Interview - Gedankenleser und Bestseller-Autor Thorsten Havener kommt am Donnerstag mit seinem Programm „Feuerproben“ ins Parktheater

„Manchmal einfach die Klappe halten“

Von 
Thomas Tritsch
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Gedankenleser und Bestseller-Autor: Thorsten Havener tritt am Donnerstag im Bensheimer Parktheater auf. © Sammy Hart

Bensheim. Deutschland bekanntester Gedankenleser kommt nach Bensheim. Am Donnerstag (11.) gastiert Thorsten Havener mit seinem neuen Programm „Feuerproben“ im Parktheater. Im Gespräch mit dem Bergsträßer Anzeiger verrät er, was der Körper wirklich über den Zustand eines Menschen sagt und warum man bestimmte Geheimnisse lieber für sich behalten sollte.

Herr Havener, welche Berufsbezeichnung geben Sie beim Einchecken in Hotels an?

Thorsten Havener: Wenn ich mit meinem Tourprogramm unterwegs bin, schreibe ich Gedankenleser oder Künstler. Bei Lesungen meistens Buchautor, und wenn ich gut gelaunt bin auch mal ganz vermessen Bestseller-Autor. Und wenn ich als Vortragsredner gebucht bin, werde ich genau das auf den Hotelzettel schreiben.

Sie sind Diplom-Übersetzer für Englisch und Französisch. Heute dolmetschen Sie Körpersprache. Mit welchem Vokabular, mit welcher Grammatik haben Sie es hier zu tun?

Havener: Zumindest mit einem äußerst internationalen Wortschatz. Die Körpersprache der Menschen ist tatsächlich auf der ganzen Welt beinahe gleich – wobei das nur ein Teil dessen ist, womit ich mich beschäftige. Es geht auch um Suggestion, also um die mentale Lenkung von Personen, oder um Gedächtniskunst und Besonderheiten der Wahrnehmung. Im Programm „Feuerproben“ wird das alles miteinander verknüpft.

Bleiben wir mal bei der Körpersprache. Was verrate ich durch meine Mimik und Gestik meinem Gegenüber wirklich über mich oder meinen Zustand?

Havener: Zustand ist der entscheidende Begriff. Denn über einen selbst dringt kaum etwas nach außen. Aber sehr wohl über ihre gegenwärtige Befindlichkeit. Etwa über die Einstellung, die Sie einem bestimmten Thema gegenüber haben.

Ein Beispiel bitte.

Havener: Sie sind auf einer Party, kennen aber niemanden, suchen aber einen interessanten Gesprächspartner. An der Körpersprache erkennen Sie immer, ob jemand gerade leidenschaftlich über etwas spricht oder eher distanziert. Der Leidenschaftliche unterstützt seine Worte immer durch Gestik, bringt seine Arme ins Spiel, berührt seinen Gesprächspartner vielleicht sogar. Wer sich beim Reden bewegt, ist in der Regel amüsanter als die starren.

Ich kann meine Außenwirkung aber doch auch künstlich inszenieren, indem ich durch meine Körpersprache eine Haltung vorgebe, die eigentlich gar nicht vorhanden ist. Beispielsweise Stärke und Selbstbewusstsein im Dialog mit Geschäftspartnern oder Vorgesetzten. Funktioniert das oder ist dieser Fake erkennbar?

Havener: Das kommt auf den Druck an, unter dem Sie stehen. Bei einer Gehaltsverhandlung sind Sie sicherer, wenn Sie sowieso schon einen anderen, besser dotierten Job in Aussicht haben. Diese Entspannung macht sich bemerkbar, Unsicherheiten können dann auch einfacher überspielt werden als im umgekehrten Fall. Jeder Mensch ist wie eine Tube Zahnpasta: Wenn man Druck ausübt, kommt immer das heraus, was wirklich drin ist.

Also im Zweifel lieber offen und ehrlich spielen?

Havener: Wer nervös ist, sollte das ruhig ansprechen. Denn wenn man eine Schwäche zeigt, verliert sie an Gewicht. Und der Gesprächspartner wird vielleicht sogar Verständnis haben und die Situation entspannt sich zu Ihren Gunsten. Körpersprache, das muss man wissen, wird immer dann komisch, wenn wir aktiv darüber nachdenken.

Muss es dann nicht immer schief gehen, wenn man nonverbale Kommunikation, die ja unbewusst ist, bewusst einsetzt?

