Gewässer

Lebensgefahr an der Bensheimer Erlache

Von 
Dirk Rosenberger
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Überwachen und retten: Die DLRG ist ein wichtiger Baustein im Sicherheitsnetz im Kreis. Unser Archivbild zeigt die Suche nach einer vermissten Person im nicht bewachten Teil des Bensheimer Badesees. © Strieder

Bensheim. Thomas Rech ist ein Freund klarer Worte. Das muss der stellvertretende Einsatzleiter des DLRG-Kreisverbands Bergstraße auch sein, wenn er seine Botschaft unters Volk bringen will. Denn die Anzahl der unvernünftigen Erholungssuchenden und Hobbyschwimmer nimmt nicht ab – im Gegenteil.

Rech steht am Donnerstagmorgen am Bensheimer Badesee, Lufttemperatur 24 Grad, Wassertemperatur 22 bis 23 Grad. Der weitläufige Sandstrand füllt sich, 2000 Gäste dürfen unter Pandemiebedingungen auf das Gelände. Auch hier kommt es ab und an zu Zwischenfällen, die aber oft noch glimpflich ausgehen, weil gut ausgebildete Rettungsschwimmer und Bademeister den nördlichen Teil des Gewässers überwachen.

Rech, im Hauptberuf Lehrer, schildert zwei Fälle, die zeigen, wie schnell ein schöner Badetag in einer Katastrophe münden kann. So geriet vor wenigen Wochen ein 19-jähriger Heppenheimer in Not, der letztlich gerettet werden konnte. „Er hat sich beim Schwimmen erschrocken, weil irgendetwas seinen Fuß gestreift hat. Dadurch geriet er in Panik und ging unter – von jetzt auf gleich.“

Glück hatte außerdem eine Mutter, die mit ihren beiden Kindern zur künstlichen Insel auf dem See schwamm. Auf dem Rückweg schwanden bei den Kindern die Kräfte, sie klammerten sich an ihre Mutter, die wiederum kurze Zeit später am Ende war. Dank der schnellen Reaktion der Badeaufsicht erreichten alle unbeschadet das Ufer. „In bewachten Gewässern haben sie im Ernstfall eine Chance zu überleben“, betont der stellvertretende DLRG-Einsatzleiter.

Badeverbot wird ignoriert

Das ändert sich allerdings beim Badesee schon, wenn man am gefährlichen Südufer mit seinen Schlingpflanzen unter der Oberfläche ins Wasser steigt, weil man sich den Eintritt sparen möchte oder außerhalb der Öffnungszeiten unterwegs ist. In diesem Bereich gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Todesopfer zu beklagen.

Noch größere Sorgen machen sich die Rettungskräfte aber bei einem anderen Gewässer in Bensheim – der „neuen“ Erlache, wo aktuell Kies abgebaut wird. Dort herrscht absolutes Badeverbot, auch am Ufer sollte man sich besser nicht aufhalten. Dennoch trifft man (vor allem bei schönem Wetter wie momentan) viele Menschen an, die die Schilder und Absperrungen ignorieren.

Was Rech davon hält, braucht man nicht zwischen den Zeilen heraushören. „Der See ist das Grauen.“ Selbst erfahrene Taucher könnten dort nur unter Lebensgefahr arbeiten, wenn sie müssen. Die Sichtweite betrage 20 bis 50 Zentimeter, die Gegebenheiten änderten sich durch den Einsatz des Saugbaggers ständig.

Sprich: Wer dort ins Wasser geht oder sich am „Strand“ aufhält, bringt nicht nur sich, sondern auch die ehrenamtlichen Helfer in große Gefahr, wenn es zu einem Notfall kommt. Der See ist schließlich nicht zum Freizeitvergnügen da, sondern wird gewerblich genutzt. Einsichtig zeigen sich laut Rech jedoch längst nicht alle, wenn sie vor Ort angesprochen werden. „Da kommt es dann mitunter zu Anfeindungen, auch weil unseren Worten nicht geglaubt wird.“ Ähnliches gilt für den Niederwaldsee bei Fehlheim, der seit Jahren beliebte Anlaufstelle und Brennpunkt in einem ist.

