Parktheater

Lisa Fitz mit Rückblick und Systemkritik im Bensheimer Parktheater

Von 
Eric Horn
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Die Kabarettistin Lisa Fitz trat am Donnerstag im Parktheater auf. © Zelinger

Bensheim. „Grande Dame“ klingt ihr zu sehr nach „Queen Mum“, Urgestein hört sich nach Fossil, nach versteinertem Wurm an. Wenn schon „Urviech“, dann will Lisa Fitz „weiß-blauer Hai“ genannt werden. Am Donnerstagabend ließ der bissige weiß-blaue Hai seine Gedanken durch das gut besuchte Parktheater kreisen. „Weißkopfseeadler“ im Publikum waren der Kabarettistin bei ihrem Ritt durch ihre 40-jährige Bühnenkarriere als Zeitzeugen willkommen. „Dauerbrenner“ titelt das Programm mit dem die in Zürich geborene Bayerin durch die Republik unterwegs ist. Das Theater Sapperlot war mit dem Gastspiel der „Fitzin“ von Lorsch nach Bensheim umgesiedelt.

Am Anfang der künstlerischen Laufbahn steht für Lisa Fitz eine Watschn. Die Ohrfeige bekommt die kleine Lisa von ihrer Oma Ilse, der Leiterin eines Kindertheaters, fürs Schwätzen hinter dem Vorhang. Seither gehören die Backpfeifen zu ihrem Bühnenleben dazu. Heute bekomme sie die Watschn allerdings für das, was sie vor dem Vorhang sagt. Bis zur Watschn auf der beleuchteten Seite der Spielfläche muss der weiß-blaue Hai, der aus einer weit verzweigten Künstlerfamilie stammt („Ich weiß manchmal selbst nicht mehr, wer alles dazugehört“) eine weite Strecke schwimmen und so manchen Sturm überstehen. Die Reisebeschreibung wird zu einer launigen Angelegenheit, das Parktheater surft bestens unterhalten mit durch die kleinen und großen Wellen dieses Trips.

Lisa Fitz, Jahrgang 1951, ist mittendrin im München der 1968er-Rebellion. Proteste, endlose nächtliche Diskussionen am Küchentisch, sexuelle Revolution, Drogen. Oft weiß sie morgens nicht, wie sie abends in die WG gekommen ist, in der sie aufwacht. Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite: Ab Anfang der 1970er ist sie Moderatorin der Bayerischen Hitparade des Bayerischen Fernsehens mit Einschaltquoten von 70 Prozent. „Ich war in der Deppenhölle.“ Ohne eine bayerische Halbe, 0,5 Liter helles Bier, vor der Show geht gar nichts.

Zwischen Bergwelt und Revolution

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Diesen inneren Zwiespalt belegt sie im Parktheater Gitarre spielend und singend. „A Hard Day’s Night“ versus „An meinem Bacherl…“. Mit dem satirischen Song „I bin bled“ bekämpft sie damals ihren Spagat zwischen heiler bayrischer Berg- und Bierwelt und Revolution. Den Hitparaden-Job übernimmt sie seinerzeit übrigens von Ruth Kappelsberger, die mit Mitte 40 vom BR als „zu alt“ fürs Fernsehen aussortiert wird. Ein Vorgehen, das Lisa Fitz nach wie vor in Wallung versetzt. „Männer moderieren bis zur Intensivstation.“

Ende der 1970er ist der Drang nach Veränderung nicht mehr zu bändigen. Sie trennt sich von ihrem Vater-Berater-Manager Walter Fitz. Begleitet von viel Wein sucht sie nach ihrem Weg. Männer sind dabei keine Hilfe. „Ich wollte nur Männer, die den Abwasch machen.“ Vor ihrer Wohnungstür liegen zu dieser Zeit Berge von abwaschunwilligen Männern, erzählt sie. Sie verreist nach Indien, dort findet sie sich jedoch auch nicht. Mit Ali Khan, einem Schlagzeuger mit bayrisch-persisch-südtirolerischem Hintergrund, trifft sie auf ihren „Formgeber“ und „Endgegner“.

Obwohl Ali nichts vom Abwasch hält, wird geheiratet. Ein Skandal im gemütlichen München der frühen 1980er Jahre. Fitz ist Beschimpfungen ausgesetzt. Sie schießt energisch zurück mit dem Song „Mein Mann ist Perser“, erstmalig performt ausgerechnet in der Bayrischen Hitparade. Ein echter Coup. Anschließend entwickelt sie ihr erstes von insgesamt bisher 16 Solo-Programmen. Mit ihrem Erstlingswerk ist Lisa Fitz die erste deutsche Kabarettistin, die mit komplett selbstverfassten Texten auf der Bühne steht. Zuvor hatten Männer formuliert, was Frauen bewegt. „Schatzerl, ich schreib dir was Schönes.“

An der Oberfläche

Der zweite Teil des Abends im Parktheater ist etwas sperrig, mäandert zwischen Kritik an Gesellschaft und Politikern sowie Politikverdrossenheit und bleibt dabei häufig oberflächlich. Bemerkenswert, dass Fitz als verdienstvolle und ausdauernde Anklägerin der bayerischen Spezlwirtschaft, die aktuell wieder durch die seltsamen Masken-Deals aufpoppt, ausgerechnet den ehemaligen Oberspezl Franz-Josef Strauß lobt. Strauß sei auch in volltrunkenem Zustand in der Lage gewesen, ein intelligenteres Interview zu geben als Karl Lauterbach.

Den Glauben, dass Frauen in der Politik etwas ändern können, hat sie aufgegeben. Angela „Mutti“ Merkel schimpft sie für ihre Aussage, Kultur sei nicht systemrelevant, lässt sich bei Saskia Esken oder Annegret Kramp-Karrenbauer allein über Äußerlichkeiten aus. Anton Hofreiters Frisur ist ebenfalls nicht nach ihrem Geschmack. Während Fitz’ Rückblick auf ihre bisherigen 70 Jahre nostalgisch-verklärt ausfällt („Es war bei uns nix Dramatisches“ und „Früher war’s lustiger“), beurteilt sie Gegenwart und Zukunft pessimistisch.

„Ökodiktatur“ wird angeprangert

Sie tadelt Hochfinanz, Banken, Wirtschaftselite, Schuldenberg, Korruption und prangert eine vermeintliche Ökodiktatur an. „In 20 Jahren haben wir saubere Luft, aber keine Rente mehr.“ Sie warnt vor Zensur, der Macht der „Big Five“ (Google, Amazon, Facebook/Meta, Apple, Microsoft) und den Auswüchsen Künstlicher Intelligenz.

Sie zitiert Mephisto aus Goethes Faust („Es war die Art zu allen Zeiten, ….Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten“) und schickt später „meinen Lieblingssatz“ aus dem Netz hinterher, nach dem neue Verschwörungstheorien benötigt würden, da die alten sich alle verwirklicht hätten. Eine eher ungewöhnliche Verknüpfung von Goethe und kruden Erzählungen aus den Tiefen des Internets. Mit dem finalen Lied „Deutschland, quo vadis“ beschreibt sie ein Land auf der Suche nach seiner Zukunft.

Gut zwei Stunden arbeitet sich Lisa Fitz überwiegend amüsant durch ihr Leben mit Bayern, Deutschland und der Welt. Das Parktheater honoriert den Auftritt mit viel Applaus und teilweise stehenden Ovationen.

Redaktion

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