Havener: Richtig. Ich würde Ihnen niemals raten, die Hände auf eine bestimmte Weise einzusetzen, um eine vermeintliche Wirkung zu erzielen. Der Kreislauf ist ein anderer: Ein spezifischer Gedanke wirkt sich aus auf unsere Emotionen, und die beeinflussen unser Handeln. Wenn ich also mein Handeln in den Griff bekommen und stark wirken möchte, dann muss ich mich zunächst auch stark fühlen. Es geht darum, Harmonie herzustellen. Das Eingestehen einer Schwäche kann eine unglaubliche Stärke sein. Sie müssen dann kein Schauspiel abziehen. Die Zahnpasta kommt raus, und trotzdem kann Ihnen nichts passieren.

Kann man Profi-Politkern anmerken, wenn sie die Unwahrheit sagen?

Havener: Ich sollte mal einen Europapolitiker in Lissabon analysieren. Ein sehr angenehmer Mensch. Ich spreche aber kein Wort Portugiesisch. Die Körpersprache war mein einziger Zugang bei diesem Gespräch, in dem er sicherlich nicht gelogen hat. Aber ich habe genau gemerkt, wenn ihm etwas unangenehm war oder er einem Thema ausgewichen ist. Das habe ich zu 100 Prozent erkannt. Für mich ein echter Schlüsselmoment.

Es heißt immer, dass man beim Lügen Augenkontakt vermeide. Bitte sagen Sie uns, dass dies nicht stimmt.

Havener: Völliger Unsinn! Ich weiß nicht, warum sich dieses Klischee so lange halten kann. Wir können sehr wohl Augenkontakt halten und dabei die größten Märchen erzählen. Es ist natürlich, dass unser Blick ab und zu abweicht, wenn wir beispielsweise in unserer Erinnerung eine Information nachschlagen. Es kann also sein, dass jemand die Wahrheit sagt und dennoch kurz zu Boden schaut.

In Ihrem neuen Buch „Sag es keinem weiter“ geht es unter anderem um die prägende Qualität von Geheimnissen. Was machen die mit den Menschen?

Havener: Es gibt Geheimnisse, die belasten. Die werden gelindert, wenn man sie jemandem anvertraut. Am besten einem Profi. Es gibt aber auch die anderen, um die es in dem Buch vor allem geht. Diejenigen, die uns stark machen. Deren Kenntnis uns eine diebische Freude bereitet. Und die uns auch schützen können.

Wie das?

Havener: Ein Beispiel: Ein Mann schenkt seiner Frau ein Kleid, dessen Schnitt ihr aber überhaupt nicht gefällt. Statt sich zu beschweren, bedankt sie sich, lässt es beim Schneider abändern und trägt es den ganzen Sommer lang. Und alle sind glücklich.

Sogar der Schneider!

Havener: Absolut! Aber ich frage nun: Was hätte die Frau davon gehabt, es dem Mann zu erzählen? Nichts! Stattdessen hat sie sich jedes Mal über das kleine Geheimnis gefreut und darüber, ihrem Mann ein gutes Gefühl zu schenken.

Das heißt, eine partnerschaftliche Beziehung kann von Geheimnissen profitieren?

Havener: Davon bin ich überzeugt. Wenn die Partnerschaft richtig gut ist, braucht sie sogar welche. Wir müssen nicht alles voneinander wissen, um glücklich und mit uns im Reinen zu sein. Das Tagebuch von früher, die Kiste mit alten Fotos. Solche kleinen Geheimnisse muss man dem anderen zugestehen.

Trifft das auch auf Geheimnisse erotischer Art zu? Sollte einmaliges Fremdgehen verschwiegen werden, um eine Partnerschaft nicht aufs Spiel zu setzen?

Havener: Diese Frage muss jeder für sich selbst entscheiden. Was ich aber dazu sagen kann ist, dass der Mensch manchmal nur deshalb Dinge anderen mitteilt, damit es ihm selbst besser geht. Dann benutzt man jemanden als erweitertes schlechtes Gewissen. Das ist aber doppelt verwerflich, weil ich zuerst etwas mache, worunter ein anderer leidet. Und dann habe ich nicht einmal genug Mumm, das Ganze für mich zu behalten. Es gibt Momente, in denen ist einfach Klappe halten angesagt.

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