Mit Aufklärungsarbeit und Kontrollen soll das Gefahrenpotenzial reduziert werden. Thomas Rech ist dem Ordnungsamt dankbar, das mit Unterstützung eines privaten Sicherheitsdiensts verstärkt Präsenz zeigt.

Die DLRG warnt zudem davor, im Rhein oder Neckar nach Abkühlung oder sportlicher Herausforderung zu suchen. Darauf weist Rech am Donnerstag in Bensheim ebenfalls hin. „Dort bitte weder baden noch schwimmen, auch nicht in Ufernähe. Auch wenn der Rhein beispielsweise wenig Wasser führt, ist das schnell und tödlich. Das ist Wahnsinn.“

Trotz steigender Unvernunft und dem sommerlichen Drang ins Freie, vor allem in der Corona-Pandemie, verzeichnet der Kreis in diesem Jahr bisher weniger Unglücksfälle als 2020. So gab es bisher „nur“ einen Todesfall, vor wenigen Tagen am Lampertheimer Badesee. Wobei der Mann, so Rech, wohl wegen eines medizinischen Notfalls unterging. Im vergangenen Jahr gab es bis Mitte August schon fünf Badetote. 79 Prozent der Ertrunkenen bundesweit sind übrigens männlich – weil sich die Herren der Schöpfung öfter selbst überschätzen und bei Badeausflügen zudem dem Alkohol zugeneigter sind.

In 99 Prozent der Fälle, um noch einmal die Statistik zu bemühen, ist es ein stilles Ertrinken, betonen die Fachleute. „Das ist nicht so, wie man es aus Film und Fernsehen kennt“, bekräftigt Thomas Rech. Da braucht es das geschulte Auge eines Rettungsschwimmers oder Bademeisters, um die Anzeichen zu erkennen. „Das ist eine hochkonzentrierte Arbeit. Die sitzen nicht da, weil sie Flip-Flops tragen und braun werden wollen“, bemerkt Uwe Sänger vom Badesee-Betreiber GGEW.

Eine „Monsterleistung“

Die „Monsterleistung“ (Rech) wird umso beeindruckender, wenn sich nicht nur 2000, sondern (wie in Zeiten vor Corona) mehr als 5000 Besucher auf dem Gelände und im Wasser aufhalten.

Stichwort Leistung: Dafür gab es beim Ortstermin am Donnerstag viel Lob von verantwortlicher Seite für die DLRG. Sowohl Bürgermeisterin Christine Klein als auch die Kreis-Gesundheitsdezernentin Diana Stolz dankten den ehrenamtlichen Helfern für ihr Engagement zum Wohl der Allgemeinheit.

DLRG sucht immer Mitglieder

Der Bensheimer Badesee hat eine Größe von 7,7 Hektar und eine Wassertiefe von bis zu 17 Metern. 15 000 Quadratmeter Wasserfläche sind überwacht und damit zum gefahrloseren Schwimmen geeignet.

Der Betreiber, die GGEW AG, überwacht mit eigenem Personal den Badesee, in Spitzenzeiten und bei Engpässen unterstützt von der DLRG.

Die Deutsche Lebensrettungs Gesellschaft hat im Kreis Bergstraße zwölf Ortsgruppen. „Wir können immer Unterstützung gebrauchen“, wirbt der stellvertretende Einsatzleiter im Kreis, Thomas Rech, um neue Mitglieder – sei es beim Wach- oder Rettungsdienst.

Auch in den Überschwemmungsgebieten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfallen waren die Spezialisten gefordert: Taucher, Strömungsretter und Bootsführer waren im Einsatz. „Wir sind eine starke Truppe“, so Rech. Wie bei vielen anderen Organisationen auch benötigt man vor allem aber junge Leute, um stark und schlagkräftig zu bleiben.

Im Kreis Bergstraße gibt es zwei offizielle Badeseen: in Bensheim und in Lampertheim. Dazu kommt der Kärcher in Biblis, der vorwiegend zum Wassersport genutzt wird. Außerhalb der Kreisgrenzen sind unter anderem der Wiesensee in Hemsbach oder der Waidsee in Weinheim beliebte Anlaufpunkte.

Eine Erhebung des Kreises aus der Vor-Coronazeit ergab, dass an heißen Sommertagen bis zu 25 000 Besucher die Freibäder und Seen im Kreisgebiet aufsuchen. dr

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