Bensheim. Am Samstag wurde Ehrenbürgermeister Georg Stolle im engsten Familien- und Freundeskreis zu Grabe getragen. Zuvor nahmen viele hundert Menschen, unter ihnen politische Wegbegleiter aus Stadt, Land und Kreis, Wirtschafts- und Vereinsvertreter sowie die Bürgermeister der Partnerstädte Amersham, Hostinne, Klodzko, Mohàcs und Riva del Garda in einem würdevollen Trauergottesdienst in der bis auf den letzten Platz besetzten Stadtkirche Sankt Georg Abschied.
Die Bensheimer Hilfsorganisationen – Rotes Kreuz, THW und Freiwillige Feuerwehr – sowie die Bürgerwehr der Heimatvereinigung Oald Bensem erwiesen dem Verstorbenen die letzte Ehre und standen Spalier, als der Sarg aus der Kirche getragen wurde.
Georg Stolle, der Bensheim als Bürgermeister dreißig Jahre lang geprägt, in vielerlei Hinsicht vorangebracht und Stadtgeschichte geschrieben hat, war am 19. Januar im 81. Lebensjahr plötzlich und für alle unerwartet verstorben. Während des Gottesdienstes war sein Sarg vor dem Altar aufgebahrt, eingerahmt und bedeckt mit Blumenkränzen in den Stadtfarben rot und weiß, einem Rosenherz sowie Stadt- und Europafahne. Ein leuchtender Weihnachtsstern und die Installation aus 5000 Origami-Friedenstauben, die sanft und beständig über den Köpfen der Trauernden pendelten, machten das Abschiednehmen von einem großen Mann und aufrechten Charakter zu einem symbolischen Akt von Glanz und Hoffnung.
Pfarrer Thomas Catta, der den Gottesdienst gemeinsam mit seinem Amtskollegen Franz-Josef Herd hielt, nannte Stolle einen Mann, „der Menschen zusammenführen und vernetzen konnte und der selbst gern unter Menschen war.“ Er hielt die Trauergemeinde dazu an, über den Tod und den Abschied nicht die Freude „über das Geschenk, das Georg Stolle uns mit seinem Leben gemacht hat“ zu vergessen: „Wir wollen heute seine Persönlichkeit und sein Lebenswerk würdigen und feierlich Danke sagen.“ Trauern heiße auch, sein Leben zu feiern und sich an die frohen Momente zu erinnern.
In einer persönlichen Ansprache gedachte die Tochter des Verstorbenen, Christine Weyand, ihres Vaters, den sie „liebevoll, geduldig, humorvoll, lebensbejahend und offen“ nannte. Er hätte es nicht gewollt, so Weyand, „dass wir alle wie Trauerklöße herumsitzen und uns die Seele aus dem Leib weinen. Lieber hätte er ewig weitergelebt, um uns die Trauer zu ersparen.“ Seiner Familie und den Menschen, die ihn gekannt und die sich ihm verbunden gefühlt haben, habe er das positive Denken und die Dankbarkeit als „letztes Geschenk mit auf den Weg gegeben.“
Christine Weyand, die vom plötzlichen Tod ihres Vaters ebenso überrascht wurde wie alle anderen („Wir können es kaum glauben. Er selbst dachte, dass er noch viel Zeit hat, und er steckte voller Begeisterung und Pläne. Er wollte noch viel sehen und erleben“), sprach von den gemeinsamen schönen und kostbaren Momenten „die wir mit ihm erleben durften“ und den bleibenden Erinnerungen.
Auch sie ermunterte die Trauergäste, sich trotz aller Wehmut darüber zu freuen, „dass er gelebt hat.“ Genau dies hätte ihr Vater gewollt. Dass sein Sohn Martin heute mit dem Kammerchor Cantemus und dem Chor von Sankt Georg den Gottesdienst musikalisch mitgestaltet, „hätte ihm eine besondere Freude bereitet“.
In seiner Predigt ging Pfarrer Catta auf den Lebensweg von Ehrenbürgermeister Stolle ein, sprach von der Flucht mit Mutter und Bruder Franz in Viehwaggons aus Oberschlesien nach Bensheim – mit Zwischenstation in Friedland, Arholzen und Recklinghausen.
