Musik

Maiway versetzt ganz Bensheim ins Party-Fieber

Die 23. Auflage des Musik- und Kneipenfestivals trotzt am Mittwochabend dem unbeständigen Wetter. Tausende Besucher feiern bis in die Nacht.

Von 
Marvin Zubrod
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Massen in Bewegung: Im Stadtpark rockte wie gewohnt die Bürstädter Coverband Groove Generation. © Thomas Zelinger

Bensheim. Eine zauberhafte Stadt: Das könnte Bensheim sein. Wenn da nicht all die Probleme wären um verkommene Gebäude in der Innenstadt, eine Bibliothek, die keinen Platz findet, und fehlende Millionen im Haushalt. Wie gut, dass Harry Hegenbarth und sein Showmaker-Team mit dem Musikfestival Maiway vor mehr als zwei Jahrzehnten einen Ort geschaffen haben, an dem es für einige Stunden keine Sorgen gibt. Weil dort alle nur der Musik lauschen und dazu tanzen.

Nun ja, fast alle. Denn jetzt, gegen 19 Uhr, sind noch die Food-Trucks auf dem Marktplatz am beliebtesten. Es gibt zum Beispiel Mandu. So heißen die koreanischen Maultaschen, die hier zunächst dampfgegart, dann angebraten und schließlich mit einer Gemüsefüllung serviert werden. Oder Kuschari, ein traditionelles ägyptisches Gericht, das aus Reis, Linsen, Nudeln, Kichererbsen und Röstzwiebeln besteht und mit einer würzigen Tomatensoße serviert wird. Kreuzkümmel und Koriander sind drin, oder? „Ja“, antwortet der Verkäufer und lacht. Mehr will er nicht verraten zu seiner Gewürzmischung. Auch das ist die ägyptische Küche: einfach und günstig in den Zutaten, dafür komplex und geheimnisvoll in der Aromatik.

Schorschblick mal anders: Die Stadtkirche St. Georg wurde farbig illuminiert. © Thomas Zelinger

Wer danach weiter zieht, findet beim Stand der Heppenheimer Destillerie „Halber Mond“ einen 43 Prozent starken Whisky. Die zwei Zentiliter gibt es zwar nur im Schnapsglas aus Plastik, dennoch sind sie eine wohltuende Abwechslung zum orientalischen Feuerwerk der Tomatensoße. Mit alkoholfreien Optionen sind die Gäste am Stand nebenan gut versorgt. Die „Mostbuben“ aus Heppenheim verkaufen selbst gekelterten Apfelsaft.

Bei der reichhaltigen kulinarischen Auswahl könnte man fast vergessen, dass man eigentlich wegen Tanz und Musik gekommen ist und nicht unbedingt, um sich den Bauch vollzuschlagen. Doch dann, um kurz nach 20 Uhr, geht es endlich los mit der großen Party. Die Bürstädter Coverband Groove Generation bringt im Stadtpark wie jedes Jahr das Publikum auf Touren, und das trotz des starken Regens, der kurz nach Beginn ihres Auftritts einsetzt. Doch der Regenbogen, der wenige Minuten später über dem Marktplatz schwebt, entschädigt für den Schauer. Ein paar Meter weiter, im Café Felicitá in der oberen Fußgängerzone, bringen die Entertainer Pippo Azzurro und Tonirec mit italienischen Schlagern und ganz viel Amore die Herzen zum Schmelzen. „Mamma Maria“ von Ricchi e Poveri darf ebenso wenig fehlen wie „Azzurro“ (Adriano Celentano) und „Volare“ (Domenico Modugno).

Ruhiger geht es beim Bergsträßer Jazzfestival in der Stadtkirche Sankt Georg zu. Dort spielt um 21 Uhr das Trio 3D, das aus den Brüdern Franz-Jürgen, Matthias und Adax Dörsam besteht. Wenngleich die drei Musiker eine Leidenschaft für schnellere Country- und Rocksongs haben, sind es vor allem die sanften Töne, mit denen sie am stärksten sind. Da ist zum Beispiel das Lied „Hayi Acher“ des armenischen Komponisten Robert Amirkhanyan, das Matthias Dörsam stilecht mit dem Duduk interpretiert, einer armenischen Flöte. Das aus Aprikosenholz gefertigte Instrument hat einen warmen, fast melancholischen Klang und seine Musik wurde im Jahr 2005 zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt.

