Bensheim. Die Beliebtheit von Gregor Knops traditionellem Orgelkonzert zum ersten Advent zeigte sich auch bei der diesjährigen Ausgabe in der mit über 80 Besuchern besetzten Stadtkirche Sankt Georg. Das gehaltvolle Programm vereinte populäre Standardwerke von Johann Sebastian Bach und César Franck mit weitaus weniger bekannten, aber umso entdeckenswerteren Kompositionen des niederländischen Bach-Vorbildes Jan Pieterszoon Sweelinck (1561-1621) und des im Vergleich zu Franck oder Widor stark vernachlässigten Franzosen Félix Alexandre Guilmant (1837-1911).
Mit seiner ebenso festlich wie ernst gestimmten Stückauswahl traf der Regionalkantor sehr schön den durch die Adventszeit verkörperten Geist einer gespannten Erwartungshaltung.
Bach selbst hat die sogenannte „dorische Toccata“ d-Moll BWV 538 offenbar besonders geschätzt und immer wieder bei repräsentativen Gelegenheiten aufgeführt – etwa zur Einweihung der von ihm abgenommenen neuen Orgel der Kasseler Martinskirche im September 1732. Auch als Ouvertüre dieses Abends verfehlte der knapp viertelstündige Zweisätzer seine monumentale Wirkung nicht: Gregor Knop blieb dem charakteristischen Drive des einleitenden Toccatensatzes und der erhabenen Größe des epischen Fugenfinales absolut nichts an Präzision und Inspiration schuldig.
Wegweiser für kommende Komponistengenerationen
Durch seine satte 44 Jahre währende Organistentätigkeit an der Amsterdamer Oude Kerk wurde Jan Pieterszoon Sweelinck nicht nur zur nationalen Institution, sondern auch zum zentralen Wegweiser kommender Komponistengenerationen. Knop machte mit den wunderbar kunstvoll-schlichten Adventslied-Variationen „Nun komm, der Heiden Heiland“ und insbesondere der kontrapunktisch wie harmonisch extravaganten „Fantasia chromatica“ bezwingend deutlich, dass gerade der junge Bach stark von dem holländischen Meister beeinflusst wurde (siehe vor allem die „Chromatische Fantasie“ BWV 903). Den idealen Übergang von der prägenden barocken Formenwelt hin zur klangbeseelten französischen Orgelromantik schuf César Francks 1862 entstandener h-Moll-Ohrwurm „Prélude, Fugue et Variation“, dessen melodische Intensität Knop auch im polyphonen Mittelsatz überaus klar und beredt vermittelte.
Félix Alexandre Guilmant war ein echter Pionier der französischen Orgelmusik: als Titularorganist der Pariser Kirche Sainte-Trinité, als führender Pädagoge am dortigen Konservatorium, als Herausgeber historischer Orgelwerke, als weltweit konzertierender Virtuose mit allein drei Amerika-Tourneen, nicht zuletzt als Schöpfer unter anderem von acht Orgelsonaten in der Nachfolge seiner wichtigsten Vorbilder Bach und Mendelssohn. Diese teilte er übrigens mit seinem befreundeten Münchner Kollegen Josef Gabriel Rheinberger, der ebenfalls einem eher klassisch ausgerichteten und weniger sinfonisch-orchestral angelegten Sonatentypus huldigte.
Guilmants leidenschaftliche Bach-Verehrung kommt besonders in der 1881 geschriebenen dritten Sonate c-Moll opus 56/3 zum Ausdruck, die Gregor Knop als adäquat krönenden Abschluss dieses Adventskonzerts präsentierte – ebenso energiegeladen wie formbewusst in den sehr prägnant erfundenen Rahmensätzen Präludium und Fuge, schwärmerisch bewegt im fein kolorierten As-Dur-Adagio mit seiner an Mendelssohn erinnernden „religioso“-Stimmung. Den derart geweckten Wunsch nach mehr Guilmant erfüllte der kräftig beklatschte Organist sogleich in Gestalt der erquickend zugegebenen Händel-Paraphrase „Tochter Zion“ G-Dur opus 90/16 aus den späten Charakterstücken des Komponisten.
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