Bensheim. Seit mehr als 20 Jahren sind Bettina Zimmermann und Kai Wiesinger ein Paar. Zeit genug, um sich wie aus dem Effeff zu kennen – sollte man meinen. Oder doch nicht?
Über die eigenen Macken und Spleens des Partners, über Höhen und Tiefen in der Beziehung, über kleine Alltagsaufreger und Frotzeleien, über Kinder, erste Freunde und Familie, „Streit um nichts“, ums Älter werden und den unvermeidbaren „körperlichen Verfall“ plaudert und sinniert das Schauspiel-Duo in seiner neusten Produktion „Bei aller Liebe“. In der Erfolgsserie schlüpfen sie in die Rollen von „Mutti und Papi“, die Video-Botschaften für ihre Kinder aufnehmen – als eine Art „Testament“ („Wir sind tot, wenn die das gucken“). Tatsächlich aber geht es in dem munteren Schlagabtausch vordergründig um die Frage: „Was weiß man wirklich voneinander.“
Im Rahmen des Lesefestivals lasen die bestens aufgelegten und aufeinander eingespielten Leinwandstars im fast vollbesetzten Parktheater aus ihren Drehbüchern, zeigten kurze Video-Einspielungen und lieferten „Bei aller Liebe“ eine Menge tiefgründiger Erkenntnisse über die Dynamik einer langjährigen Beziehung- mit allen Konfrontationen, ganz viel Humor und kleinen, treffsicheren Spitzen in Richtung Partner, beziehungsweise Partnerin.
Kai Wiesinger nennt es die „drei K – Kommunikation, Kompromisse und körperlichen Verfall“. Weitere Eindrücke über Leben und Liebe gab das Paar dem höchst amüsierten Publikum mit Ausschnitten und Episoden aus Wiesingers Besteller-Büchern und Comedy-Serien „Der Lack ist ab“ und „Liebe ist das, was den ganzen Scheiß zusammenhält.“ Das alles sei nicht autobiographisch, versicherte Wiesinger. Nur ein bisschen, kombiniert mit „Beobachtungen, Überspitzungen und ein bisschen Lebenshilfe“.
Die Vorstellungsrunde der nahbaren Promis und die Nennung der örtlichen Sponsoren der Veranstaltungsreihe stand am Beginn der unterhaltsamen Lesung, die Einblicke in eine „Langzeitbeziehung“ mit ihren Missverständnissen, Streitgesprächen, Versöhnungen und – ganz wichtig – dem Miteinander lachen können gab. Bettina Zimmermann, Temperamentbündel und Schnellsprecherin, ist den Fernsehzuschauern unter anderem als frühere Staatsanwältin in der Reihe „Ein Fall für zwei“ im Gedächtnis und war erst kürzlich in der Staffel „Zwei Frauen für alle Fälle“ in der Rolle einer Tierärztin zu sehen.
Kai Wiesinger wurde 1992 durch die Filmkomödie „Kleine Haie“ bekannt und hat sich seitdem neben seiner Schauspielkarriere auch als Drehbuchautor und Regisseur einen Namen gemacht. Der 59-Jährige hat in „Der bewegte Mann“, in „Comedian Harmonists“und vielen anderen zeitgeschichtlichen Filmen mitgespielt. 2014 verkörperte er in dem Fernsehfilm „Der Rücktritt“ den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff.
Ehe beide am Dienstagabend zu den Büchern griffen und die Lesebrillen aufsetzten, gabs zunächst Komplimente für Bensheim mit „der besten Eisdiele ever und der Sorte griechischer Joghurt mit Birne und Ingwer“, dem bestens aufgelegten Hotel-Portier mit Tipps „welche Pizza, wo am besten schmeckt“ und der freundlichen Kassiererin in der Innenstadt-Drogerie.
Im Anschluss konnten sich die Besucher gemütlich im Sessel zurücklehnen und sich über lebensechte Dialoge, Pannen, Badezimmer-Gespräche und beginnende Alterserscheinungen (siehe Lesebrillen) köstlich amüsieren. Zu beobachten war, wie sich Paare im Saal immer wieder wissend zunickten, nach dem Motto: Das kennen wir doch. Bei uns ist es nicht anders.
Und wie sieht nach Erfahrung von Zimmermann und Wiesinger „der ultimative Abstieg ab spätestens 45“ aus? Und warum sind Frauen und Männer nun Mal „unterschiedlich gepolt?“ und brauchen ab und zu eine kurze Auszeit, „um die Batterien aufzuladen?“
Hier ein paar Beispiele: Duschen. Wenn Er sich über Haarbüschel seiner Liebsten in der Dusche aufregt, die den Abfluss verstopfen und sie mit Barthaaren nach der Rasur im Waschbecken kontert. Er: „Auf meiner Seite mach’ ich sie weg“ Einkaufszettel: Wenn Er den Heringssalat beim Einkauf vergisst, „weil er nicht auf der Liste stand und lediglich mündlich angefordert war.“ Er wieder: „Wie soll ich bei all den Worten, die du sagst, wissen, was das Wichtigste ist?“
Weiter geht’s mit unterschiedlichen Vorstellungen von Urlaubsplanung, mit weiblicher Vorstellung von gemütlicher Deko (Er: „100 Kissen auf dem Bett und nochmal tausend auf dem Sofa, die kein Mensch braucht.“ Sie: „Alles Erinnerungsstücke an den Bummel mit meiner Mutter.“ Er: „Noch ein Grund, sie alle runter zu nehmen“) Mit Kabbeleien über Unpünktlichkeit. Er: „Ein Frauenproblem und mangelnde Wertschätzung.“ Sie: „Ignorant“. Über den ersten Freund der Tochter und einen besorgen Vater („verpickelter Traum unsrer Tochter.“) Über’s Verlieren können bei Brettspielen, über schlechte Laune, die keine ist, über’s Verliebtsein, Geräusche des Partners, die den anderen zum Wahnsinn treiben, falsche Geschenke zum Muttertag und vieles andere mehr.
Und ein klares Bekenntnis von Kai Wiesinger: „Millionen Franzosen können nicht irren.“ Will heißen, „keine Dinkelbrötchen und kein stilles Wasser, sondern ein eiskaltes Fläschchen Sauvignon.“ Nach zweieinhalb Stunden (inklusive kurzer Pause) sind sich nicht nur Zimmermann und Wiesinger, sondern auch die Zuhörerinnen und Zuhörer darüber einig: „Ohne Liebe werden wir es nicht schaffen.“ Und die Liebe, das merkt man dem Paar auf der Bühne an, ist da.
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