Pipapo-Theater

Menna Mulugeta bringt Americana ins Pipapo-Kellertheater

Im Rahmen der Americana-Reihe war die Sängerin Menna Mulugeta zu Gast und gab eine Hommage an die großen weiblichen afroamerikanischen Stimmen zum Besten und sorgte für ein volles Haus und mitreißende Emotionen.

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Eva Bambach-Horst
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Im Rahmen der Americana-Reihe trat die Sängerin Menna Mulugeta mit ihrem Programm „Von Billie bis Beyoncé“ im Pipapo-Theater auf. Begleitet wurde sie an der Harfe und am Piano von Gernot Blume. © Thomas Zelinger

Bensheim. Auch mit der jüngsten Auflage seiner Americana-Reihe bewies das Pipapo, dass es eine richtige Entscheidung war, mit dem Darmstädter Musikjournalisten Thomas Waldherr zusammenzuarbeiten, der seit zehn Jahren in der Bessunger Knabenschule eine erfolgreiche Reihe mit amerikanischer Live-Musik anbietet. Dort rief sie schon zweimal große Begeisterung hervor – am Donnerstagabend kam die Sängerin Menna Mulugeta in den Bensheimer Theaterkeller und sorgte für ein volles Haus, mitreißende Emotionen und viel Applaus.

Die 1991 in Wiesbaden geborene Sängerin überzeugte mit einer großartigen Stimme, einem breiten Repertoire an Gesangstechniken und einer umwerfenden Bühnenpräsenz, aber ebenso mit inhaltlicher Relevanz. Das Programm war eine Hommage an die großen weiblichen afroamerikanischen Stimmen im Spannungsfeld zwischen Rassismus, Frauenfeindlichkeit und dem Kampf um soziale Teilhabe, ohne die es die US-Popmusik nicht gäbe.

An die Bedrohung, die rassistische Verfolgung bis heute darstellt, erinnert

Bei der Begrüßung der Gäste erinnerte Theaterchefin Tanja Weber an den „Black History Month“, der in den Vereinigten Staaten und Kanada jedes Jahr im Februar gefeiert wird, um Leistungen, Geschichte und Kultur der afrikanischen Diaspora besonders zu würdigen.

Schon der erste Song, Nina Simones Version von „Feeling Good“, den die Sängerin wirkungsvoll a cappella hinter der Bühne begann, bevor ihr Bühnenpartner Gernot Blume am Piano mit einstieg, rief durch die äußerst facettenreiche Interpretation die Begeisterung des Publikums hervor. Es solle ein Abend sein, der bewegt, sagte Menna Mulugeta bei der Begrüßung. Die Setliste umfasste vor der Pause vor allem Stücke, die sich mit dem allgegenwärtigen Rassismus und seinen grausamen Spielarten auseinandersetzten. Auf Bessie Smith’ bluesiges „Nobody Knows You When You Are Down and Out“, aufgenommen nicht lang vor dem Börsenzusammenbruch 1929, folgte die vom Ausdruck der Wut geprägte Interpretation von Nina Simones Protestsong „Mississippi Goddamn“ aus den 1960er Jahren, der die Ermordung von Afroamerikanern zum Thema hat. Dass Menna Mulugeta neben Mississippi und Alabama auch den deutschen Tatort Hanau in die Lyrics einfügte, erinnert an die Bedrohung, die rassistische Verfolgung bis heute – und weit über die USA hinaus - darstellt.

Lieder über Sklavenhandel und Lynchmorde

Bei Tinas Turners sarkastischem Heimatsong „Nutbush City Limits“ schien sich Menna Mulugeta auf der Bühne in die temperamentvolle Queen of Rock ’n’ Roll zu verwandeln. Ungewöhnlich instrumentiert folgte Tracy Chapmans „Fast Car“ - statt Gitarre, wie die Singer-Songwriterin, spielte Gernot Blume auf der Harfe, immerhin ja auch ein Saiteninstrument, wenn auch ein sehr großes mit überrschendem Sound.

