Bensheim. „Lasst uns noch mehr Frauen-Power zeigen!“ Mit diesem Appell der Bürgermeisterin endete die diesjährige Veranstaltung der Stadt Bensheim zum Weltfrauentag am 8. März, bei der der PiPaPo-Keller am Mittwochabend sehr, sehr voll war. Christine Klein wies darauf hin, dass in Hinblick auf die Frauenrechte zwar schon sehr viel erreicht sei, doch bleibe nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt noch viel zu tun – Stichwort: Iran.
Die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Marion Vatter hatte zur Feier des Tages „Die Acht Ohren“ eingeladen. Das Trio aus dem Raum Mittelhessen gestaltete mit der Frankfurter Sprecherin und Schauspielerin Ursula Illert, die auch für Textauswahl und Dramaturgie zuständig war, einen musikalisch-literarischen Abend unter dem Titel „Unter 12 Sternen – Musik und Texte von Europas Straßen und Plätzen“. Mit Julia Ballin (Saxofone, Klarinette, Geige, Gesang), Sandra Elischer (Percussion, Gesang) und Anka Hirsch (Cello, Akkordeon, Gesang) gingen drei ausgebildete Musikerinnen mit eigenen Arrangements und Kompositionen von Anka Hirsch an den Start.
Fremdes und Vertrautes
In der Kombination von Jazz, Folklore und Weltmusik fanden die Zuhörerinnen Tradition und Moderne, Fremdes und Vertrautes und sahen, dass die Unterschiede zwischen den Kulturen gar nicht mal so groß sind. Exemplarisch erzählt in der Geschichte der bulgarischen Musikethnologin Adela Peeva, die 2003 einen Dokumentarfilm über die Suche nach dem Ursprung eines Liedes aus ihrer Kindheit machte.
Die Reise führte sie in die Türkei, nach Griechenland, Albanien, Bosnien, Mazedonien und Serbien: Überall fand sie die Melodie, in höchst unterschiedlicher Verpackung. Mal erscheint sie als Liebeslied, mal als Militärmarsch, dann wieder als islamisches Kampflied und als nationalistisches Volkslied. Alle sind überzeugt, dass das Lied Teil ihrer höchst eigenen Kultur sei. Also: „Wem gehört dieses Lied?“. Die Acht Ohren haben dafür ihre eigene Erklärung: Vielleicht stamme das Lied von einer schottischen Spieluhr, die einst als Geschenk an einen Sultan des Osmanischen Reichs ging …
Das Programm war eine Reise durch Europa und reichte historisch vom antiken Mythos bis zur äußerst kleinteiligen Arbeit der EU, die sich bemüht, mit ihren vielen Verordnungen allen gleichermaßen gerecht zu werden: „In Vielfalt geeint – Utopie oder Ideal? Was ist die Realität?“
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Erzählt wurden viele kleine und große, jedenfalls amüsante Geschichten rund um Europa. Etwa von dem ehemaligen Direktor des Informations- und Pressedienstes im Europarat Paul M. G. Lévy, der die Idee für das Design der Europaflagge für sich reklamiert: Die zwölf Sterne auf blauem Grund lassen sich demnach auf den Anblick der Figur einer apokalyptischen Madonna zurückführen – Maria auf einer Mondsichel stehend, mit einem Kranz von zwölf Sternen um das Haupt.
Und wer hätte gewusst, dass die irischen Kobolde auf Bestreben einer Gruppe von Lobbyisten tatsächlich durch eine EU-Direktive geschützt sind? Wirklich nachdenklich werden konnte man bei der Erinnerung, dass die Europäische Union den Friedensnobelpreis 2012 erhalten hat, weil sie aus einem Kontinent des Krieges einen Kontinent des Friedens gemacht habe.
Viel Stimmung im Gewölbe
Dazwischen gab es natürlich immer wieder Musik, instrumental und als Lieder, die sich auf das Gesagte bezogen. Viel Stimmung ins Gewölbe brachte unter anderem die Interpretation des Songs „La vie d’ici bas“ des französischer Jazzmusikers André Minvielle, auch dank seines mitreißenden Vokalelements „Barataclau“.
Ein ausführlicher Blick galt den Themen Wein und Tanz: Die EU ist der weltgrößte Weinerzeuger – und verbraucht dabei selbst 60 Prozent der Weltproduktion. Musikalisch belegt wurde auch die erstaunliche Verwandtschaft des argentinischen Tangos mit dem finnischen. Den Schluss des Programms leitete eine der stärksten Nummern des Abends ein, mit einem sehr schön jazzigen Stück. Die Begeisterung des Publikums war groß; es gab zwei wunderbare Zugaben.
Frauen und ihre Rechte kamen im – nicht speziell auf den Abend konzipierten – Programm nicht vor. Und es war vielleicht wohltuend, den Blick nicht nur auf den eigenen Nabel zu richten, sondern auf die ganze Gesellschaft. Frauen-Power gab es am Mittwochabend jedenfalls genug: in der Größe des Publikums und auf der Bühne.
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