Zauberhafte Atmosphäre: In der Hospitalkirche begeisterten drei Musiker aus der Ukraine mit Tänzen aus aller Welt. © Thomas Zelinger

Liebhaber von spektakulären Shows sind im Kolpinghaus richtig. Wer dort ankommt, sieht zunächst einmal: nichts. Die Brille ist beschlagen, es herrschen tropische Temperaturen. Dabei ist das erst der Raum hinter dem Eingang. „Drinnen ist es noch stickiger“, sagt eine Mitarbeiterin an der Garderobe. Macht nichts, Hauptsache die Stimmung ist gut. Schließlich steht die Coverband DNS gerade auf der Bühne und brilliert mit Partysongs der Achtziger, darunter „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ von Nena. Es wird getanzt, gesungen und geknutscht, die Hitze im Raum scheint niemanden zu stören. Auch Björn Stollhofer nicht, der seit vielen Jahren zu Maiway kommt und jetzt, gegen Mitternacht, noch einen klaren Kopf hat: „Harry Hegenbarth sollte zum Ehrenbürger von Bensheim ernannt werden“, sagt er über den Organisator. Was Hegenbarth in der Stadt mit seinen Kulturveranstaltungen biete, sei „mega geil“.

Zur Erinnerung: Harry Hegenbarth hat nicht nur vor mehr als zwei Jahrzehnten – damals gemeinsam mit Thorsten Zanger – Maiway erfunden und damit eines der besten innerstädtischen Kneipen- und Musikfestivals Deutschlands hervorgebracht, er organisiert auch jedes Jahr den „Vogel der Nacht“. Das knapp einwöchige Musikfestival im August im Bensheimer Stadtpark finanziert sich sogar ohne Eintritt. Für den Besuch von Maiway brauchte es dieses Jahr wieder ein Bändchen, dafür kommt ein Euro aus jedem Verkauf der Deutschen Muskelstiftung zu, die an Spinale Muskelatrophie erkrankten Kindern hilft. Eine vollständige Auflistung aller Festivals, die Hegenbarth mit seiner Agentur Showmaker bereits auf die Beine gestellt hat, würde hier den Rahmen sprengen. Klar ist aber: Maiway ist das kulturelle Aushängeschild Bensheims. Es gibt dieses Mal rund 40 Live-Auftritte an 27 Orten. Harry Hegenbarth und Projektleiterin Adriana Filippone haben wieder ganze Arbeit geleistet. Der wetterbedingte Ausfall des sogenannten Pre-Openers um 16 Uhr auf dem Kirchberghäuschen ist daher zu verschmerzen. Am schönsten ist Maiway ohnehin am Abend.

Italienisches Flair: Am Café Felicitá wurde die Part in die Fußgängerzone verlegt. © Thomas Zelinger

Wer in diesen Stunden durch die Stadt zieht, blickt in glückliche Gesichter. Besucher bleiben vor den Fachwerkhäusern in der Innenstadt stehen und lassen sich von den spektakulären Lichtmotiven verzaubern, die an die Wände projiziert werden. „Das muss ich für die Nachwelt festhalten“, sagt ein Gast, während er das Handy zum Fotografieren zückt.

Passend zu den schillernden Illuminationen vor dem Bürgerbüro gibt es wenige Meter weiter an der Lauter-Bar neben dem Kaufhaus Ganz noch mehr knallige Farben: Die Tanzschule „Center of Moving Arts“ liefert jeweils zur vollen Stunde und in pinken Outfits eine Tanzshow zur Musik von „Abba“. Zwar nur für etwa zehn Minuten, doch für Fans der schwedischen Popband sind es vielleicht die schönsten Momente des Abends, wenn „Gimme! Gimme! Gimme!“ aus den Boxen schallt. Weitere Perlen der Siebziger- und Achtzigerjahre gibt es im Dalberger Hof, wo Pat Fisher mit „Celebration“ von Kool & The Gang und „September“ (Earth, Wind & Fire) Disco-Gefühl ins Kulturdenkmal bringt.

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red
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Wer dann noch immer nicht genug von Musik hat, zieht am besten ins Bürgerhaus weiter. Dort legt DJ Tom Wax bis nach Mitternacht auf. Für Techno-Banausen ist es ein fast bizarres Bild. Einige Besucher scheinen trotz des ohrenbetäubenden Lärms wie in Trance, sie bewegen sich allein zur Musik, haben die Augen geschlossen und nehmen ihre Umwelt kaum wahr. Andere wiederum tanzen gemeinsam zu den elektronischen Bassklängen.

Ruhiger geht es zu diesem Zeitpunkt auf dem Marktplatz zu. Es ist fast ein Uhr, viele Besucher haben sich bereits auf den Heimweg gemacht. Nur die Illumination vor der Kirche Sankt Georg geht weiter. Rote und goldgelbe Sterne wandern über die Fassade des Gebäudes. Seit mehreren Stunden ist die Innenstadt mal wieder in ein buntes Lichtermeer verwandelt, besucht von Tausenden glücklichen Gästen, die sich von der Musik treiben lassen. Für sie ist Bensheim damit, so wie jedes Jahr am Tag vor Christi Himmelfahrt, wohl vor allem eines: eine zauberhafte Stadt.

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