Parktheater

Kleinkunst, die auch mal schmerzt

Andreas Rebers mit seinem aktuellen Programm „Rein geschäftlich“ in Bensheim

Von 
Thomas Tritsch
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Enthüllungskabarett der Premiumklasse: Mit seinem aktuellen Programm „Rein geschäftlich“ war der Kabarettist Andreas Rebers zu Gast im Parktheater Bensheim. © Thomas Neu

Bensheim. Subtil, ätzend, respektlos, böse und immer wahrhaftig: An Andreas Rebers scheiden sich die Geister. Aber genau das macht seine Genre-Originalität aus. Im fließenden Gewässer des braven Mainstream-Kabaretts hat sich der „Blockwart Gottes“ vorgenommen, alles auszubomben, was nach Scheinheiligkeit, Täuschung oder sonstiger Verarsche müffelt.

Sein aktuelles Programm „Rein geschäftlich“ ist eine weitere öffentliche Kampfansage an alles Radikale, Dogmatische und verbohrt Idealistische jenseits der reinen Vernunft. In Bensheim hat Rebers virtuos vorgeführt, wie sich der Deutsche „vom Herrenmenschen zum Moralweltmeister“ entwickelt hat. Man sei nicht weit gekommen, habe es aber weit gebracht. Das Publikum im Parktheater erlebte ballaststoffreiches Kabarett mit einem Künstler, der einen Ruf als „Abrissbirne auf zwei Beinen“ zu verteidigen hat und das auch wirklich ernst nimmt.

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Gut zwei Stunden lang servierte der Niedersachse am E-Piano, dessen Melange aus kantigen Texten und expressionistischer Orgelbegleitung durchaus an Hanns Dieter Hüsch erinnert, Enthüllungskabarett der Premiumklasse. Nicht hart und menschenverachtend in einem Duktus zynischer Schleimerei, sondern bei aller Gattungskritik immer menschenliebend und nachgiebig. Der Synthesizer ist behängt mit einem Gobelin, der röhrende Hirsche im Wald zeigt, und wirkt wie ein Altar, an dem „Reverend Rebers“ seine Predigten verliest: Plädoyers für ein gesundes Misstrauen und eine Spur Ungehorsam, die den kritischen Geist vom blöden Herdentier unterscheiden. Auch, wenn bewusstes Nichtwissen eine höhere Lebensqualität bedeute, wie der 65-Jährige vor gut gefüllten Reihen vermutet. Rebers wettert aber nicht nur gegen die Scheinheiligkeit der Kirche, auch grüne Ersatzreligionen sind ihm ein Graus.

Auf der Bühne inszeniert der Kabarettist geistige Teilhabe durch öffentliche Reflexionen vor Publikum. Die Ausformulierung eines komplexen Gedankengangs als unterhaltsame Live-Performance. Vermeintlich korrekten Fernsehethikern wird – als Lieferanten eines linken und lukrativen Geschäftsmodells – die Maske vom Gesicht geschossen. Diese designten Medienköpfe, die lediglich eine populäre Richtung bedienen, hat Rebers wahrlich gefressen.

Der Künstler zeigt sich mal kraftvoll, dann wieder leise

In einem Ton wahrhaftiger Aggressivität schlachtet er Leute, die sich gerne öko geben, aber allein schon durch ihre billigen, in Drittweltländern genähten Klamotten einer modernen Form der Sklaverei die Euros zuschieben. „In Sachsen-Anhalt liegt jede zweite Rente unterhalb der Armutsgrenze.“ Aber dann kämen grüne Politiker wie Ricarda Lang und sagte den gleichen Leuten, dass sie mit der falschen Heizung heizen und das falsche Auto fahren. Über entsprechende Wahlergebnisse wundere er sich daher keineswegs mehr.

Bei seinem Gastspiel in Bensheim, ein kultureller Außendienstservice vom Theater Sapperlot in Lorsch, hat sich der Künstler auch selbst nicht geschont. Mal gab er sich energiegeladen und kraftvoll, dann wieder lyrisch und leise. Sein Extremismus offenbart sich in einer unbändigen Liebe zu den Menschen – auch wenn das manchmal anders klingt. Er glaubt an die Vernunft und den gesunden Menschenverstand trotz ständiger Enttäuschungen und humanen Katastrophen.

Kritik am politischen Islam ebenso wie an der AfD

Er kritisiert den politischen Islam genauso wie das politisch orientierungslose Reagieren auf die AfD. Das hat ihm bereits Applaus von der falschen Seite eingebracht. Berufsrisiko! Das Credo: Wenn man Wahrheiten wegschließt, werden sie ungenießbar, unbekömmlich, schließlich giftig. In der Politik gehe man aber offenbar anders vor. Hier glaubt man: Die Wahrheit ist ein kostbares Gut, lasset uns sparsam damit umgehen.

Zwischendurch berichtet er von der Front seiner Jugend – von Onkel Dolf zum Beispiel, der ein Hitlerjunge ohne Rang gewesen sei und später TBC bekommen habe. Einem anderen Onkel fehlte ein Ohr, das „in Russland geblieben“ war, einem anderen fehlte ein Bein und einem Opa ein Auge. Er habe die dann alle draußen auf eine Bank gesetzt, die Kindkollegen aus dem Ort zum Anschauen geholt und Eintritt verlangt. Rein geschäftlich halt.

Sein Kommentar zu Annalena Baerbock: „Es reicht nicht, dass man nichts zu sagen hat, man muss auch unfähig sein, es auszudrücken.“ Er filetiert Political Correctness bis auf ihre DNA, kommentiert die pro-palästinensischen Bekundungen einer Greta Thunberg als naiven Müll und betont, dass es im 20. Jahrhundert zwei Genozide gegeben habe: außer dem Holocaust jenen der Türken an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs.

Wenn Klimaaktivisten das Genre wechseln, komme nicht immer etwas Gescheites dabei heraus, so der Kabarettist in Bensheim, wo er einige jüdische Lieder zum Besten gab. Momente, in denen es ganz leise und konzentriert im Parktheater wurde.

Erfindung der Plexiglas-Mafia?

Nach der Pause stellte Rebers die Frage in den Raum, ob die Pandemie vielleicht nicht doch eine Erfindung der Plexiglas-Mafia gewesen sei. Und er erzählte, wie er einer Politesse, die ihm aufgrund blanker Schnauze „Ohne Maske, 138 Euro!“ mitgeteilt habe, nach kurzer physischer Begutachtung sagte. „Ok, steig ein!“ Aber es wurde auch philosophisch: Da die DNA von Mensch und Schwein zu 93 Prozent identisch sei, entscheiden also nur magere sieben genetische Prozent darüber, ob man vor oder doch in der Auslage landen wird.

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„Wer geradeaus fliegt, wird begnadigt. Wer mäandert, wird begradigt!“ Andreas Rebers floss im Parktheater gewohnt kurvenreich und strömungsstark ins Finale. Auf dem schmalen Grat zwischen Humanismus und Digitalismus erweist er sich als heller Stern am deutschen Kabaretthimmel, der auf einem hart umkämpften Meinungsmarkt zu polarisieren weiß und so die Hirnwindungen in Bewegung versetzt. Kleinkunst, die auch mal schmerzt, aber niemals betäubt. Langer Applaus in Bensheim.

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