Behindertenhilfe Bergstraße

Kunstwerke, die Emotionen wecken

Die 25. Ausstellung „Kunst kennt keine Behinderung“ zeigt 339 Werke von mehr als 40 Künstlern

Von 
Gerlinde Scharf
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„Kunst kennt keine Behinderung“: Viele Besucher bewunderten bei der Jubiläumsausstellung der Behindertenhilfe Bergstraße die bunten und fantasievollen Kunstwerke, die noch bis 20. Dezember zu sehen sind. © Ernst Lotz

Auerbach. „Kunst kennt keine Behinderung“– Kunst berührt, Kunst kennt keine Vorurteile und keine Schranken. Wie viele glückliche Momente Kunst den Menschen beschert, wurde auf der 25. Jubiläumsausstellung der Behindertenhilfe Bergstraße (bhb) deutlich sichtbar.

„Es wärmt“ beschrieb eine Besucherin treffend ihren Eindruck von der Vielfalt, der Qualität und Quantität der 339 ausgestellten Bilder von mehr als 40 Menschen mit Behinderung, die die Wände der Flure, von Foyer und Cafeteria füllten – jeweils nach Themen und Künstlern geordnet. Darunter auch jene Premiumwerke der beiden Berufsmaler der bhb, Jürgen Klaban und Marc Oden. Nicht zu vergessen die Sammlung ihres verstorbenen Künstler-Kollegen Robert Wilhelm (nur am Tag der Ausstellungseröffnung zu sehen) und die Arbeiten der übrigen talentierten Hobbymalerinnen und -maler mit geistiger Behinderung, die im Rahmen der arbeitsbegleitenden Maßnahmen entstanden sind, und von Menschen der Tagesförderstätte.

Wie schon bei früheren Ausstellungen unter dem Titel „Kunst kennt keine Behinderung“ standen die Besucher bei der Eröffnung und beim anschließenden Rundgang dicht an dicht gedrängt. Christian Dreiss, Geschäftsführer der Behindertenhilfe, kommentierte das 25-jährige Jubiläum mit dem Wort „unglaublich“. Beim Start des Projektes habe niemand daran gedacht, dass es eine „solche Strahlkraft“ verbreiten werde.

Dreiss stellte des Weiteren den noch druckfrischen Kunstkalender 2025 der bhb vor, der erstmals im Hochformat aufgelegt wurde. Und er machte auf eine Kooperation der Behindertenhilfe mit der Taschenmanufaktur Packesel aus dem Odenwald aufmerksam. Aus alten bhb-Werbebannern und Flyern entstanden hübsche, obendrein praktische, individuelle und nachhaltige Upcycling-Produkte wie Taschen und Mäppchen. Vorbestellungen sind möglich.

Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung vom „Hoffmann Projekt“ mit Frontsänger Reinhold und Johannes Wemmer am Keyboard.

„Mir kommen die Tränen, so fantastisch ist es hier.“ Mit diesen emotionalen Worten eröffnete Gabriele Mundt, Vorsitzende der Gruppe Kunst im Fürstenlager des Kur- und Verkehrsvereins Auerbach, die Ausstellung und erinnerte zunächst an die erfolgreichen Präsentationen von Künstlerinnen und Künstlern der bhb im Frühjahr und Herbst im Damenbau. Man werde die Zusammenarbeit noch ausweiten, versprach Mundt und erwähnte zudem die Teilnahme der Künstler an der Bensheimer Kunstmeile und den Kontakt mit Schülern der Schlossschule in Heppenheim.

Voll des Lobes war die Laudatorin über die erstaunliche Kreativität, die „selbstlose Kraft der Kunstwerke, die imstande ist Emotionen zu wecken“ und keine Grenzen kennt und – schmunzelnd – von der Vielzahl der verbrauchten Filzstifte und Farben. Mit Freude zitierte Mundt einige der Bild-Titel wie „Kunst ist wie Heilkräutertee“, „Kunz kennt keinen Kaffeeklatsch“, „Frische Kunst 2024“ und „Kunst ist ein Zauber.“ Dank sagte sie an Ralf Thomas Rogala und Dariusz Wollny-Burkhardt für ihre Arbeit mit den Künstlern und die Organisation der Ausstellung.

Fraa vun Bensem mit Ohrringen und kunterbunte Vogelschwärme

Beeindruckt zeigten sich die Besucher bei der Betrachtung der Bilderschau neben der Vielfalt und Genauigkeit der Darstellungen auf Leinwand – von naiv, gegenständlich bis abstrakt – von den Geschichten, die sie widerspiegeln, von deren Farbigkeit, den Texten, von Wortspielereien und den kleinen Geheimnissen, die es zu entdecken gilt.

Marc Oden ist so ein Künstler, der es versteht, mit dem Edding-Stift persönliche Eindrücke zu verarbeiten („Ausschlafen Tag und Nacht“ oder „Freitag ist Spüldienst“, „Ich bin nur stark mit Quark“) und mit ausführlichen verbalen Botschaften – oder mit dem schlichten Satz „Das ist der Marc“ und einem lachenden Gesicht – zu versehen. Die Kopffüßler von Jürgen Klaban sind seit langem Kult. Aber der Vollzeitkünstler hat sich weiterentwickelt und begeistert mit einer Serie neuer Bilder, auf denen es viele Details, minutiös gezeichnet und ausgeführt, zu entdecken gilt. Wie etwa bei der Reihe „Vogel und Masken“ und vielen anderen mehr („Ein bisschen Misch-Masch“).

Uwe Rindfleisch hat ein unübersehbares Faible für Automobile, insbesondere für Bullis, aber auch für die „Ente am Strand“ und „Des is en Mercedes Lkw“. Aus dem Rahmen fallen „Die nai Fraa vun Bensem“, die ihre braune Kutte abgelegt und ganz up to date mit bunten Klamotten und Ohrringen bezaubert und die legendären „Simpsons“. Erika Rindfleisch lässt hingegen kunterbunte Vogelschwärme und Papageien wie den schillernden „Witz-Vogel“ fliegen. Die Künstlerin mit dem Pseudonym Gizmo lässt mit ihren Bildern tief in ihre Seele blicken („Das Innere der Brust – das Herz, die Seele“).

Die Ausstellung „Kunst kennt keine Behinderung“ ist bis zum 20. Dezember geöffnet und kann jeweils montags bis donnerstags von 8 bis 16 Uhr und freitags von 8 bis 14 Uhr über den Eingang Weserstraße 15 besucht werden. Käufer, die sich bereits bei der Vernissage ein Bild haben reservieren lassen, können dieses nach einem vereinbarten Termin ab dem 9. Dezember abholen.

Freie Autorin Seit vielen Jahren "im Geschäft", zunächst als Redakteurin beim "Darmstädter Echo", dann als freie Mitarbeiterin beim Bergsträßer Anzeiger und Südhessen Morgen. Spezialgebiet: Gerichtsreportagen; ansonsten alles was in einer Lokalredaktion anfällt: Vereine, kulturelle Veranstaltungen, Porträts. Mich interessieren Menschen und wie sie "ticken", woher sie kommen, was sie erreiche haben - oder auch nicht-, wohin sie wollen, ihre Vorlieben, Erfolge, Misserfolge, Wünschte etc.

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