Catta zitierte aus Stolles persönlichen Aufzeichnungen, die er anlässlich des 70. Jahrestages seiner Ankunft in Bensheim niedergeschrieben hat. Die blaue Daunendecke, die die Mutter zusammen mit Dokumenten und Fotoalben im Gepäck verstaut hatte, „besitzen wir noch heute, und sie wird immer noch genutzt.“
Am 3. August 1949, dem 42. Geburtstag der Mutter, betraten Georg und Franz Stolle erstmals Bensheimer Boden. Zunächst wohnte die Familie im Bischöflichen Konvikt, das während des Krieges als Lazarett diente und nach Deutschland verschleppten oder geflüchteten Menschen Herberge gab. Später waren dort im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz Jugendliche, die aus dem Osten vertrieben oder geflüchtet waren, untergebracht. Bis 1960 hat das „Studienwerk für heimatvertriebene Schüler“ 166 Jugendlichen in Bensheim das Abitur ermöglicht, unter ihnen Georg Stolle. „Die Mutter hatte das Regiment über die Küche.“ Der ehemalige Konvikt-Schlafsaal der Jungen wurde später Stolles Amtszimmer.
Catta beschrieb den Verstorbenen als „umsichtigen, rücksichtsvollen, souveränen, verantwortungsvollen Menschen mit aufrechtem Charakter und großen Lebensspuren.“ Zuversicht statt Resignation, Qualifikation statt Parteizugehörigkeit seien ihm wichtig gewesen: „Sein Beruf war seine Berufung. Georg Stolle war der Patron und Vater der Stadt.“
Auch an die Hinterbliebenen direkt richtete der Stadtpfarrer das Wort. Das Ehepaar Stolle sei 53 Jahre lang ein gutes Team gewesen, und „einen Bürgermeister als Vater zu haben, bedeutet für die Kinder oft Verzicht“. Georg Stolle sei jedoch jemand gewesen, „der sich für seine Kinder begeistern konnte und ihnen Freiraum gelassen hat“.
Der Werdegang seiner beiden Enkelkinder habe ihm sehr am Herzen gelegen, und aus dem Zusammenhalt in der Familie, insbesondere durch die Kraft von Ehefrau Waltraud, habe Stolle während der langen Jahre seiner Krankheit Mut geschöpft und mit eisernem Willen dagegen angekämpft.
Der Glaube sei für Georg Stolle Halt und Herausforderung gewesen, kam Catta zum Ende seiner Predigt. Abschließend würdigte er die Verdienste des Verstorbenen für den Bau eines Europäischen Hauses: „Von West bis Ost auf Augenhöhe – Georg Stolle war auf seine Art ein Schrittmacher des Friedens.“
Neben den beiden Chören gab Regionalkantor Gregor Knop an der Orgel dem Trauergottesdienst für Georg Stolle mit Musikstücken von Johann Sebastian Bach, Maurice Durufle und Felix Mendelssohn einen würdigen musikalischen Rahmen.
Nachrufe: „Ein Glücksfall für unsere Stadt“ und „Brückenbauer für Europa“
Bürgermeister Rolf Richter: Einen sehr persönlichen Bezug und eine enge Bindung zu Georg Stolle hatte Bürgermeister Rolf Richter, wie er im Nachruf auf seinen „politischen Ziehvater“ verriet: „Er hat mich für die Bensheimer Politik gewonnen. Wir standen bis zuletzt in intensivem Austausch, auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren. Ich habe ihm viel zu verdanken“.
Die „innige Verbundenheit“ zu Bensheim habe sie vereint. „Georg Stolle war ein Glücksfall für unsere Stadt. Ein Riesenstück Bensheim geht für uns verloren. Georg Stolle war unser Schorsch! Eine Institution.“ Richter sprach vom eisernen Willen des Verstorbenen, sich seiner Krankheit nicht geschlagen zu geben, was ihm auch dank der Unterstützung seiner Ehefrau gelungen sei.
Für seine 30-jährige Amtszeit als Bürgermeister „ist ihm die gesamte Stadtgesellschaft dankbar.“ Sein Tod habe eine „überwältigende Welle der Dankbarkeit“ ausgelöst.
