Bensheim. Kochen verbindet. Wer schon einmal gemeinsam mit Freunden etwas zu essen vorbereitet hat und einen schönen Abend hatte, wird dieser Aussage ohne weiteres zustimmen. Doch das, was sich am Freitagabend in der Küche der Liebfrauenschule in Bensheim zutrug, geht wohl darüber hinaus. Beim interkulturellen Kochabend, den der Verein „Welcome to Bensheim“ ausrichtete, wurde afghanisch gekocht. Die Essenszubereitung war jedoch vielmehr Mittel zum Zweck. Das gegenseitige Kennenlernen, das voneinander Lernen und das Eintauchen in eine fremde Kultur bestimmten den Abend.
Dass diesmal die Speisen und Kultur Afghanistans im Mittelpunkt standen, lag am Engagement von Sabine Beier. Sie ist Teil des Teams „Soziales und Integration“ der Stadt Bensheim. „ Wir kümmern uns um die Menschen in den städtischen Unterkünften“, sagt sie. In einer Unterkunft entstand die Idee einiger Frauen, gemeinsam zu kochen.
Eine Idee, die bei Sabine Beier auf offene Ohrern stieß und die sich mithilfe des Vereins umsetzen ließ. Beier betont, dass sich die Frauen im Vorfeld untereinander nicht kannten und sich nun durch die Planung des Abends untereinander vernetzt haben und gegenseitig austauschen. Das Wichtigste bei alldem sei jedoch, dass „wir ihnen mehr Selbstvertrauen vermitteln“, sagt Beier über die Frauen, die im Zeitraum von 2013 bis 2017 nach Deutschland gekommen sind.
Lida ist 20 Jahre alt und seit drei Jahren in Deutschland. Sie erklärt, welche Gerichte an welcher Station zubereitet werden. An einer Kochstation gibt es Mantu. Das sind Teigtaschen, die entweder mit Rindfleisch oder in der vegetarischen Variante mit Lauch gefüllt werden. Dabei handele es sich allerdings um einen speziellen, afghanischen Lauch, den es in Deutschland nicht zu kaufen gebe, verrät Lida. Der Lauch in den Mantu stammt in Teilen aus eigenem Anbau. Der Name der Teigtaschen erinnert an die türkischen Manti, die beim letzten Kochabend Anfang Mai hergestellt wurden. Von der Form unterscheiden sich die türkischen und afghanischen Teiglinge allerdings.
Die Teigtaschen werden anschließend in einem speziellen Kochtopf, der mehrere Ebenen enthält, gedämpft. Nur in der untersten Ebene ist Wasser, das verdampft und bis nach oben steigt und die Mantu gart. Die Teigtaschen sind alle von Hand geformt, der Teig ist selbstverständlich selbstgemacht.
Einen Nachtisch gab es natürlich auch: Den afghanischen Milchpudding "Ferni"
„Afghanische Gerichte brauchen viel Zeit“, sagt Lida. Dementsprechend waren einige Vorbereitungen erforderlich. Einige Frauen waren deshalb bereits von 12 Uhr an in der Küche zugange. An der nächsten Station wird auch wieder Teig verarbeitet. Es gibt Bolani mit Kartoffelfüllung. Die Teige enthalten Mehl, lauwarmes Wasser und im Fall der Bolani noch einen Teelöffel Trockenhefe. Die Füllung der Bolani enthält reichlich Koriander. Das Kraut stammt ursprünglich aus dem östlichen Mittelmeerraum und wird in der Regel mit der asiatischen Küche assoziiert. In der afghanischen Küche ist Koriander jedoch nicht wegzudenken.
Zum Beispiel auch beim Salat, der als Beilage zu den Bolani serviert wird und aus Tomaten, Zwiebeln und Gurken besteht. Eine echte afghanische Spezialität wird in einem großen Kochtopf zubereitet. „Kabuli Palau“ heißt das Reisgericht, das Lamm- oder Rindfleisch enthält und eine echte Nationalspeise ist. Auch hier wurde eine vegetarische Variante angeboten, die es in sich hatte –zumindest optisch. Der Reis war in Teilen grün und pink gefärbt.
Einen Nachtisch gab es natürlich auch. „Ferni“ ist ein afghanischer Milchpudding der mit Pistazien- oder Mandelstiften und Zimt garniert wird. Das Dessert eignet sich besonders gut nach einem kräftigen Gericht, kann aber auch zum Tee serviert werden.
Die Idee ist es, in regelmäßigen Abständen die interkulturellen Kochabende zu veranstalten, wie Kristina Imhof-Schoenherr, erste Vorsitzende des Vereins, sagt. Bereits seit 2015 gibt es die Kochabende. Im Zuge der Corona-Pandemie kam es zu einer Pause. Zukünftig wolle der Verein weiter in andere Kulturen eintauchen, erläutert Schoenherr, die seit zwei Jahren dem Verein vorsteht.
Von den rund 40 Gästen sind viele über Mund-zu-Mund-Propaganda gekommen. Projekte wie die Kochabende sind nützlich, um Mitglieder für die ehrenamtliche Arbeit zu gewinnen und als Verein weiter zu wachsen. Bereits zum zweiten Mal nutzt der Verein die Küche der Liebfrauenschule. Für die Nutzung zahle man Miete, so Schoenherr. Das Essen wird auf großen Platten vorbereitet. Rasch bildet sich eine Schlange. Für Sabine Beier ist dies der Moment der Belohnung, wie sie sagt.
Schon jetzt sei an sie der Wunsch herangetragen worden, dass die Rollen getauscht und deutsche Speisen gekocht werden sollen. Auch ein Besuch mit den Frauen im Supermarkt steht auf der Liste. „Damit sie sehen, was es noch so alles gibt“, sagt Beier. Gelebte Integration erfordert nun mal den Blick über den Tellerrand hinaus. Und das von beiden Seiten.
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