Tag des offenen Denkmals

Leuchtende Farben: Die Kirche Heilig Kreuz in Auerbach beeindruckt

Am Sonntag wurden für Interessierte vier Führungen angeboten. Spannende Einblicke in die Symbolsprache und die Architektur des außergewöhnlichen Kirchenbaus

Von 
Eva Bambach
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Den Mittelpunkt des ungewöhnlichen Kirchenraums von Heilig Kreuz bildet das riesige Buntglasfenster des Künstlers Bruno Müller-Linow. © Thomas Zelinger

Bensheim. „Wert-voll: unbezahlbar oder unersetzlich?“ – Nicht zuletzt die aktuelle Situation der katholischen Kirche, in der etliche Kirchengebäude im Zuge der Zusammenlegung von Pfarrgemeinden aus Kostengründen profaniert werden sollen, motivierte die Auerbacher Heilig-Kreuz-Gemeinde zur Teilnahme am von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz jedes Jahr bundesweit organisierten Tag des offenen Denkmals.

In vier von Gemeindemitgliedern geführten Rundgängen lernten die Besucher am Sonntag den 1959 geweihten Kirchenbau von Hubert Pinand und die Betonfenster von Bruno Müller-Linow kennen. Das heute denkmalgeschützte Gebäude wurde in späteren Jahrzehnten um ein Gemeindehaus und ein Pfarrhaus erweitert, die – wie die Kirche – mit Klinkersteinen verblendet sind und ein einheitliches Bild ergeben. Vor der Kirche wurde vor 25 Jahren ein Pflasterlabyrinth mit einem Radius von vier Metern angelegt – als Symbol des Lebens, in dem es verschlungene Wege, aber keine Irrwege gibt. Folgt man den beiden vorgegebenen Spuren, so hat man am Ende 160 Meter zurückgelegt und ist dem Kreuz im Zentrum mal näher, mal ferner gekommen. Das Motiv wird bei den Türgriffen wiederholt.

Im Inneren der Kirche betritt man zunächst die Taufkapelle. Der mit Bachkieseln ausgelegte Boden rund um den Taufstein symbolisiert das Wasser, und auch die Anordnung des Ensembles spricht eine bildhafte Sprache: Von hier aus gelangt der Täufling ins Innere der Gemeinde. Es führt eine direkte Linie zum Altar und zu Gott, der als auferstandener Christus in dem riesigen Glasfenster den Kirchenraum überragt.

Die persönliche Nähe der Gläubigen zu Gott, die auch in der halbkreisförmigen Anordnung der Kirchenbänke mit Platz für 360 Besucher zum Ausdruck kommt, entspricht den Prinzipien der liturgischen Erneuerung, die im katholischen Kirchenbau des 20. Jahrhunderts schon seit den 1920er Jahren eine Rolle spielte und seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den 1960er Jahren zur Regel wurde. So wurde in der katholischen Kirche dann auch angestrebt, den Altar freistehend und näher an die Gläubigen herangerückt zu positionieren und die Messe mit dem Gesicht zur Gemeinde hin zu feiern. In der Auerbacher Kirche wurde dazu der als massiver Steinblock zunächst dicht an der Ostwand stehende Altar einen halben Meter nach Westen gerückt. Aus dem Stein wurden Teile geschnitten, die zum Beispiel für ein Lesepult verwendet wurden. So wurde der Block zum Tisch, und alle Teile des ursprünglichen Altars sind dennoch in der Kirche erhalten.

Den Mittelpunkt des ungewöhnlichen Kirchenraums, der wegen seiner ausgefallenen Kuppelform auch den Spitznamen „Registrierkasse“ trägt, bildet zweifellos das riesige Buntglasfenster. Es stammt von dem Künstler Bruno Müller-Linow, zur Erbauungszeit Professor an der Technischen Hochschule Darmstadt – ebenso wie Architekt Hubert Pinand, der die Stahlkonstruktion der Kirche entworfen hatte. Im Unterschied zu historischen Glasfenstern werden die einzelnen Teile nicht durch Bleiglas gehalten, sondern sind in eine mit Stahl verstärkte Betonstruktur eingelassen. Aus statischen Gründen ist die Konstruktion in acht Bahnen geteilt.

Inhaltlich war der Künstler relativ frei: Es sollte Christus als Sieger mit dem Kreuzstab dargestellt sein – das himmlische Jerusalem, ein Fisch und Wasser sowie die vier Evangelistensymbole Stier, Adler, Löwe und Mensch. Bruno Müller-Linow fasste die Gestaltung nach eigenen Worten wie einen Gobelin auf. Es erinnere ihn an Psalm 104, soll er gesagt haben, und sei ebenso ein Suchbild wie ein Fragebild, auf dem man Formen suchen und erkennen, ebenso aber auch wieder verlieren könne.

In der Tat schweifen die Augen beim Betrachten über die ganze Fläche und finden stets neue Ankerpunkte, die zur Interpretation einladen. Die entscheidende Rolle aber spielt das Licht, das morgens von Osten, aber auch am Nachmittag noch die Farben zum Leuchten bringt. Ihre Kraft beeindruckt – auch in unseren längst elektrifizierten Zeiten – vielleicht ebenso stark wie die weitaus kleinteiligeren Fenster zur Zeit der gotischen Kathedralen die damaligen Gläubigen.

Eine weitere Besonderheit: Die Kirche hat keinen Glockenturm. Die Glocken befinden sich in einem mit Schallöffnungen versehenen Aufbau, der sich über die gesamte Breite des Kirchendaches zieht.

Die Kirche ist auch außerhalb der Gottesdienste die ganze Woche über zugänglich – in der Regel von 10 bis 17 Uhr ist die linke Seitentür geöffnet.

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