Bensheim. Die digitale Welt hat auf den Theaterbühnen Einzug gehalten. Das zeigte auf beeindruckende Weise unter anderem das Stück „Unheim“, dessen Autor und Regisseur Wilke Weermann kürzlich in Bensheim mit dem Kurt-Hübner-Regiepreis 2023 ausgezeichnet wurde.
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
Auf der Bühne des Bensheimer Parktheaters war nun am Mittwochabend mit „Let’s play Monkey Island“ als Gastspiel des Hessischen Landestheaters Marburg eine weitere Inszenierung zu sehen, die sich mit den eigentlich ja gar nicht mehr ganz so neuen Medien auseinandersetzt.
Schauspieler bindet Zuschauer schon vor dem Erreichen der Plätze ins Geschehen ein
Es ist ein Spiel über das Spiel mit dem Spiel, nämlich die interaktive Bühnenadaption eines klassischen Point-and-Click-Adventures, einem Computerspiel, bei dem durch das Untersuchen von Gegenständen und das Lösen von Rätseln eine Geschichte „erspielt“ wird.
Schon bevor die Zuschauer ihre Plätze erreicht hatten, wurden sie durch die direkte Ansprache der Schauspieler ins Geschehen eingebunden. Und: Jeder bekam drei Tafeln, mit denen er im Lauf des Abends über dessen Verlauf mitbestimmen konnte. Per Abstimmungstafel (Variante A, B oder C) galt es, aus mittels Beamer projizierten Handlungs-Vorschlägen einen auszuwählen, oder sich an bestimmten Stellen für eins der vorformulierten absurden Zitate zu entscheiden und dem Helden zu soufflieren.
Klassiker "Monkey Island" überzeugt auf der Bühne durch absurden Humor
„Monkey Island“ ist eine mehrteilige Grafikadventure-Reihe. Der Spieler schlüpft in die Rolle mit dem lächerlichen Namen Guybrush Threepwood, strandet in einer Bucht der Karibik und möchte Pirat werden. Er muss dazu drei ebenso rätselhafte wie absurde Prüfungen bestehen: Ein Idol stehlen („Was ist das eigentlich?“), einen Schatz suchen (Am Ende ist es nur ein T-Shirt auf dem steht: „Was, nur ein T-Shirt …“) und die Schwertmeisterin Carla bezwingen. Und natürlich gilt es, dabei ein paar merkwürdige Gegenstände zu benutzen (einen Topf, ein Stück Fleisch, einen roten Hering). Schließlich wird die Insel-Gouverneurin Elaine vom gefürchteten Geisterpiraten LeChuck verschleppt und muss gerettet – und schließlich auch geheiratet werden.
Von der Scumm Bar (einer Anspielung auf die zur Programmierung benutzte Software) bis zum Grog-Automaten begegnen den Zuschauern/Mitspielern viele liebgewonnene Running Gags. Selbstredend auch dem als Ablenkungsmanöver Kult gewordenen Ausruf: „Hinter dir! Ein dreiköpfiger Affe!“.
Getreu dem Original gibt es viele absurde und intelligente Wortwitze
Den vier Schauspielern Saskia Boden-Dilling, Lisa Grosche, Georg Santner und Christian Simon gelingt jeweils ganz unverkrampft sowohl die Anspielung auf die geloopten Bewegungen von Personen, die gerade nicht aktiv sind, wie auch der Shift von einem Charakter zum anderen – mit Kostümen und einem Bühnenbild, das an die imaginativen Spiele der Kindheit erinnert.
Da wird mit Schwertern aus Papprollen gekämpft, Bärte sind aus Papier ausgeschnitten und Pappkartons können zu allem mutieren, was so gebraucht wird. Natürlich gibt es auch ein paar Pizzakartons, besonders sinnig als Maul eines der gefährlichen Piranha-Pudel. Sogar das Schiff, das Guybrush Threepwood für die Suche nach Elaine günstig erwirbt (ein DIY-Modell), ist aus Papier. Die vielen absurden wie intelligenten Wortwitze des Computerspiels lässt auch der Theaterabend nicht aus. Schließlich gilt nicht nur beim Beleidigungsfechten: „Dein Verstand muss doppelt so scharf sein wie dein Schwert“.
Entscheidungen der Zuschauenden machen jede Aufführung anders
Und wo genau liegt eigentlich die Trennlinie zwischen einem auf einer Plattform live gespielten Abenteuer und einer Theateraufführung? Was der Inszenierung gelingt, ist genau genommen nichts anderes als die Verwirklichung eines Kindheitstraums: Die Charaktere aus einem Buch oder Spiel hinein in die echte Welt zu holen.
Bei „Let’s play Monkey Island“ ist dank der Entscheidungen des Publikums, was wann passieren soll und welches Zitat am besten (oder absurdesten) zu einer Situation passt, jede Aufführung ein bisschen anders.
Die animierte Welt auf der Theaterbühne richtete sich auch, aber nicht nur an ein junges Publikum: Ausdrücklich angesprochen wurden Videospielfreunde und -freundinnen ab 14 Jahren. Doch gibt es die Monkey-Island-Reihe schon seit den 1990ern. Sie hatte damals unmittelbar großen Erfolg und verfügt auch heute noch über eine große Fangemeinde.
Definitiv saßen im Publikum am Mittwochabend altersgruppenübergreifend viele Kenner des Adventure-Klassikers. Nicht nur das immer irgendwo zu hörende wiedererkennende Kichern und Glucksen, auch der begeisterte Beifall am Ende des Abends zeigten: Es war ein großer Spaß.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-lets-play-monkey-island-_arid,2199994.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim.html