Sehr zu Herzen gehend dann Rhiannon Giddens‘ Lied „At the Purchaser’s Option“. Das Lied basiert auf einer Zeitungsanzeige aus den 1830er Jahren, in der eine versklavte Frau zum Verkauf angeboten wurde, mit der Bemerkung, dass ihr Kind „auf Wunsch des Käufers“ mitverkauft werden könne. Schien schon das an Grausamkeit kaum zu toppen, so erinnerte Menna Mulugeta, dass es noch entsetzlicher geht: Billie Holidays „Strange Fruit“ über die Lynchmorde an Schwarzen – „Black body swinging in the Southern breeze, Strange fruit hanging from the poplar trees“.

Nach der Pause ging es mit zuversichtlicheren Stücken weiter. Bei „I Am Light“ von India Arie rief nicht zuletzt Mulugetas ungeheure Stimmbeherrschung große Bewunderung hervor. Es folgten unter anderem Aretha Franklins „Natural Woman“, „Superwoman“ von Alicia Keys und Beyoncés „Independent Women“ (mit Harfe!), allesamt auch eine Beleuchtung spezifisch weiblicher Lebensumstände. Nicht zu vergessen das weniger politische, aber doch zum Thema Missbrauch gehörende „Killing me softly“ in der Version von Roberta Flack, butterweich gesungen von Menna Mulugeta.

"I will always love you" und "Respect" begeistern das Publikum in der Zugabe

Zwischen den Songs stellte die Sängerin auch die fast immer sehr bedrückenden Lebensumstände der Sängerinnen vor, aber auch den großen Einfluss, den sie auf die Bürgerrechtsbewegung und die Musikgeschichte hatten. Auch Disco ist von schwarzen Stimmen geprägt worden, bewies Menna Mulugeta mit „I am what I am“ von Gloria Gaynor, das - nicht ganz im Sinne der konservativen Sängerin - zur Hymne der LGBTQ-Bewegung geworden sei. In Bensheim sorgte der Song für Gänsehautmomente, Mitklatschen und Mitsingen.

Am Ende gab es einen Riesenapplaus und großen Jubel und als Zugaben nochmal großartige Leistungen auf der Bühne. Mit Whitney Houstons Version von „I Will Always Love You“ erwies Menna Mulugeta einer für sie persönlich sehr wichtigen Künstlerin ihre Reverenz, die im „Haifischbecken“ der Musikbranche zerbrach. Und bei der mit viel Dampf vorgetragenen Interpretation von Aretha Franklins „Respect“ als zweiter Zugabe waren dann wirklich alle im Pipapo auf den Beinen.

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Die nächste Veranstaltung im Pipapo ist eine außerplanmäßige, die nicht in den gedruckten Programmen zu finden ist: Am 3. April um 20 Uhr gibt es in der Americana-Reihe „Blood on The Tracks“ - einen Bob Dylan-Abend mit Martin Grieben, Frank Willi Schmidt und Thomas Waldherr. Auf dem Programm stehen Musik und Geschichten und unter anderem alle zehn Titel des namengebenden Albums. Martin Grieben ist dem Bensheimer Publikum von seinem Elvis-Abend in Erinnerung, Frank Willi Schmidt ist als Bassist in einer Reihe von musikalischen Projekten tätig, Thomas Waldherr ist unter anderem Kooperationspartner des PiPaPo-Theaters.

Freie Autorin Ich bin als freie Redakteurin im Bereich Kultur und Geschichte unterwegs. Nachdem ich einst Kunstgeschichte und Philosophie studiert habe, war ich lang als Bildredakteurin und Autorin im Sachbuchsektor tätig. Derzeit arbeite ich zunehmend in der digitalen Welt, begeistere mich aber nach wie vor für das lokale Kulturleben und schreibe gern darüber. Viel Spaß macht mir auch mein Blog auf dem Portal von Spektrum der Wissenschaft.

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