Ausstellungseröffnung

Kunst von der Straße ins Museum geholt

„A New Beginning“ im Museum Bensheim noch bis 23. Juni zu sehen / Reso und Sen2 präsentieren Graffiti und Streetart im Galerieformat

Von 
Eva Bambach
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Die Ausstellung „A New Beginning“ der beiden international renommierten Streetart-Künstler Reso (Bild) und Sen2 Figueroa wurde am Freitagabend eröffnet. © Thomas Neu

Bensheim. Von der Straße ins Museum – kann das gut gehen? Graffiti und Streetart leben schließlich vom übergroßen Format und vom Bezug auf den öffentlichen Raum; im Prinzip gehört auch noch ein gewisses provokatives, weil illegales Element dazu. Doch längst hat diese Kunstform nicht nur den Weg auf den Kunstmarkt, sondern auch in die Museen gefunden. Und in dem Moment, in dem der Künstler den Außenraum mit seinen Herausforderungen und Anregungen verlässt, verändert sich auch seine Kunst. Im besten Fall entsteht dann etwas Neues, Eigenständiges.

So ist das jedenfalls bei der neuen Ausstellung im Museum Bensheim – Titel: „A New Beginning“ – deren Eröffnung am Freitagabend viele Kunstinteressierte begeisterte. Gut zwanzig Arbeiten sind jetzt im Forum des Museums zu sehen, von der Riesenleinwand mit drei Metern Breite bis zum wohnzimmertauglichen Kleinformat. Das Ganze ist eine Doppelausstellung zweier Künstler, die seit Jahrzehnten Weggefährten sind. Der im deutschsprachigen Raum wohl bekanntere ist Reso, wie sich der 1975 in Saarbrücken geborene Patrick Jungfleisch nennt, der schon als Jugendlicher mit dem Sprayen anfing, als ein Teil seiner Familie in New York lebte und er sich bei Besuchen dort von den knallbunt bemalten U-Bahn-Zügen stark beeindrucken ließ.

In der Szene war Reso schon ungefähr seit der Jahrtausendwende bekannt, über 100 Wandgemälde, unter anderem in New York, Barcelona oder Basel, hat er realisiert. Für die breite Öffentlichkeit in Deutschland wirksam wurde er mit dem von ihm mitinitiierten Urban Art Walk in Saarbrücken, der seit der Entstehung der ersten bunten Murals im Jahr 2017 zur Touristenattraktion der saarländischen Hauptstadt geworden ist.

Für eben diesen Street Art Parcours engagierte er auch den 1969 in Puerto Rico geborenen Sandro Figueroa alias Sen2, der seit über 30 Jahren in New York lebt und arbeitet, wo er sich der berühmten „Tats Cru“ anschloss und mit seinen riesigen Wandgemälden die internationale Bühne betrat.

Zwei unterschiedliche Ansätze verschmelzen in der Ausstellung

Für das Museum Bensheim realisierten die beiden Künstler nicht nur eine gemeinsame Ausstellung, sondern sie zeigen auch zwei Arbeiten, die sie im Jahr 2022 zusammen geschaffen haben. So anregend der Zusammenklang der beiden Stile ist, so deutlich sind gleichzeitig die unterschiedlichen künstlerischen Ansätze. Wo Sen2 unverkennbar am lauten und knallbunten Habitus der Graffiti-Kunst festhält, setzt Reso auf eine deutlich verhaltenere Palette. Sucht man nach kunstgeschichtlichen Wurzeln, so könnte man Sen2 mit der Pop Art assoziieren, Reso mit dem amerikanischen Abstrakten Expressionismus oder dem europäischen Informel.

Sen2s Bilder präsentieren sich als undurchdringliche Farbflächen, die zugleich eine geradezu atemberaubende Dynamik und verblüffende Räumlichkeit offenbaren. Auch Resos Arbeiten führen den Betrachter in die Tiefe, jedoch in einem ungleich sanfteren Prozess: Die Bildoberfläche erweist sich als durchlässige Schichtung, die harten Kanten sind aufgelöst. Doch nicht für immer: In seinem jüngsten, erst vor wenigen Tagen fertig gewordenen Bild „One last Time“ knüpft er wieder an das Writing der früheren Jahre an. Direkt gegenüber hängt ein Bild, das mit seinen fast monochrom schwarzen, pulsierenden Farbnuancen eine ganz andere Handschrift zu tragen scheint und doch auch aus der Spraydose kommt.

Er sei schon immer von Schrift fasziniert gewesen, sagte Reso bei der Vernissage im Gespräch mit Museumsleiter Jan Christoph Breitwieser. Die Handschrift sei immer eng mit Gefühlen verknüpft – entledige man die Schrift ihrer Funktion eine Information zu übermitteln, so bleibe reine Emotionalität übrig. Von der Rhythmik der Schrift sei er zu einer Rhythmik der Pinselbewegungen gekommen, erklärte der Künstler seinen Schritt von der Graffiti-Kunst zu einer gestischen, intuitiveren Ausdrucksform und betonte seine Verbundenheit mit dem Werk von Pierre Soulages – der seine schwarzen abstrakten, mit Lichtreflexen arbeitenden Bilder einst ebenfalls vom Schriftzeichen her entwickelte.

Er sei inzwischen sehr weit weg von Graffiti, erklärte Reso – auch, weil diese Kunstform entgegen ihres freiheitlichen, revolutionären Rufs sehr einengend und von vielen Regeln bestimmt sei. Die Arbeit für den „neutralen“ Raum der Galerien und Museen ermögliche eine viel individuellere Ausdrucksform. „Die Freiheit findet man auf der Leinwand“, sagte Reso. Dort könne man zum Beispiel auch den Blick aufs Detail richten, auf Ausschnitte, die in der Vergrößerung eine eigene Wirkung entfalten.

Bei der Begrüßung am Freitagabend outete sich Bensheims Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung als langjähriger Fan und Sammlerin des Künstlers Reso, der diese Ausstellung im Museum ein besonderes Anliegen war.

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