Bensheim. Alle Jahre wieder! Kommt nicht nur das Christkind, sondern auch die Simon & Garfunkel Revival Band ins Musiktheater Rex in Bensheim.
Die beiden Konzerte am Dienstag und Mittwoch waren auch diesmal gut besucht, was ein Stück weit auch das klangliche Gespür der kleinen Formation spiegelt, mit der Michael Frank und Guido Reuter das musikalische Erbe des amerikanischen Folk-Rock-Duos verwalten: mit hoher Sensibilität, eindrucksvoller Präzision und instrumentaler Klasse präsentieren die beiden Sänger aus Thüringen die oftmals zerbrechlichen Werke in einem authentischen, aber auch persönlich gefärbten Sound.
Respektvolle Verneigung
Selbst brutal fragile Arrangements wie „Sound of Silence“ und das barocke „Scarborough Fair“ überleben die moderne Umsetzung auf der Live-Bühne ohne Kratzer und Verluste. Das liegt wohl daran, dass sich die Band vor den bewunderten Vorbildern respektvoll verneigt, anstatt sich in billiger Nachahmung und karnevalistischer Lookalike-Manier oberflächlich anzubiedern.
Umso genussvoller ist das Konzert auch für die Kenner des originalen Oeuvres, das nach einer längeren Zusammenarbeit seit Mitte der 50er Jahre ab 1964 erste Erfolge feierte und sich bereits 1970 wieder getrennt hatte. Die kurze Wiedervereinigung im September 1981 beim berühmten Konzert im Central Park- gegen dessen Schließung – hat sich auch vielen Nachgeborenen im akustisch-visuellen Gedächtnis eingebrannt.
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„Homeward Bound“ war damals der zweite Titel – im Rex wurde mit dem Song der Dienstagabend unter dem Applaus des Publikums eröffnet. Ein feines Intro, bei dem Michael Frank seinen Part des Songwriters Paul Simon mit maximaler Hingabe ausgefüllt hat.
Leider war seine Stimme grippal noch etwas angeschlagen, was insbesondere bei den hellen und druckvollen Passagen leichte Abstriche bedeutet hat. Den positiven Gesamteindruck konnte das aber nicht schmälern. Immer wieder glänzte Frank mit seinem Partner durch wunderbar zweistimmigen Gesang voller Harmonie, melodischer Fülle und kristallener Klangschönheit. Mit dem Keyboarder, Gitarrist und Bassist Sebastian Fritzlar und Drummer Ingo Kaiser war das Quartett in jeder Hinsicht komplett.
Vortrefflich in Szene gesetzt
Auch die Begleitung überzeugte mit einem tiefen Verständnis für die überwiegend delikaten Kompositionen, die von einer pointierten und schlanken instrumentalen Kulisse nicht verschlungen, sondern vortrefflich in Szene gesetzt wurden.
Beispielhaft gelang dies beim peruanisch verwurzelten „El cóndor pasa (If I Could)“, das von Guido Reuter an der Flöte begleitet wurde, während er bei „The Boxer“, einem der letzten großen Werke des Duos, an der Violine für zusätzliche Klangfarben sorgte. Die eindrucksvolle Klangkultur der Formation offenbarte sich in Bensheim auch bei Stücken wie dem sehnsüchtig glimmenden „America“ und dem Filmsong „Mrs. Robinson“, aber auch mit weniger populären Songs wie „Leaves That Are Green“ konnten das Erfurter Gespann im Rex überzeugen.
Mit „Duncan“ von Paul Simons 1972er Solo-Album, „50 Ways To Leave Your Lover“ mit einem blitzsauberen Schlagzeuggroove à la Steve Gadd und längeren Soli der Begleiter sowie dem wummernden „Cecilia“, bei dem Ingo Kaiser für eine stürmische Percussions-Kulisse sorgte, hatte das Konzert noch weitere Klassiker zu bieten.
In seinen besten Momenten bot das Gastspiel eine gelungene Fusion aus klar konturierten Vokalparts, stimmigem Harmoniegesang und diffizilen Gitarrenklängen, die sofort ins Ohr gingen wie bei „I Am A Rock“ oder „Slip Slidin’ Away“.
In der zweiten Hälfte erlebte das Publikum einige trotz schlanker Besetzung sehr authentisch interpretierte Titel von Simons afrikanisch gefärbtem „Graceland“-Album“ („You Can Call Me Al“, „Diamonds On The Soles Of Her Shoes“) sowie eine Auswahl aus dem ebenfalls cross-kulturellen „The Rhythm of the Saints“: Das achte Studioalbum aus dem Jahr 1990 ist vor allem von lateinamerikanischen Sounds geprägt.
„The Obvious Child“ konnte auch in reduzierter Personalstärke ohne das zehnköpfige brasilianische Perkussions-Kollektiv Olodum aus Bahia vom Originalalbum aus dem Jahr 1990 reüssieren. Im Verlauf des Abends werden aber auch die weniger folkigen Anfänge des Duos zitiert: Vorbilder im Genre Rock’n’Roll kommen in Songs wie „Hazy Shade Of Winter“ und „Bye Bye Love“ zum Tragen.
Unterm Strich eine bemerkenswerte Hommage mit einem starken, plastischen und sehr feinnervigen Sound. Klanglich mit viel Raffinesse inszeniert und konsequent an den Originalen angelehnt, ohne in steifem Perfektionismus verspannt zu versaufen. Gesanglich trifft das Duo fast immer den richtigen Ton, der viele eigene Färbungen offenbart und durch die ironischen Kommentare Franks eine gesunde Distanz zu den Vorbildern wahrt.
Bestes Entertainment und musikalische Feinkost mit viel Spielfreude und Hingabe für sehnsüchtige Retro-Momente zwischen den Jahren.
Langer Applaus im Rex mit einer – wahrscheinlich der angeschlagenen Stimme geschuldeten – etwas kürzeren Zugabe als gewohnt.
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