Bensheim. Das Bensheimer Lesefestival im Herbst 2020 war eine Kurzgeschichte ohne Happy End. Wegen steigender Coronazahlen musste die beliebte Veranstaltungsreihe praktisch wenige Stunden vor der Eröffnung abgesagt werden. „Das war sehr schwer. Wir hatten alles organisiert, die Autoren standen in den Startlöchern. Und dann mussten wir die Besucher, die nichts mitbekommen hatten, an den Spielstätten nach Hause schicken“, blickte Christoph Breitwieser am Donnerstag im Rathaus zurück.
Gemeinsam mit Heidi Scharschmidt organisiert er das Lesefestival. Das Duo präsentierte im Sitzungssaal des Magistrats das Programm für die 19. Auflage im Oktober mit viel Zuversicht. „Wir sind optimistisch, im Moment sieht es positiv aus. Auch wenn wir natürlich nicht in die Zukunft schauen können.“ Und so werden vom 2. bis zum 8. Oktober vier abendliche Lesungen im Parktheater angeboten, plus zwei Schulveranstaltungen.
Es gilt die 3G-Regel
Diese konnten auch im vergangenen Jahr durchgezogen werden, weshalb, wie Breitwieser anmerkte, das Lesefestival 2020 offiziell nicht komplett ins Wasser fiel. Die vier Termine im Parktheater können von maximal 155 Zuschauern besucht werden, es gelten die bekannten 3 G-Regeln (geimpft, genesen, getestet).
Das Organisations-Duo freut sich auf ein „buntes Programm“ und rechnet mit der einen oder anderen ausverkauften Lesung – was angesichts bekannter Namen keine Überraschung wäre. Schließlich wird das Lesefestival erneut seinem guten Ruf gerecht. Bürgermeisterin Christine Klein sprach von einer „wunderbaren Auswahl“, verbunden mit einem großen Lob für das Engagement von Scharschmidt und Breitwieser.
„Ich liebe das Lesefestival. Lesen gehört einfach zu unserer Bildung“, machte die Rathauschefin deutlich, dass sie ein gutes Buch jederzeit dem Fernseher vorziehen würde. Sie bedauerte lediglich, dass aufgrund der Corona-Pandemie und damit einhergehend einem notwendigen Sicherheits- und Hygienekonzept keine besonderen Locations ausgewählt werden konnten. Mit dem Parktheater sei man jedoch sehr gut aufgestellt.
Start mit Christian Berkel
Den Auftakt bestreitet am Samstag, 2. Oktober, um 20 Uhr Christian Berkel im Parktheater. Er präsentiert seinen zweiten Roman „Ada“. Der Mann von Andrea Sawatzki, die 2019 beim Festival in Bensheim zu Gast war, zählt zu den bekanntesten deutschen Schauspielern. Mit seinem Debüt „Der Apfelbaum“ hat er vor zwei Jahren bewiesen, dass er nicht nur vor der Kamera zu überzeugen weiß. In „Ada“ erzählt er vor dem Hintergrund bedeutender historischer Ereignisse, wie die Protagonistin, eine junge Jüdin, im Deutschland der Nachkriegszeit ihrer Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit nachgeht – und am Ende in Woodstock eine lebensverändernde Erfahrung macht.
Berkel hätte schon vor einem Jahr das Lesefestival eröffnen sollen. Er habe für den erneuten Versuch sofort zugesagt, erklärte Breitwieser. „Endlich haben wir einen Hauch von Hollywood in Bensheim“, meinte er schmunzelnd, verbunden mit dem Hinweis, dass der Schauspieler mittlerweile auch als Schriftsteller Spuren hinterlassen hat.
Spuren hat auch der zweite Autor hinterlassen, der im Parktheater auftreten wird. Der ehemalige Radprofi Marcel Kittel stellt am Dienstag, 5. Oktober, gemeinsam mit seinem Lektor Olaf Petersenn seine Autobiografie „Das Gespür für den Augenblick“ vor. Beginn ist um 19 Uhr.
Rücktritt im Jahr 2019
Der 33-Jährige verkündete 2019 durchaus überraschend seinen Rücktritt mit den vielsagenden Worten „Schmerzen definieren den Sport, die Welt, in der du lebst. Ich habe jede Motivation verloren, mich weiter auf dem Rad zu quälen.“ In den Jahren zuvor zählte er zu den erfolgreichsten deutschen Radsportlern unter anderem mit 14 Etappensiegen bei der Tour de France und drei Weltmeister-Titel im Zeitfahren.
„Er ist in Bensheim mit seiner regen Radsportszene gut aufgehoben“, meinte Breitwieser, der sich sichtlich über den gelungenen Coup freute, denn Marcel Kittel hat trotz seines Rückzugs einen ausgefüllten Terminkalender. Die Etappe im Parktheater wird als Gesprächsrunde mit seinem Lektor und dem hiesigen Radsportexperten Michael Glanzner von der SSG Bensheim gestaltet. „Ich bin schon gespannt, was die beiden Marcel Kittel alles entlocken können.“
Am Donnerstag, 7. Oktober, kommt um 20 Uhr mit Jan-Philipp Sendker auf Empfehlung der Bücherstube Deichmann kein Unbekannter an die Bergstraße. Mit seinem neuen Roman „Die Rebellin und der Dieb“ hat er ein Buch geschrieben, dass ihn nach eigenen Angaben an der einen oder anderen Stelle selbst persönlich sehr berührt habe. „Es greift den aktuellen Zeitgeist auf“, kommentierten die Organisatoren den Inhalt.
