Himmelsschauspiel - Astronom Henry Schäf beobachtete den Merkur-Transit / Live-Schalte ins Universum

Kleiner Planet auf seltener Bahn

Von 
Thomas Tritsch
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Hobby-Astronom Henry Schäf beobachtete am Montag auf dem Gelände der Firma HTV den Merkur-Transit.

© Funck

Bensheim. Der Merkur ist am Montag an der Sonne vorbeigewandert. Bis zum Abend war er als kleiner schwarzer Punkt deutlich erkennbar. Allerdings nicht mit bloßen Augen. Voraussetzung war ein Fernrohr mit mindestens 50-facher Vergrößerung und einem speziellen Sonnenlichtfilter. Henry Schäf hat beides. Der Hobby-Astronom hatte sein Profi-Teleskop bei der Firma HTV aufgebaut. Dort arbeitet er als Chemie-Ingenieur und Halbleiterspezialist.

Sein Viereinhalb-Meter-Dom steht gleich hinterm Betriebsgebäude an der Robert-Bosch-Straße. Neben der fix installierten Sternwarte platzierte Schäf sein Equipment. 80-fache Vergrößerung mit Herschelkeil zur Sonnenbeobachtung, das nur rund zehn Prozent des Lichts zum Okular reflektiert. Plus ein H-Alpha-Teleskop mit Interferenzfilter, das nur einen schmalen Spektralbereich durchlässt, aufgrund der eingeschränkten Sicht aber keine guten Bilder bot. Das diesige Wetter war schwierig, aber der Blick ins All letztlich doch erhellend.

Tiefschwarzer Stecknadelkopf

Der Merkurtransit begann um exakt 13.12 Uhr deutscher Zeit mit dem Auftauchen des Planeten am Ostrand der Sonne. Gegen 20.41 Uhr ging das Schauspiel ins Finale. Weil Bensheim westlich der planetaren Durchgangsstrecke liegt, waren die letzten "Meter" der Strecke wegen des Sonnenuntergangs nicht zu sehen. Macht aber nix.

Am frühen Nachmittag hatten Schäf und sein Publikum wiederholt Gelegenheit, um den kleinsten Planeten unseres Sonnensystems auf seiner Bahn zu beobachten. Durch das Weißlicht-Teleskop sah der tiefschwarze Stecknadelkopf für manchen Sternengucker zwar aus wie klar konturierter Fliegendreck. Schließlich bedeckte er nur 0,004 Prozent der Sonnenscheibe. Fasziniert waren dennoch alle, die den Flug des inneren Planeten vor dem glühenden Giganten live erleben konnten. Merkurtransite sind seltener als Sonnen- und Mondfinsternisse.

"Es gibt Astronomen, die haben ihn noch niemals gesehen", sagt Henry Erich Schäf. Vor 51 Jahren in Stuttgart geboren, im zarten Alter von 13 unheilbar von der Astronomie infiziert. Seit 2008 treu begleitet von seinem vierbeinigen Assistenten, der auf den berühmten Namen Edwin Hubble hört. Ein edler Mops von selten schöner Statur, der seinen Himmelsforscher natürlich auch am Montag nicht aus den Augen gelassen hat.

Der Merkur hat einen Durchmesser von etwa 4900 Kilometern. Er ist der Planet, der der Sonne am nächsten ist. In knapp 88 Tagen umrundet er den Feuerball. Die Erde kreist etwas langsamer auf einer weiter entfernten Umlaufbahn um die Sonne. Etwa alle 116 Tage überholt der Merkur die Erde auf der Innenbahn. Nicht gerade ein Actionfilm, aber dennoch spannend. Und eigentlich nichts Besonderes: Das passiert alle vier Monate. Aber nicht wie am Montag, als die Merkurbahn so verlief, dass beide Planeten in einer Linie lagen - der Transit wurde sichtbar.

Nur alle paar Jahre zu sehen

Zu sehen ist dieses Ereignis nur alle paar Jahre. Denn der Merkur überholt die Erde meist oberhalb oder unterhalb der Sonne. In diesem Jahrhundert soll der Merkur insgesamt 14 Mal vor die Sonne treten. Von Deutschland aus konnte das Schauspiel zuletzt 2003 beobachtet werden. Das nächste Mal ist es von uns aus am 11. November 2019 zu sehen, dann allerdings nur kurz vor dem Sonnenuntergang. Den vollständigen Prozess erleben wir erneut am 13. November 2032 und am 7. November 2039. Wer auch das verpasst, sollte sich den 7. Mai 2049 vormerken, sich schon heute gesund ernähren und regelmäßig bewegen.

Henry Erich Schäf erklärt. Zwei Bedingungen müssen erfüllt sein, damit dieses himmlische Schauspiel stattfinden kann: die Bahnebenen von Merkur und Erde sind um sieben Grad gegeneinander geneigt. Sie durchstoßen sich an der sogenannten Knotenlinie. Merkur muss also möglichst dicht bei dieser Linie stehen. Da die Bahnen der Planeten sich nur äußerst wenig verändern, kann man die Zeiten, zu denen der Merkur in den beiden Knoten steht, ziemlich genau angeben: Das passiert immer zwischen dem 6. und dem 11. Mai und zwischen dem 6. und dem 15. November jeden Jahres.

"Die Transits finden in unregelmäßigen Abständen von dreieinhalb bis 13 Jahren statt", so der Astronom, der regelmäßig von der NASA nach neuen Entdeckungen gefragt wird. Für seine faszinierenden Deep-Space-Fotos ist Schäf bereits mehrfach ausgezeichnet worden. Für ihn war das Transit eines der wichtigsten Himmelsereignisse in 2016. In den kommenden zwei, drei Jahren sei dort oben wenig los, was Laien hinter dem Ofen hervorlocken könnte. Für Kenner wie ihn gibt es aber immer was zu sehen. Eine Supernova etwa. Oder Galaxien, Nebel, Sternenhaufen.

Ausdauer und Glück

Durch seine Ausdauer - und etwas Glück - hatte Schäf in der Vergangenheit immer wieder die Chance, spektakuläre Bilder zu schießen. Als am Montag die Wolkendecke kurz aufreißt, öffnet sich die Sicht auf den Merkur. Auf der Sonnenscheibe erkennt man Sonnenflecken und sogar ganz leicht die Körnung der Gaskugel. Die Live-Schalte ins Universum ist geglückt. Und in Hubbles Gesicht ist fast so etwas wie ein gönnerhaftes Lächeln erkennbar.

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