Kunstfreunde Bensheim

Mendelssohn als krönender Coup im Bensheimer Parktheater

Leonkoro-Quartett mit furiosem Debüt beim neunten Konzert der Saison

Von 
Klaus Ross
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Das Leonkoro-Quartett begeisterte bei seinem Debüt im Bensheimer Parktheater das Publikum. © Thomas Neu

Bensheim. Mit dem Berliner Leonkoro-Quartett stellten die Kunstfreunde beim neunten Konzert der Saison ein exzeptionelles Nachwuchsensemble vor, das seit seiner Gründung 2019 einen geradezu kometenhaften Aufstieg hingelegt hat. Triumphe bei den wichtigsten Wettbewerben (Paolo Borciani, Wigmore Hall, Bordeaux), dazu zahlreiche weitere Auszeichnungen wie etwa die Wahl zu „BBC New Generation Artists“ und weltweite Konzerterfolge auf den renommiertesten Bühnen: Mehr geht nicht. Zur Besetzung gehören die einer deutsch-japanischen Musikerfamilie entstammenden Brüder Jonathan Schwarz (1. Violine) und Lukas Schwarz (Violoncello), die gebürtige Münchnerin Amelie Wallner an der zweiten Geige und die japanisch-niederländische Bratschistin Mayu Konoe – allesamt geboren zwischen 1996 und 1999. Bei ihrem Parktheater-Debüt stand neben Stücken von Joseph Haydn und Felix Mendelssohn mit Alban Bergs „Lyrischer Suite“ auch ein besonders anspruchsvolles Schlüsselwerk der Moderne auf dem Programm.

Schon in Haydns an diesem Abend sogar als Kunstfreunde-Premiere präsentiertem F-Dur-Quartett opus 50/5 von 1787 konnte man begeistert feststellen, über welche technische und künstlerische Reife das junge Ensemble nach nur sechsjähriger Zusammenarbeit bereits verfügt. Die perfekt ausbalancierte Wiedergabe versprühte vom entspannten Kopfsatz über das sublime B-Dur-Adagio und das pikante Menuett bis hin zum federleichten „Vivace“-Kehraus allerbesten Haydn-Esprit. Hoffentlich also wird das makellos harmonierende Leonkoro-Quartett bald weitere vernachlässigte Gattungsbeiträge des immer noch und immer wieder überraschenden Klassikers wiederentdecken. Inspiriertere und versiertere Haydn-Anwälte kann man sich kaum wünschen.

Mit Vortragsbezeichnungen wie „appassionato“ und „estatico“ oder gar „delirando“ und „desolato“ ließ der Schönberg-Schüler Alban Berg keinen Zweifel daran, dass es in seiner 1925/26 entstandenen „Lyrischen Suite“ um existenzielle Dinge geht. Die elementare Kraft dieser Musik teilt sich dem Hörer selbst dann mit, wenn er nichts von der darin vertonten Liebe des verheirateten Komponisten zu einer Unternehmersgattin weiß. Dafür braucht es natürlich Interpreten, welche die ständig sich zuspitzenden Extreme des in seiner Kühnheit enorm herausfordernden Stückes kompromisslos auf den Punkt zu bringen verstehen. Das Leonkoro-Quartett bestätigte insofern sein Ausnahmeniveau: Spannungsintensiver, farbraffinierter und zugleich transparenter konnte der mit sensationeller Präzision umgesetzte Sechssätzer kaum klingen. Eine Meisterleistung auf komplexestem Terrain, die das Publikum im gut gefüllten Parktheater entsprechend enthusiastisch quittierte. Bei der von Hans Hachmann moderierten Konzerteinführung im Eysoldt-Foyer hatten die wunderbar kommunikativen Schwarz-Brüder übrigens verraten, dass Bergs Suite als Hauptwerk auf der 2026 geplanten zweiten CD des Ensembles enthalten sein wird – fraglos eine echte Katalogbereicherung.

Zur Krönung dieses Bensheimer Leonkoro-Debüts folgte nach der Pause noch pures Mendelssohn-Glück: Dessen schwerlich brillanter und beseelter darzubietendes e-Moll-Quartett opus 44/2 von 1837 machte ebenfalls entschieden Appetit auf mehr. Wie selbstverständlich hier innige Kantabilität (G-Dur-Andante) und blitzende Virtuosität (Ecksätze bzw. E-Dur-Scherzo) zusammenfanden, genügte in der Tat prominentesten Vergleichen. Ihren prägenden Lehrern vom Artemis-Quartett sind die vier „Leonkoros“ längst ähnlich eigenständig und charakterstark auf der Spur. Verdiente Ovationen am Ende eines nach Fortsetzungen rufenden ersten Gastspiels, Giacomo Puccinis frühes cis-Moll-Juwel „Crisantemi“ aus dem Jahre 1890 als erlesene Zugabe.

Freier Autor Besprechung klassischer Konzertveranstaltungen seit über drei Jahrzehnten (darunter als Schwerpunkte das umfangreiche regionale Kirchenmusikangebot sowie die renommierten Kammermusikreihen der Kunstfreunde Bensheim und von Forum Kultur Heppenheim)

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