Dabei geht es um den 18 Jahre alten Niri, der mit seiner Familie im asiatischen Raum zu Hause ist und dessen Leben durch eine Pandemie aus den Fugen gerät. Sendker, 1967 in Hamburg geboren, arbeitete viele Jahre als Auslandskorrespondent und war bereits 2016 in Bensheim zu Gast.
Zum Finale wird am Freitag, 8. Oktober, Friedrich Ani um 20 Uhr im Parktheater erwartet. Er sollte bereits vor einem Jahr aus seinem damaligen Roman „All die unbewohnten Zimmer“ lesen. Nun hat er sein neues Werk „Letzte Ehre“ im Gepäck, einen durchaus düsteren Krimi mit Oberkommissarin Fariza Nasri als Protagonistin. Die Figur tritt in einigen seiner Bücher in Erscheinung.
Konkret geht es um das Verschwinden einer 17-Jährigen, die nach einer Party nicht zu Hause ankommt. Breitwieser verspricht „Grusel, Schauder und Schrecken“, eben wie es sich für eine Krimi-Nacht gehört. Normalerweise wäre diese im PiPaPo-Theater angesiedelt. „Es tut schon weh, dass unsere schönen Bensheimer Locations fehlen“, konstatierten Scharschmidt und Breitwieser.
Zwei Lesungen in Schulen
Abgerundet wird das Lesefestival mit zwei nicht-öffentlichen Lesungen in Schulen. In der Hemsbergschule liest Mara Andeck aus ihrer Kinderbuchreihe „Tschakka! Huhn voraus“. Darin geht es um nicht weniger als die Rettung der Natur und der ganzen Welt. Das haben sich Tschakka und ihr bester Freund Einstein vorgenommen.
Andeck ist Biologin und Wissenschaftsjournalistin und setzt sich besonders für Kinder und Tiere ein. „Auch für Erwachsene geeignet. Das zaubert einem ein Grinsen ins Gesicht“, gab Breitwieser die Empfehlung seiner Kollegin weiter.
An Jugendliche richtet sich der Auftritt von Martin Schäuble in der Liebfrauenschule. Dort wird er sein Buch „Cleanland“ vorstellen, in dem der 43-Jährige von einem hochtechnologisierten Gesundheitssystem berichtet, in dem zwischenmenschlicher Kontakt streng reguliert ist und nachts sogenannte Cleaner in die Wohnungen zum Desinfizieren kommen. „Es soll zum Lesen, Nachdenken und kritisch Hinterfragen anregen“, so Breitwieser. Der Autor sei eine spannende Persönlichkeit, der auch im Abendprogramm des Lesefestivals einen Platz gehabt hätte.
Alles in allem überwog bei der Pressekonferenz im Rathaus die Freude, dass der kulturelle Leuchtturm im Bensheimer Herbst mit hoher Wahrscheinlichkeit trotz Pandemie strahlen darf. Bürgermeisterin wie auch die beiden Verantwortlichen erinnerten daran, dass dies nur mit Hilfe der Sponsoren möglich sei – wofür es Anerkennung und Dank gab.
Karten nur im Vorverkauf
Tickets für das Lesefestival vom 2. bis 8. Oktober gibt es ausschließlich im Vorverkauf über das Ticketportal Reservix. In Bensheim sind die Karten auch in der Tourist-Info und im Medienhaus Bergstraße erhältlich. Eine Abendkasse wird es nicht geben.
Der Eintrittspreis beträgt fünf Euro zuzüglich Vorverkaufsgebühr. Karten können ab sofort geordert werden. Diese werden laut Veranstalter personalisiert.
Die Kapazität im Parktheater ist auf 155 Plätze beschränkt. Es gibt ein umfangreiches Sicherheits- und Hygienekonzept einschließlich der 3 G-Regel.
Das Lesefestival ist Teil des Literaturfestivals Leseland Hessen. Veranstalter ist die Stadtkultur Bensheim. Unterstützt wird die Reihe wie bisher vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst sowie der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen.
Den Wert der Kultur und vor allem des Lesens gerade für Jüngere bekräftigten die lokalen Sponsoren bei der Präsentation des Programms am Donnerstag im Rathaus. Axel Noé für die Sparkasse Bensheim, Dominik Rudolf für die GGEW AG und Yvonne Graeff für Dr. Köhler Chemie hoben den Stellenwert der Veranstaltung und ihr Engagement hervor.
Die Kinder- und Jugendtermine werden traditionell auch vom Rotary Club Bensheim-Heppenheim unterstützt. Dessen Vorsitzender Robert Beier danke Heidi Scharschmidt und Christoph Breitwieser für ihr hohes Engagement, die Emotionalität und Sensibilität, mit der beide ihre Aufgabe versehen. „Die Stadt kann stolz darauf sein, dass sich solche Menschen hier engagieren.“
Bürgermeisterin Christine Klein sparte ebenfalls nicht mit Lob und Anerkennung. Sie äußerte zudem den Wunsch, dass das Lesefestival auch noch in den nächsten Jahren ausgerichtet werden kann – wonach zumindest zurzeit auch alles aussieht.
Weitere Informationen zum Lesefestival gibt es unter www.stadtkultur-bensheim.de sowie unter www.leseland-hessen.de. dr
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