Bensheim. Die Kunstmeile gehört seit vielen Jahren zu den Bensheimer Events, die fest im Terminkalender stehen. Das gilt für die vielen Besucher ebenso wie für die Standinhaber. So waren bei der diesjährigen Auflage wieder viele Wiederholungstäter dabei, aber auch etliche „Neue“.
Darunter eine Malerin und bekennende Pilzbegeisterte, die mit ihren leuchtend bunten Aquarellen jetzt überhaupt erstmals an die Öffentlichkeit ging. „Ich möchte einfach mal zeigen, was ich daheim so alles treibe“, erklärte die Künstlerin, die früher Taschen genäht hat und erst durch Corona zum Bildermalen kam.
Die Technik mit Umrisslinien aus Bunt- und Bleistift oder Fineliner, die dann ausgemalt werden, lernte sie in zwei oder drei Kreativkursen, fand aber schnell zu ihrem eigenen unverwechselbaren Stil, mit dem sie Fliegenpilzhäuser, Mädchengesichter oder allerlei Pflanzen erfindet und coloriert, nach dem Motto: „Farbe ist bei mir alles!“.
Erfrischen Buntes
Erfrischend Buntes gab es auch am Nachbarstand. Die Inhaberin hatte schon in einer Künstlerbude beim Bensheimer Weihnachtsmarkt ihre fantasievoll mit Modelliermasse dekorierten Besteckteile angeboten und so viel gute Resonanz verzeichnen können, dass sie nun auch erstmals bei der Kunstmeile mitmachte. Nicht nur für Kinder gedacht sind ihre mit allerlei Märchengestalten, Pflanzen und Tieren verschönerten Teile, sondern es gibt auch Handwerker- oder Ärztelöffel und sogar einen der mit Strickzeug verziert ist.
Die Künstlerin versteht das als „Gute-Laune-Besteck“ für jeden Tag – auch wenn es nicht spülmaschinentauglich ist. Das aber sei kein Nachteil, versicherte sie, denn den meisten Kindern sei ihr lustiger Löffel so viel wert, dass sie ihn gern eigenhändig abwaschen.
Den Artefakten sieht man an, dass sie mit viel Routine gemacht werden. Schon seit zehn Jahren widmet sich ihre Schöpferin diesem Hobby und beteuerte trotz großer Produktion und bestem Publikumserfolg, dass sie niemals einen Online-Shop betreiben würde: „Ich brauche das Feedback der Käufer auf den Kunsthandwerkermärkten viel mehr als das Geld, das ich mit meinen Sachen verdiene“, sagte sie.
Die Kunstmeile startete am Sonntagmittag bei bestem Maiwetter und zog sich vom Ritterplatz bis zum Hospitalbrunnen, wo der ADFC mit seiner Fahrradcodierstation eine Art Abschluss bildete. Dank des verkaufsoffenen Sonntags waren auch viele Geschäfte in der Innenstadt geöffnet und manche davon boten darüber hinaus noch Getränke wie Prosecco oder Cocktails an. In der Gerbergasse luden weiß gedeckte Tische unter anderem zu Rohmilchkäsetellern oder zu Waffeln ein.
Auch etliche mobile Stände gehörten zum Angebot und erweiterten das sonst in Bensheim verfügbare kulinarische Programm. So gab es einen Stand mit Frozen Joghurt, diverse Würste vom Holzkohlengrill oder Apfeleis in Variationen. Im gesamten Veranstaltungsgebiet hörte man Live-Musik, von jedem Genre und für jeden Geschmack etwas, ob Pop, Rock oder Country waren es vor allem Stücke, die jeder kennt und mitsingen kann – oder, wie es einer der teilnehmenden Musiker ausdrückte: „Alles, was das Herz glücklich macht“.
Live zu erleben waren auch Jürgen Klaban und seinen malenden Kolleginnen und Kollegen von der Behindertenhilfe Bergstraße auf dem Marktplatz und ein Dreher, dessen rotierende Handwerkskunst vor dem Haus Fleck zu bestaunen war. Wer wollte, konnte sogar Gutes tun – zum Beispiel mit dem Kauf von Bildern zugunsten von MyCharityArt oder beim Kuchen- und Marmeladenverkauf von „Bensheim hilft“ am Bürgerwehrbrunnen.
Die Angebotspalette der Kunstmeile umfasste das gesamte übliche Spektrum mit Schmuck, Holzarbeiten und Genähtem. An den Schmuckständen gab es mehr oder minder konventionelle Gold- und Silberschmiedearbeiten, aber auch Ringe aus Filz oder solche zur Meditation, die mit einer speziellen Schmiedetechnik hergestellt werden: Zwei Ringe werden übereinander geschoben und der Innenring anschließend oben und unten so geweitet, dass der äußere Ring nicht mehr darüber rutschen kann.
Nervöse Menschen können sich mit so einem Ring beruhigen, indem sie am Ring drehen und damit negative Energie kanalisieren, hieß es. Lampen aus Wurzel- und Fundhölzern wurden mehrfach angeboten, daneben aber auch mit Leinöl behandelte Bänke und Schemel aus Altholz. Dazu Löffel in unterschiedlichsten Formen aus jungem Holz, meist Abfällen vom Obstbaumschnitt, geschnitzt und anschließend – wegen des weniger ausgeprägten Geschmacks – mit Mohnöl behandelt.
Alte Holzhobel waren mit Bereifung versehen worden und taugten so zum Fahrzeug für Asterix und Obelix oder Tim und Struppi als Spielfiguren. Für echte Hunde gedacht waren dagegen robuste Dog-Accessoires, geflochten, geknotet und geknüpft in großer Farbenvielfalt aus Paracord, also Schnüren, die ursprünglich aus dem Fallschirmzubehör stammen.
Genähtes und Bedrucktes
Es war viel Genähtes zu finden, zum Beispiel Pfotentücher, Taschen und Beutel mit applizierten Tiermotiven, aber auch bequeme Leseknochen, Sattelbezüge und Taschen aus buntem Wachstuch. Im textilen Bereich angesiedelt waren mit der Punchneedle gefertigte, korkbelegte „Tassenteppiche“ als flauschiger Schutz für den Tisch.
Als Tischdeko ebenfalls tauglich: Keramik, wie bunte Kinderteller mit Tiermotiven oder an japanischen Formen orientierte Schalen. Und, für draußen, Outdoorkerzen in aus Beton gegossenen Behältern, in denen man seine Kerzenreste verwerten kann.
Geschmackvolle Blumensträuße und ausgefallene Pflanzen gab es zu kaufen, zum Beispiel besondere Dahlien- oder Fuchsiensorten, die aus Australien stammende Craspedia oder einen frostharten Eukalyptus. Empfindlicher dagegen die Buchkunst der besonderen Art: Literatur des 19. Jahrhunderts, entkernt und mit interessanten, dreidimensional arrangierten Illustrationen versehen. Und was wäre die Kunstmeile ohne die vielen gemalten, gedruckten und fotografierten Bilder, von der ästhetisch inszenierten Konservendose über bunte Monster und neonfarbene Fabelwesen bis zu pummeligen Badenixen.
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