Bildung - Alexander Lorz stellte sich beim „Scholl-Forum“ den Fragen der Oberstufenschüler zum Thema Antisemitismus / Kontakt zur Partnerschule in Israel ausbauen

Kultusminister diskutierte mit Scholl-Schülern

Von 
Thomas Tritsch
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Hessens Kultusminister Alexander Lorz (l.) diskutierte in der Geschwister-Scholl-Schule mit Oberstufenschülern über Antisemitismus in der Gesellschaft, seine Ausprägungen und die Erziehung zur Toleranz. © Zelinger

Bensheim. Als Reaktion auf die aktuelle Situation in Israel und die antisemitischen Anfeindungen in Deutschland hatte das Land Hessen im Mai vor der Wiesbadener Staatskanzlei die israelische Flagge gehisst. Ein Bekenntnis für das Existenzrecht und die Sicherheit Israels, mit dem Hessen seit 1965 diplomatische Beziehungen pflegt – aber auch eine Botschaft für kulturelle Offenheit und gegen die Diffamierung jüdischer Bürger in Deutschland.

Früh für das Thema sensibilisieren

Symbolbeladene Fahnen sind das eine, doch um an die Wurzel antisemitischer Tendenzen in der Bevölkerung heranzukommen, sind womöglich tiefergehende Maßnahmen erforderlich – und frühzeitige.

"Toll, mal wieder an einer richtigen Schule zu sein." Alexander ...

"Toll, mal wieder an einer richtigen Schule zu sein." Alexander Lorz, Kultusminister

Für den Hessischen Kultusminister Ralph Alexander Lorz ist es entscheidend, dass schon in der Schule über Antisemitismus diskutiert wird, um Kinder und Jugendliche frühzeitig für dieses Thema zu sensibilisieren. Das betonte Lorz am Donnerstag bei einem Besuch in der Geschwister-Scholl-Schule in Bensheim. Anlass war das „Scholl-Forum“, bei dem seit Herbst 2019 regelmäßig Personen des öffentlichen Lebens vor jugendlichem Publikum Stellung zu aktuellen politischen Themen beziehen und sich den Fragen der Oberstufenschüler stellen.

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„Antisemitismus ist ein Problem, das uns alle angeht“, so der Minister im Forum der Schule. Er erklärte, dass die Grenzen zwischen subtilen judenfeindlichen Äußerungen und systematischen Hassbotschaften in den sozialen Medien fließend seien. Qualitative inhaltliche Unterschiede seien letztlich kaum erkennbar.

Es sei daher die Aufgabe aller Deutschen, jeglicher Form von Ausgrenzung und Diffamierung entgegenzutreten. „Schüler wachsen heutzutage sehr selbstverständlich auch in der digitalen Welt auf, in der ihnen immer wieder Fake News, Hate-Speech und Antisemitismus begegnen“, so Lorz.

Aufgabe von Lehrern wie Eltern müsse sein, den Nachwuchs für diese Gefahren zu sensibilisieren. Dies sei im wahren Leben ebenso wie im virtuellen Raum eine der wichtigsten Herausforderungen der Gegenwart.

Der Minister sprach in Bensheim auch den mehr oder weniger versteckten Antisemitismus im Lager der sogenannten Querdenker und Anti-Corona-Bewegung an. Zwar sei nicht jeder antijüdisch eingestellt, doch seien solche Tendenzen in der Verschwörungs-Szene immer wieder klar erkennbar. Man denke nur an das an den „Judenstern“ angelehnte „Ungeimpft“-Zeichen, das bei vielen Demos gegen die Corona-Maßnahmen sichtbar war.

Antisemitismus ist dabei auch der Kitt, der die oft sehr unterschiedlichen Gruppen zusammenhält. Eine Frau hatte bei einer Demonstration mit ihrer Äußerung, sie fühle sich wie Sophie Scholl, deutliche Empörung hervorgerufen. In der Schule, die nach der NS-Widerstandskämpferin benannt ist, forderte der Kultusminister dazu auf, Antisemitismus in jeder Ausprägung nicht nur wahrzunehmen, sondern ihn auch als solchen offen zu benennen.

Es brauche eine Erziehung zur Toleranz im Sinne von Aufklärung und Aufgeschlossenheit. Dazu gehöre auch der Dialog mit Israel, dem Deutschland mit seiner historischen Schuld besonders verpflichtet sei. Wohl wissend, dass antisemitische Motive häufig auch in einer vermeintlich rein politisch motivierten Kritik am Staat Israel versteckt sind. Im Spannungsfeld von Politik und Religion seien judenfeindliche Tendenzen oft besonders schwer erkennbar.

Lorz ging im Laufe der Diskussion auch darauf ein, was Hessen in den vergangenen Jahren zur Antisemitismusprävention an Schulen unternommen habe. Neben einem umfangreichen Leitfaden für Lehrkräfte zur Demokratieerziehung habe das Land etwa das Projekt Netzwerk-Lotsen zur Unterstützung von Schulen bei Fragen und Konfliktfällen im Kontext extremistisch oder antisemitisch motivierten Verhaltens ins Leben gerufen.

Drei Themen-Tische

Gemeinsam mit der Bildungsstätte Anne Frank wurde ein Schulungs- und Beratungsprogramm zur Antisemitismusprävention entwickelt. Zudem gelte seit 2018 eine Meldepflicht für antisemitische Vorfälle im schulischen Umfeld.

„Ich bin der Geschwister-Scholl-Schule sehr dankbar, dass sie mit ihrem Forum den Finger in die Wunde legt und Probleme in der Gesellschaft offen anspricht“, so der Minister, der sich an drei Themen-Tischen den Fragen der Schüler gestellt hat.

Schulleiter Thomas Stricker kündigte im Forum an, dass die GSS ihre Beziehungen zu einer Partnerschule nach Israel weiter aktiv pflegen und ausbauen wolle. Durch die Pandemie sei dies zwischenzeitlich nicht in der erwünschten Qualität möglich gewesen. Der Austausch zwischen Jugendlichen sei elementar, um Vorurteile und Ressentiments abzubauen, beziehungsweise deren Entstehen zu verhindern. Die nächste Generation könne hier entscheidende Weichen stellen.

Bei der Veranstaltung war nahezu die komplette Schulleitung anwesend. Stefan Trier aus dem Fachbereich Gesellschaftswissenschaften moderierte den Besuch des Ministers, der nach Monaten des Distanzunterrichts und abgeschlossenen Klassensälen zuallererst ein ganz anderes Thema ansprach: „Toll, mal wieder an einer richtigen Schule zu sein.“

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