fließe, gutes Gotteslicht, in den Urgrund meines Ichs" sangen.

Müller-Hesse definierte "Mystik" als "Erfahrung der Nähe Gottes, die Kraft gibt, den Alltag zu gestalten". Zu ihrer Aussage, dass Mystik mehrdimensional sei, passte die grandiose Ausschmückung des Fußbodens mit Tüchern, die farblich die vier Elemente vermuten ließen, und mit allerlei Gegenständen religiöser und profaner Aussage bestückt waren.

Zum Verständnis für eine mystische Erfahrung wies Müller-Hesse auf die Wandlung des Apostels Paulus hin. Im Kleinen wie im Großen seien mystische Zeichen in vielen Dimensionen erlebbar. Das sollten die Teilnehmerinnen mit einer Stillübung ausprobieren.

Drei Frauen mit mystischen Erfahrungen, jede auf ihre Art kompromisslos und selbstbewusst, kamen zur Vorstellung: Hildegard von Bingen, die Begine Mechthild von Magdeburg und Simone Weil.

Der jeweiligen Biografie, die an sich schon interessant war, sowie einer Einbettung in Geschichte und Zeitläufte der verschiedenen Jahrhunderte folgte eine Schau ins Innenleben dieser Mystikerinnen. Jede dieser Frauen erhielt nach eigenen Aussagen den Auftrag von Gott, ihre Gedanken schriftlich darzulegen.

Da klingt es selbstverständlich, dass Hildegard von Bingen mit 43 Jahren ihre Visionen niederschreiben muss. Sie ist dem Leben zugetan. Müller-Hesse gibt davon eine Probe, indem sie "Nervenkekse" nach einem Rezept Hildegard von Bingens herumreicht.

Dem Schreiben verpflichtet fühlt sich auch Mechthild von Magdeburg. Vermutlich auf einer Burg geboren, wo sie den Minnesang kennenlernte, geht sie "in die Fremde" nach Magdeburg und lebt in einer Arbeitsgemeinschaft von Frauen, wie sie im 13. Jahrhundert in den großen Städten sich zahlreich auftun. Mechthilds Hauptaspekt ist die Minne zu Gott als Verhältnis der Seele zur Trinität. Vier ihrer Gedichte - Kritik am Papst, Minnelied an Gott, Gebetstext und eine Mystiktheorie - werden unter die Frauen verteilt und in Gruppen auf die Frage "Was an diesem Text kann mich für mein alltägliches Leben inspirieren?" untersucht.

Simone Weil, wohl die interessanteste der Mystikerinnen dieses Tages, gilt als eine der bedeutendsten modernen Philosophen. Gut bürgerlich geboren, richtet sie sich durch ihre Ideale der Solidarität selbst zugrunde und stirbt 1943 34-jährig in England an Hunger und Tuberkulose. Ihre theologischen Gedanken überschreiten das Allgemeingut ihrer Zeit.

Sie kommt zu dem Schluss, dass der Mensch Verwurzelung, Tradition und Eigentum braucht. Sie vertritt die Theorie des "hoffenden Erwartens" Gott gegenüber aufgrund ihrer mystischen Gotteserfahrung in einer kleinen Kapelle, in der Franz von Assisi schon gebetet habe.

Diese Aufmerksamkeit Gott gegenüber sollten die Teilnehmerinnen zu erfahren suchen, indem sie über einen selbstgewählten Gegenstand meditierten. Maria Blächer

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