Veranstaltungsreihe

Kriminacht im Parktheater: Kalter Krieg und Ostsee-Hotelschiff

Halbzeit beim Lesefestival: Die Autorin Corinna Kastner und der Autor Ralf Langroth sorgten für spannende Unterhaltung im gut besuchten Eysoldt-Foyer.

Von 
Thomas Tritsch
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Bei der Kriminacht im Rahmen des 22. Bensheimer Lesefestivals stellten Corinna Kastner und Ralf Langroth ihre neuen Bücher vor. © Thomas Zelinger

Bensheim. Kalter Krieg und Küsten-Krimi. Deutsch-deutsche Spannungen und klamme Beklemmungen auf einem Hotelschiff in der Ostsee. Die Kriminacht gehört zu den festen Kapiteln des Bensheimer Lesefestivals, das in diesem Jahr zum 22. Mal stattfindet. Mit den Autoren Corinna Kastner und Ralf Langroth ging die literarische Reihe am Samstag in ihre Halbzeit. Das Gertrud-Eysoldt-Foyer im Parktheater war gut besucht, die Fraktion der Krimifans scheint ungebrochen hoch.

Die Schriftstellerin und Fotografin Corinna Kastner siedelt ihre Regionalkrimis in einer Umgebung an, der sie auch privat verbunden ist: Das Fischland ist eine Landbrücke an der südlichen Ostseeküste der Mecklenburger Bucht und Teil der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst. Insbesondere der Ort Wustrow hat es ihr angetan.

„Fischland-Falle“ ist seit 2012 bereits der neunte Fall für ihre Protagonistin Kassandra: Chefin einer Pension, leidenschaftliche Fotografin (hier werden autobiografische Züge erkennbar) und gemeinsam mit dem Schriftsteller Paul ein Duo, das immer wieder in Verwicklungen gerät. Diesmal sitzen beide auf einem Hotelschiff fest, das von einem mörderischen Unbekannten unter seine Kontrolle gebracht wird.

Das Krimi-Dinner entwickelt sich zu einem tödlichen Menü mit ungewissem Ausgang, bei dem sich die Gäste misstrauisch auf den Teller schauen und bald hinter jedem Gang den Täter erwarten. Literarisch ist ihr Buch recht leichte Kost – eher Fischbrötchen als Poseidonplatte. Kastner erzählt stringent und klar, mit vielen Dialogen und nüchterner Beschreibungsroutine. Die klare Dramaturgie bereitet keinerlei Mühe, der Handlung Richtung Horizont zu folgen. Die Figuren werden behutsam eingeführt. Stammleser begegnen in diesem Roman wieder einem altbekannten Personal, dem man gerne in ein weiteres Abenteuer folgt. Vor allem die Beschreibungen von Landschaft und Atmosphäre nehmen in diesem Buch einen breiten Raum ein.

Spionagethriller der deutschen Nachkriegsgeschichte

Auch in „Mauern und Lügen“ treten nervenzerfetzende Spannung und überraschende Wendungen in den Hintergrund. Ralf Langroth (ein Pseudonym) berichtet sachlich und mit viel politischem und zeithistorischem Wissen von der Zeit der deutsch-deutschen Spannungen zwischen Kaltem Krieg und Mauerbau. Sein Spionagethriller zeichnet plastische Schwarz-Weiß-Bilder der deutschen Nachkriegsgeschichte. Der vierte Band seiner Philipp-Gerber-Reihe, die sich um den amerikanisch-stämmigen BKA-Hauptkommissar und seine Freundin, die Journalistin Eva Herden, dreht, beginnt im August 1961. Auf dem Frankfurter Flughafen vereitelt Gerber in letzter Sekunde ein Attentat auf seinen früheren Chef, einen ehemaligen General vom US-Militär-Geheimdienst.

Offiziell ist Anderson privat nach Deutschland zurückgekehrt, doch er verfolgt geheime politische Pläne. Gerber macht Jagd auf Doppelagenten und Landesverräter, während Eva Herden zwischen gefährliche Fronten gerät: Von Informanten erfährt sie, dass eine Mauer zwischen Ost- und West-Berlin gebaut werden soll.

Trip in die Kinderstube der jungen Bundesrepublik

Zum prominenten Personal des Romans gehören unter anderen Konrad Adenauer, Billy Wilder und Egon Bahr, damals Sprecher des regierenden Berliner Bürgermeisters Willy Brandt und später Unterhändler für die Bundesregierung in Moskau und Ost-Berlin. Der Leser erlebt die Rivalität der beiden deutschen Geheimdienste und die Intrigen zwischen West und Ost. Der Mauerbau bildet den historischen Hintergrund zu diesen Ereignissen. Dem Autor geht es aber nicht nur um eine akribisch recherchierte faktische Kulisse als Bühne für seine größtenteils fiktiven Darsteller, sondern auch um historische Leerzeichen und unbeantwortete Fragen der deutschen Biografie, für die er potenzielle Antworten anbietet.

Es ist ein Trip in die Kinderstube der blutjungen Bundesrepublik. Ausgarniert mit vielen und langen Innenansichten von politischen Führungszentralen und Geheimdiensten, die manchmal eher dokumentarischen denn literarischen Charakter zeigen. Die Figuren entbehren nicht einer gewissen holzschnittartigen Anatomie: Die Journalistin ist natürlich unheilbar neugierig, die Spione düster und rätselhaft und der Kommissar ein Relikt des Kalten Krieges, der einst als US-Agent gegen die Nazis gekämpft hat und den neuen Fronten im geteilten Deutschland kaum noch folgen kann.

Sein politischer Kompass ist verdreht, die Ränkespiele zwischen Amerikanern und Sowjets, zwischen West- und Ostdeutschen, zwischen Kommunisten und Antikommunisten haben ihn schließlich zur Sicherungsgruppe Bonn geführt, einer Unterabteilung des neu gegründeten Bundeskriminalamts. Langroths Buch ist unterhaltsame Nachhilfe für Geschichts-Leistungskurse und ein authentisches Stimmungsbild der frühen 60er Jahre.

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