Richter bezeichnete Georg Stolle als „einzigartigen Menschen mit vielen Facetten“ und einen Weichensteller für ein modernes Bensheim. Seinen Fokus habe er immer auf eine lebendige Innenstadt und die Ansiedlung von Gewerbe gerichtet. Er habe die Vereine gestärkt, wichtige Infrastruktur und Sportstätten gebaut. „Bildung und Kultur haben ihn besonders interessiert. Er führte aber auch die Menschen beim Feiern zusammen und stärkte die dörfliche Gemeinschaft.“
Für seinen lebenslangen Einsatz für die Völkerverständigung, sein soziales, sowie sein ehrenamtliches politisches Engagement wurde Georg Stolle 2012 mit der Freundschaftsplakette und später mit der Ehrenmedaille ausgezeichnet: „Georg Stolle war eine charismatische Figur.“
Staatssekretär Thomas Metz: „Georg Stolle hat das Gemeinwohl vorangebracht. Er war ein Vordenker im Kreis und in der gesamten Region. Er war ein Mann der leisen Töne und gleichzeitig willensstark. Nie hat er sich in den Vordergrund gespielt, aber seine Präsenz war stets deutlich spürbar. Er war ein Vorbild“, würdige Staatssekretär Thomas Metz den Mensch und Politiker. Metz nahm in Vertretung des Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier an der Trauerfeier teil. Unter anderem wegen seines Einsatzes für die Völkerverständigung und vieler anderer Verdienste wurde Stolle 2016 das Bundesverdienstkreuz verliehen.
Landrat Christian Engelhardt: Im Namen der bei der Trauerfeier anwesenden Bürgermeister und des Hessischen Landkreistages zeigte sich Landrat Christian Engelhardt „fassungslos über den Tod einer großen Persönlichkeit.“ Georg Stolle habe die Region „mit Tatkraft und Geschick“ groß gemacht und immer über den Kirchturm hinweg geblickt. Für ihn habe es kein „Bensheim first“ gegeben. Er gehörte zwölf Jahre lang dem Kreistag an, ab 1985 war er dessen Vorsitzender.
Carola Heimann für die Freundeskreise: „Für Georg Stolle waren die Partnerstädte eine Herzensangelegenheit, die er auch nach seiner offiziellen Amtszeit aktiv unterstützt hat“, zeichnete Carola Heimann ein Bild des Verstorbenen als Baumeister am Haus Europa. Als Beweis für große Wertschätzung und Freundschaft wurde Stolle von den Städten Beaune, Klodzko, Amersham, Mohàcs und Riva del Garda zum Ehrenbürger ernannt.
Siegbert Ortmann für den BdV: Der Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV), stellte das ehrenamtliche Engagement Stolles für den BdV und die Schlesische Landsmannschaft in den Fokus. „Er war ein kompetenter Seiteneinsteiger mit großem Sachverstand und ausgleichendem Wesen.
Bei kontroversen Diskussionen hat er stets für Verständigung gesorgt.“ Bis zu seinem letzten Tag habe er gegen Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus gekämpft: „Er war ein wertvoller Kollege und ein unendlich guter Mensch.“
Christoph Bergner (Lions-Club): Als „Brückenbauer“, der immer die Möglichkeit suchte, den Menschen zu helfen und als einen großen Gewinn für die Gesellschaft bezeichnete Pfarrer Christoph Bergner vom Lions-Club den Toten: „Die Zeit mit ihm war immer ein großer Gewinn.“
Karl Schelzke: Für den Hessischen Städte- und Gemeindebund, dem der Verwaltungsjurist Stolle von 1968 an bis zu seiner Wahl als Bürgermeister von Bensheim angehörte, sprach dessen Geschäftsführer und Direktor Karl Schelzke. gs
GLB spricht über neuen Regionalplan
Das Regierungspräsidium ist dabei, einen neuen Regionalplan/Regionalen Flächennutzungsplan für Südhessen aufzustellen. Der aktuelle Plan trat 2011 in Kraft und soll überarbeitet werden und „der Dynamik der Region nachhaltig gerecht werden“, wie es im Vorwort des Regionale Entwicklungskonzepts (REK) heißt.
„Wir als Grüne wollen eine Entwicklung im Innenbereich der bestehenden Siedlungen und nicht im Außenbereich und wir befürchten, dass der neue Entwurf für den Regionalplan dem entgegensteht“, sagt GLB-Fraktionsvorsitzende Doris Sterzelmaier. Die Studie wurde 2018 erstellt. Für Bensheim ist zusätzliche Flächenversiegelung mit neuen Wohn- und Gewerbegebieten enthalten.
Im öffentliche Teil der Fraktionssitzung am Dienstag, 4. Februar, ab 20 Uhr in der Gaststätte Präsenzhof, Bahnhofstraße, bespricht die GLB-Fraktion den Entwurf.
"Mein Vater hätte nicht gewollt, dass wir wie Trauerklöße ...
"Georg Stolle war Patron und Vater der Stadt. Sein Beruf war ...
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-lebenswerk-von-georg-stolle-gewuerdigt-_arid,1596105.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim.html