Bensheim. An wohl keinem Ort in einer Wohnung befinden sich so viele einzelne Gegenstände wie in der Küche. Schließlich braucht man täglich nicht nur Töpfe, Pfannen und Schüsseln, sondern auch Messer und Schneidbretter, Kochlöffel und Teigschaber, Backformen und Siebe. Und wenn man mit alle dem eine Mahlzeit gezaubert hat, will diese auch noch serviert und gegessen werden – da geht es kaum ohne Besteck und Teller, Tassen und Kannen.
Auch im Frauenhaus Bergstraße gab es seit rund 35 Jahren voll ausgestattete Küchen. Doch kamen die Utensilien überwiegend schon in gebrauchtem Zustand ins Haus und wurden über die Zeit weiter ziemlich abgenutzt. Für die schutzsuchenden Frauen sei es auch eine Frage der Würde, mit anständigen Küchengerätschaften zu arbeiten, fand der Vorstand. Schließlich, so die Erste Vorsitzende des Vereins Martina Evertz, leben die Frauen im Frauenhaus komplett selbstbestimmt. Das heißt, dass sie ihre Mahlzeiten selbst kochen und auch dafür einkaufen. Die Küchennutzung müssen sie untereinander aufteilen – klar, dass dabei dann vieles auch parallel ablaufen muss.
Deshalb braucht es viele Küchenhelfer auch in mehrfacher Ausführung. Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses haben eine lange Liste mit dem Benötigten aufgestellt und im Kreisgebiet nach Kooperationspartnern für eine besondere Spendenaktion gesucht. Statt Geld sollen ganz konkrete Gegenstände gekauft und dem Frauenhaus übergeben werden.
Vier Geschäfte, die das Frauenhaus zum Teil schon seit Jahren unterstützen, machen bislang bei der Aktion mit, weitere sind jederzeit willkommen, sagt Martina Evertz: Das Kaufhaus Ganz ist in Bensheim dabei, Rau in Einhausen, Berg & Sohn in Fürth und die Drogerie Müller in Heppenheim. In den Geschäften gibt es nach dem Modell der Hochzeitstische jeweils Tische, auf denen die gewünschten Küchenutensilien ausgestellt sind und von den Kundinnen und Kunden erworben werden können.
Das Spektrum der benötigten Küchengeräte reicht vom einfachen Backpinsel bis zum mehrteiligen Besteckkasten. Für jeden Geldbeutel ist also etwas dabei und wer etwas tiefer in Tasche greift, bekommt über den aufgewendeten Betrag auch eine Spendenquittung. Die erworbenen und als Spende bestimmten Gegenstände werden in den jeweiligen Geschäften deponiert und am Ende dem Verein Frauenhaus Bergstraße übergeben.
Es scheint, dass die Möglichkeit, ganz konkrete Hilfe zu leisten, gut ankommt. Schon in den ersten Tagen und bevor die Aktion überhaupt größer beworben worden war, gab es etliche Käufe. Die Vorstellung, mit dem Kauf etwa eines Kochtopfs ganz unmittelbar geholfen zu haben, ist offenbar tatsächlich etwas ganz anderes, als die Erfahrung, zum Beispiel 50 Euro in einen Spendentopf geworfen zu haben. Den Anstoß für die Aktion gab die seit langem laufende Sanierung des Frauenhauses, bei dem nun endlich die Fertigstellung eines Teilbereichs ansteht. Bezogen werden können demnächst vier neue Zimmer für vier Frauen mit ihren Kindern, die sich eine neu gebaute Küche teilen. Eine weitere „Übergangsküche“ wird im bisherigen Büropavillon eingerichtet – bei der Aufstellung der Schreibtische muss jetzt improvisiert werden.
Ohnehin leidet man unter den Einschränkungen, die durch die Sanierung des Gebäudes nicht zu vermeiden sind. So gibt es derzeit auch nur acht Plätze für schutzsuchende Frauen. Zuvor waren es elf. Für die Mitarbeiterinnen ist es immer wieder hart, sich die Schicksale der Schutzsuchenden anzuhören und sie dennoch abweisen zu müssen – wöchentlich komme das mindestens einmal vor, erzählt Martina Evertz.
Die überaus meisten haben, zumindest im vergangenen Jahr, Babys oder Kinder im Kindergartenalter. Die meisten Frauen bleiben für mehrere Monate im Frauenhaus. In der Regel ist das so lang, bis sie eine neue eigene Wohnung gefunden haben, bei Verwandten unterkommen – oder bis der gewalttätige Partner die bisherige Wohnung freiwillig verlassen hat. Erst dann ist wieder ein Platz frei für Frauen, die einer akuten bedrohlichen Situation entrinnen müssen.
Das Frauenhaus freut sich deshalb sehr über private Wohnungsangebote, die den Frauen den Auszug, aber damit auch einen Neuanfang ermöglichen und so auch beruflich eigene Wege eröffnen, um weiter unabhängig zu werden.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-kuechen-spenden-fuer-das-frauenhaus-bensheim-_arid,2133312.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim.html